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In Bünde parkt sie vor der Garage und ist noch gar nicht richtig ausgestiegen, als Andreas schon bei ihr steht. „Wo ist Jule?" – „Ich werde dir das nicht sagen, Andreas" – „Sie ist bei dir!" – „Sie ist in einem kleinen Hotel. Ich hole jetzt ein paar Sachen und fahre dann wieder zu ihr" – „Ich komme mit!" – „Andreas, sie will dich nicht sehen" – „Das ist mir vollkommen egal, ich will zu ihr" – „Lass ihr die Zeit, die sie braucht", sagt Chris hinter ihm. „Und wer denkt an mich? Ich brauche sie, verdammt noch mal, und sie lässt mich eiskalt links liegen!" – „Das hast du vorher auch gemacht, Andreas". Andreas sieht seinen Bruder böse an. „Meinst du, ich weiß nicht, dass das verkehrt war? Aber sie gibt mir ja keine Gelegenheit, mich zu entschuldigen. Geh mir aus dem Weg!". Er schubst Chris zur Seite und geht zurück ins Haus, holt seinen Autoschlüssel und setzt sich ins Auto, um vom Hof zu fahren. „Andreas, wo willst du hin?". Lisa öffnet die Beifahrertür und steigt ein. „Weg hier. Ich kann seine vorwurfsvollen Blicke nicht mehr ertragen". Andreas gibt Gas, und sie schnallt sich schnell an. Er ist zwar ein sicherer Fahrer, aber man merkt, dass er mit seinen Gedanken woanders ist. „Andreas, er schaut doch nicht vorwurfsvoll" – „Doch, tut er! Ich weiß selber, dass es Scheiße war, was ich gemacht habe. Bitte Lisa, sag mir, wo Jule ist" – „Ich hab's ihr versprochen, Andreas" – „Hast du Zeit?" – „Wofür? Klar hab ich Zeit, sonst wär ich nicht eingestiegen". Andreas schlägt den Weg zum Friedhof ein. Dort steigen die beiden aus und gehen zum Grab von Andreas Papa. Ihm laufen wieder Tränen übers Gesicht, und Lisa legt einen Arm um ihn. „Warum, Papa? Warum nimmst du mir nicht nur mein Baby sondern auch meinen Sonnenschein? Warum lässt du zu, dass sie alle abschotten? Warum?". Andreas Stimme wird immer leiser, und Lisa schluckt hart. Plötzlich dreht er sich zu ihr und klammert sich weinend an Lisa fest. Sie streichelt ihm beruhigend über den Rücken, als ihr Handy läutet. „Willst du nicht rangehen?" – „Nein, das ist Chris, der kann warten" – „Lisa?" – „Ja" – „Meinst du, sie will mich nie wieder sehen?". Lisa holt tief Luft. „Das kann ich dir nicht beantworten, Andreas" – „Bitte sag mir wo sie ist" – „Nein! Es tut mir richtig weh, euch beide so zu sehen, aber ich hab's ihr versprochen!". Lange sieht er sie stumm an. „Ihr habt euch alle gegen mich verschworen", flüstert er dann, dreht sich um und geht Richtung Auto. „Andreas! Das stimmt doch gar nicht". Lisa läuft ihm hinterher und bleibt vor ihm stehen. Andreas sieht sie mit leerem Blick an und geht an ihr vorbei. „Herrgottnochmal! Andreas, bleib stehen!" Lisa nimmt seine Hand und zwingt ihn stehenzubleiben. „Lass mich los" – „Nein, das mach ich nicht! Ich weiß, dass es euch beiden weh tut was passiert ist, aber lass doch bitte Jule etwas Zeit. Sie muss das nicht nur im Kopf sondern auch körperlich verarbeiten, meinst du, das geht innerhalb von ein paar Tagen? Der Körper meint noch einige Zeit, dass er schwanger ist und erst dann normalisiert sich alles. Und wenn sie meint, sie will das mit sich alleine ausmachen, dann solltest du das einfach akzeptieren!" – „Und wer hilft mir?", fragt er leise. „Du weißt genau, dass ich immer für dich da bin, sonst wär ich nicht hier. Und Chris auch!" – „Chris meint, dass ich schuld bin" – „Andreas, es ist keiner schuld! Wenn der Körper so früh ein Baby abstößt, war es meistens nicht überlebensfähig" – „Oder der Stress, den Jule wegen mir hatte" – „Vielleicht auch die Kombi aus beidem. Aber das wird euch keiner sagen können, hier irgendeinem Vorwürfe zu machen, ist total falsch. Ihr müsst beide wieder nach vorn schauen, erst mal jeder für sich allein und mit Sicherheit auch später wieder zusammen" – „Meinst du, sie wird irgendwann wieder Nähe zulassen?" – „Ich hoffe es".

Lisas Handy läutet wieder, diesmal ist es ein anderer Ton. „Darf ich?" – „Natürlich". Lisa geht ein paar Schritte zur Seite und nimmt den Anruf an, während Andreas langsam Richtung Parkplatz schlendert, die Hände in den Hosentaschen versenkt und den Blick grübelnd zu Boden gerichtet. Er ahnt nicht, dass es Jule ist, die Lisa gerade am Telefon hat. Nach einer Weile läuft sie Andreas nach. „Gib mir den Autoschlüssel, ich fahre", sagt sie zu ihm. Andreas nickt und die beiden steigen ein. Er ist immer noch tief in Gedanken versunken, als Lisa nach kurzer Zeit wieder anhält. Überrascht sieht er auf. Sie stehen vor Jules Haus, auch Chris Auto steht hier. „Und was soll das jetzt?" – „Naja, Jule will dich sehen, zwar nicht allein, sondern nur mit Chris und mir, aber das ist doch schon ein kleiner Fortschritt, oder?" – „Wirklich?", flüstert Andreas mit Tränen in den Augen. „Ja, wirklich. Komm!"

Magic Love - EB FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt