Untersuchungen

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Ich kann mich kaum entscheiden, was ich widerlicher finden soll.

Die Leiche von Karlsen, die heftiger stinkt als der Kollau im Normalzustand oder ob es die nervigen Fragen der Polizisten sind.

Offensichtlich waren Tina und ich, die letzten die Karlsen lebend gesehen haben. Wenn man von dem Schwein absieht, der ihm erst die Kehle aufschlitzt hat und ihm anschließend in die Kollau geworfen hat.

Er muss tatsächlich auf dem direkten Weg nach Hause seinen verdammten Killer in die Arme gelaufen sein. Wenn der ihm nicht direkt schon vor der Kanzlei abgefangen hat.

Ich erkläre den Bullen vor mir, der kaum größer ist als Tina, wer ich bin und weise mich mit meinem Personalausweis aus.

Ich sollte mich wirklich beeilen, bevor die Idioten von der Staatsanwaltschaft kommen und sich wie die Geier auf die Wasserleiche stürzen. Denn das was dann noch von dem armen rothaarigen Kerl übrig sein wird, wird mir sicherlich keine eindeutige Antwort geben, wie er ums Leben kam. Nicht wenn ich nicht den ersten Schritt machen darf.

Rasch zucke ich das Handy und wähle die Nummer von Sven. Wie zu erwarten, pennt der Mistkerl tief und fest. Hoffentlich in seinen eigenen Bett, denn wenn ich ihn erst mal ans Telefon bekomme, wird er sich beeilen müssen, zeitiger hier zu sein als die Geier.

Nach dem vierten Versucht nimmt er tatsächlich ab. Ohne große Worte zu verschwenden, gebe ich ihm weiter seinen Hintern hierher zu bewegen und zwar zügig. Wahrscheinlich noch halb im Schlaf versunken, knurrt er mich weder an, noch giftet mir einen anderen Fluch an den Hals, sondern verspricht sich loszumachen.

Gut.

Das war Problem eins.

Problem zwei, steht mit Untertassen großen Augen neben Ulli und starrt auf die nicht abgedeckte Leiche von Karlsen. Fast ist Tinas Hautton zum verwechseln ähnlich hell und grau wie der, der Leiche. Aber ich musste sie mitnehmen.

Wenn dieser Penner, der Karlsen gekillt hat, frei rumläuft und Zeugen aus dem Weg schaffen will, ist Tina nur bei einem sicher. Bei mir.

Leichenfarbe und -geruch hin oder her. Da muss sie jetzt durch.

Dafür trete ich auch kurz neben sie und drücke kurz ihre zarte Schulter mit meiner Hand. "Alles okay, Puppe?" frage ich und hoffe inständig, dass sie jetzt keine weiteren Wünsche hat, wie einen weiteren Parker oder vielleicht eine Tasse Tee. Das soll sie schön mal bei Ulli abladen.

Doch sie nickt. Ihre leuchtenden Augen sehen zu mir auf und - Gott verdammt noch einst - reißen mir fast mein Herz in zwei. Angst, Sorge, Kummer. All das gemischt mit einer toxischen Mischung aus Unverständnis und Mitleid für Sven Karlson. "Geht schon. Ist nur komisch zu wissen, dass ... er noch vor ein paar Stunden so lebendig vor uns saß und uns gewarnt hat."

"Ja." brumme ich und lasse sie los. Höchste Zeit mir Karlson mal ein bisschen näher anzusehen.

Ich trete von den Damen ab und laufe zu den Rudel an Testosteron gesteuerten Bullen, die um die Leiche stehen und den Tatort mit gelben Bändern abgesteckt haben.

Einer der Bullen mustert mich für einen kurzen Moment, fast so als wolle er mich davon abhalten die Abgrenzungssperre zu übersteigen, doch sein Kollege greift ihn noch rechtzeitig an den Arm und murmelt leise etwas wie 'Verteidiger' oder vielleicht einfach nur 'Arschloch'. Für manche mag da kein Unterschied bestehen.

Also gut, Karlson. Ich hocke mich vor ihm hin und zucke ein Taschentuch aus meiner Hosentasche heraus. Die Kehle hat nur einen Schnitt abbekommen. Einen ziemlich tief gesetzten und einen, der darauf schließen lässt, dass unser Täter durchaus Ahnung von dem hat, was er da tut. Glatter Schnitt. Wenig Einrisse um die Wunde herum. Also war auch kein einfaches Küchenmesser am Werke, sondern eines, das vielleicht weniger Gebrauch in der Küche finden sollte.

Die Kleidung von Sven ist durchnässt und voller Blut. Sein ganzes Hemd, von den Ärmeln bis zum Kragen, ist rot. Also war er länger an Land, als uns jemand vorspielen will. Oder? Diese Blutflecken sind eindeutig gut eingezogen in das Baumwollgewebe oder welcher Klamottenstoff das auch immer sein mag.

Ich greife mit dem Taschentuch nach seinem Arm, auch wenn ich dafür riskiere, mir von einen der Bullen hinter mir, eine ordentlich Standpauke anhören zu dürfen, dass diese Überprüfung mehr den Rechtsmediziniern zusteht. Aber da weder eine Standpauke folgt, noch sich sonst jemand groß drum schert, was ich hier mache, nehme ich den Arm und bewege ihn nach oben.

Wie zu erwarten war.

Er bewegt sich noch.

Keine Leichenstarre.

Ich taste probeweise über seinen Körper. Bauch. Hals. Linkes Unterbein. Rechter Oberschenkel.

Die Muskeln sind fast noch alle beweglich.

Wahrscheinlich dem eiskalten Wasser der Kollau zu verdanken und einen gut gekühlten Kofferraum oder worin ihn dieser Wichser sonst befördert hat

Ich betrachte die Sachen erneut. Kein einziges Loch. Kein einziger Riss. Es sind genau die gleichen Klamotten, die er heute noch bei uns trug.

Mhm.

Vielleicht wird Sven mehr rausfinden.

Wie aufs Wort höre ich auch den Auspuff seines alten Golfs anrollen, der in nur wenigen Metern Entfernung zum Halten kommt.

Gähnend läuft er genau auf mich zu. "Echt, David. Hätte das nicht bis morgen warten können? Ich hab frei. Die anderen Mediziner können sich genauso gut um den Kerl kümmern. Die Ergebnisse kann ich dir auch so besorgen."

Ich stehe auf. "Ach ja? Und dafür sorgen, dass dieser Wichser, der ihn gekillt hat, noch länger frei umläuft?"

Nun habe ich anscheinend seine Aufmerksamkeit bekommen. Immer noch mit einen deutlichen Kissenabdruck im Gesicht zu erkennen, wird Svens Miene angespannter. "Du kanntest den Kerl?" fragt er und deutet mit einer Kinnbewegung auf den toten Sven.

Ich nicke. "Hat noch vor keinen zehn Stunden vor Tina und mir in der Kanzlei gehockt und uns gewarnt, dass Spione überall sind. Und jetzt ist er tot. Ich schätze nicht, dass ich dir erklären brauch, wie kausal das ist."

"Nein." murmelt Sven und bückt sich herab, um den Kerl auf den ersten Blick zu untersuchen. "Seine Haut ist von dem Schwimmgang im Wasser deutlich aufgequollen. Aber nicht schlimm genug, um uns irgendwas über die Tat zu verheimlichen. War vielleicht drei, vier Stunden schwimmen. Meinst du, er sollte gefunden werden?"

Ich schüttle meinen Kopf. "Ja. Selbst wenn er in den ersten paar Stunden oder Tagen nicht gefunden werden sollte, ist seine Kleidung eine deutliche Zeichen für mich. Tina und ich haben ihn gesehen. Wussten was er getragen hat. Ich glaube, sein Tod dient viel mehr den Zweck als Drohung. Eine die ein bisschen größer ist als ein Hund oder ein Schafsfell voller Blut."

Sven steht wieder auf und blickt kurz auf die Polizisten hinter uns, die ihn ebenfalls mustern. Allmählich frag ich mich, was die Trottel überhaupt ernst nehmen. "Ich ruf meinen Boss an und fahr gleich mit der Leiche ins Labor. Wird sicherlich ein oder zwei Tage dauern, bis wir alles über den Kerl und sein Ableben erfahren, aber du wirst der erste sein, der es erfährt."

Ich nicke kurz. "Danke."

§ Gesetze der Liebe § Chris Evans Scarlett Johannson FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt