Kapitel 2

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Als es endlich Mittagspause war, fühlte ich mich tausendmal müder als in der ersten Stunde. Wir gingen in die Mensa und holten uns etwas zu essen. Mit unseren Tabletts liefen wir nach draußen auf die große Wiese. Heute schien die Sonne und es war angenehm warm. Wir setzten uns auf eine Stelle, an der nicht so viele Schüler saßen und wir auch etwas Schatten hatten. Ich stellte mein Tablett ab und legte mich in die Sonne. Und ich schlief viel zu schnell wieder ein. Ich wurde schließlich durch die Klingel geweckt.

„Tori! Du hast so tief geschlafen. Da hat nicht mal mein Ellbogen geholfen. Los, komm. Sonst sind wir kommen zu spät."

Sie half mir auf die Beine und ich packte meinen Apfel und mein Sandwich schnell in meine Tasche. Dazu würde ich wohl erst später kommen. Nachdem wir die Tabletts weggebracht hatten, rannten wir in die Sporthalle und kamen völlig außer Atem in den Umkleideräumen an. Zu spät waren wir noch nicht. Hier war alles noch voll. Aber die meisten Mädchen an dieser Schule brauchten gefühlte Jahre um sich umzuziehen. Wir schafften das in weniger als einer Minute. Im Gehen band ich mein langes blondes Haar zu einem hohen Zopf. Als alle in der Sporthalle waren, erklärten uns die Lehrer, dass wir bei so schönem Wetter nach draußen gehen würden. Das hieß dann Leichtathletik. Immerhin besser als Volleyball, darin waren Kate und ich echte Nieten. Die Jungen waren als erstes beim Sprint und die Mädchen beim Weitsprung. Da zuerst die andere Klasse dran war, hatten wir noch etwas Pause. Die Äffchen waren zu den Jungen gegangen und feuerten sie an. Kate und ich setzten uns auf den Rasen und entspannten noch etwas. Mein Blick wanderte aber zu den Äffchen, die ganz aufgeregt kicherten. Finn war gerade dabei, in Startposition zu gehen. Die Klappe fiel und beide Jungen liefen los. Oder flogen, was in Finns Fall wohl eher passen würde. Es sah so aus, als würden seine Füße den Boden kaum berühren und schnell hatte er einen riesigen Vorsprung. Oder bildete ich mir das nur ein? Vielleicht hatte mir ein Nickerchen in der Sonne nicht gutgetan. Die Äffchen fingen an zu jubeln, als Finn im Ziel ankam. Auch Kate war auf das Rennen aufmerksam geworden.

„Wow, der ist aber schnell. Und ich gebe es zu, er sieht schon ziemlich gut aus.", sagte sie und lächelte.

Ich wusste nicht ganz, ob ich ihr sagen sollte, was ich glaubte zu sehen, entschied mich dann aber dagegen. Vielleicht war ich wirklich viel zu müde dafür.

„Du willst dich mit den Äffchen anlegen?", fragte ich sie und lächelte sie böse an.

„Ach man, du weißt, was ich meine.", sagte sie und boxte mich in die Schulter.

„Aua. Wieso musst du mich eigentlich immer schlagen?", fragte ich sie und rieb mir die Schulter.

Sie streckte mir die Zunge raus, stand auf und hielt mir die Hand hin.

„Komm, wir sind dran.", sagte sie und zog mich hoch.

Kate sprang als erste. Sie war gut und sprang ziemlich weit. Als ich dann dran war, hörte ich sie. Na toll, nicht einen Tag ohne eine Beleidigung von ihr.

„Na komm, du Freak, schwing deinen Fettarsch in die Luft. Die Schwerkraft holt ihn auch bestimmt schnell genug wieder runter.", sagte Julia. Julia war ein Albtraum. Sie war so etwas wie eine Schultyrannin. Ständig beleidigte sie Menschen, die sie für weniger wert hielt. Mich hatte sie schon seit meinem ersten Tag auf dem Schirm. Jeder an der Schule schien zu wissen, dass ich ein Pflegekind war. Und für Menschen wie Julia war das und mein unscheinbares Wesen ein gefundenes Fressen.

„Vielleicht sollten wir sie anfeuern, weil sie ja sonst niemanden hat. Was meint ihr? Sollen wir das Pflegebaby anfeuern? Los, Loser!", rief sie und stiftete ihre Gefolgschaft an, mitzumachen.

Ich verdrehte die Augen und ignorierte sie. Dann ging ich auf die Startposition und lief los. Auf meinem Weg hörte ich mehrere Mädchen, „Los, Loser" rufen, aber versuchte sie alle zu ignorieren. Julia stand genau an der Absprungmarke und schaute mich finster an. Ihr passte das gar nicht, dass ich sie ignorierte. Als ich abspringen wollte, stelle sie mir ein Bein und ich fiel mit dem Gesicht in den Sand. Meine Knie schliffen über den roten Kies. Wütend stand ich auf und wollte sie am liebsten schlagen, aber Kate kam mir zuvor.

Oblivia - Die VergessenenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt