Kapitel 6

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Als ich zuhause ankam, war ich wieder allein. Ich beschloss als erstes aus meinen nassen Klamotten zu kommen und eine schöne warme Dusche zu nehmen. Vorher nahm ich noch frische Kleidung aus meinem Zimmer und ging dann ins Badezimmer. Als ich unter der Dusche stand, hielt ich abrupt inne. Was, wenn das Wasser wieder verrücktspielte? Ich wollte ungern in Schnee oder Hagel duschen. Aber vielleicht konnte ich es auch abstellen. Ausschalten. Vorsichtig drehte ich das warme Wasser auf. Es kam ganz normal aus der Brause. Nichts Eigenartiges passierte. Trotzdem blieb ich wachsam. In sauberen und trockenen Sachen lief ich zurück in mein Zimmer. Mein Blick fiel auf die Tasche, die ich einfach so auf den Boden geworfen hatte.

Die Bücher!, fuhr es mir durch den Kopf. Hastig öffnete ich den Reißverschluss und nahm alles aus der Tasche. Erleichtert sah ich, dass alles mehr oder weniger trocken geblieben ist. Aber die Tasche selbst war außen total nass. Deshalb legte ich sie zu der nassen Kleidung auf die Heizung im Badezimmer.

Mein Magen erinnerte mich daran, dass ich heute kein Mittagessen hatte. Daher beschloss ich etwas zu kochen. Ich machte so viel, dass Mrs. George, wenn sie von der Arbeit kam, auch etwas essen konnte. Nachdem ich fertig und satt war, ging ich zurück auf mein Zimmer. Mir fiel die SMS von Kate ein, die ich mehr oder weniger vergessen hatte. Hoffentlich war sie nicht sauer, dass ich noch nicht geantwortet hatte.

Ich versuchte ihr vorsichtig zu erklären, was ich dachte. Dass sie sich keine voreiligen Hoffnungen machen sollte. Dass ich ihm nicht wirklich traute und dass John sicherlich genauso dachte. Ich schickte die SMS ab. Es dauerte nicht lange, dann kam auch schon die Antwort. Sie stimmte mir letztlich doch zu und wollte die Situation erst einmal beobachten. Was so viel hieß, wie, sie wird ihn von weitem beobachten und anschmachten. Besser als gar nichts, dachte ich mir.

Zwischen Kissen und eingehüllt in meine Decke ließ ich nun die Gedanken an vorhin noch einmal aufleben. Was hatte Finn gemeint? Was wusste er? Ich vertraute ihm keineswegs. Aber er hatte mich gesehen. Würde er es jemanden erzählen? Könnte das gefährlich für mich werden? Immerhin könnte dieses Wissen in den falschen Händen wer weiß was anrichten. Ich könnte alles verlieren, was ich in den letzten Jahren aufgebaut hatte. Warum musste ausgerechnet er mich sehen? Ihn, den ich absolut nicht einschätzen konnte. Verdammt, was sollte ich nur tun?

Von dem ganzen Stress bekam ich unglaubliche Kopfschmerzen. Mittlerweile war es schon recht spät geworden. Ich beschloss, schlafen zu gehen.

Der nächste Morgen verlief ohne irgendwelche übernatürlichen Vorkommnisse. Auf dem Tisch in der Küche lag ein Zettel von Mrs. George, auf dem 'Dankeschön' stand. Ich traf Kate und John wie gewohnt. Niemand sprach über Finn. Was gut war. Aber es erinnerte mich daran, dass ich ihn heute sehen würde. Meine Angst von gestern Abend kam wieder zurück. Ich versuchte, mich innerlich darauf vorzubereiten, was heute passieren könnte.

Aber als wir im Raum ankamen, fehlte von Finn jede Spur. Trotzdem war ich immer noch voller Sorge. Heimlich sah ich mich im Raum um, ob jemand mich beobachtete. Nichts Unauffälliges. Ich hätte den anderen nicht egaler sein können. Kurz bevor der Unterricht los ging, kam Finn in den Raum und setzte sich auf den Platz neben mich wie gestern Nachmittag.

Irgendwann in der Stunde bemerkte ich einen Zettel in meiner Federtasche, der vor einigen Minuten noch nicht dort war. Mit einem Blick auf Kate, die davon nichts zu bemerken schien, faltete ich ihn auseinander.

„Wir müssen reden. Mittagspause. Bibliothek.", stand auf dem Zettel. Ich wusste, von wem er kam. Es konnte niemand anderes gewesen sein. Als ich zu Finn blickte, beachtete er mich gar nicht. Die nächsten Stunden gingen vorbei und meine Angst wurde immer größer. Immerhin hatte er bisher scheinbar noch niemanden davon erzählt.

Oblivia - Die VergessenenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt