Kapitel 9

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Völlig unbewusst griff Finn nach meiner Hand und zog mich hinter sich her, in die Richtung, aus der wir vorhin gekommen sind. Nach einigen Metern löste ich meine Hand kaum merklich aus seiner. Mir war das etwas unangenehm, zumal ich sehr wohl in der Lage war, allein zu laufen. Aber das behielt ich lieber für mich.

Finn führte mich wieder tief durch die verzweigten Gänge und Flure des Gebäudes. Ich hatte vorhin bereits völlig die Orientierung verloren. Als er um die Ecke bog, bemerkte ich einen köstlichen Duft in der Luft. Kochte da gerade jemand?

„Perfektes Timing", sagte Finn leise und ging durch eine Tür auf der rechten Seite, aus der der Duft intensiv zu uns wehte.

Der Raum, den wir betraten, war eindeutig eine Küche. An der einen Seite waren Herd, Kühlschrank und Theken untergebracht. Auf der anderen stand ein riesiger Tisch mit unzähligen Stühlen. Vor dem Herd stand eine Frau und rührte in einem Topf. Das musste die Quelle für den köstlichen Duft sein, dachte ich mir.

„Hi, Mom", sagte Finn. Er ging zu der Frau und umarmte sie von hinten. Er war einen ganzen Kopf größer als sie.

„Ich verstehe. Du hast Hunger", antwortete sie und bedachte ihn eines wissenden Blicks.

„Du kennst mich einfach zu gut", erwiderte er und löste die Umarmung. „Das hier ist Tori. Mom, Tori, Tori, meine Mom." Er deutete mit der Hand auf mich und stellte uns vor.

„Freut mich. Du kannst mich Claire nennen. Ich schätze, wenn du hier bist, wirst du wohl eine von uns sein", begann sie. „Aber ich hätte nicht damit gerechnet, dass sich so schnell jemand zeigt."

Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte. Nach wie vor hatte ich keine Ahnung über ihrer Welt, die nun auch meine war.

„Freut mich ebenfalls", antwortete ich schließlich.

Finn versuchte die Situation etwas aufzulockern, in dem er wieder zu unserem eigentlichen Ziel zurückkam.

„Können wir dir vielleicht helfen?", fragte er seine Mutter.

„Du? In der Küche? Heute muss wohl ein besonderer Tag sein", sagte sie. „Du musst wissen, man sieht ihn selten hier außer zum Essen." Den letzten Teil sagte sie an mich gewandt.

„Mom! Das ist doch gar nicht wahr", versuchte Finn sich zu verteidigen.

„War doch nur Spaß. Aber gut, dass du fragst. Ihr könnt den Tisch decken. Ich werde derweil die anderen rufen", erklärte sie und fuhr Finn durch die Haare.

Sie stellte den Topf vom Herd und stellte ihn daneben. Mit einer wischenden Handbewegung löschte sie die Flamme des Gasherds. Völlig fasziniert starrte ich noch einen Moment länger auf den Herd. Konnte ich so etwas auch machen?, fragte ich mich. Ich riss mich los und ging zu Finn, der gerade Teller aus einem der Schränke holte. Suchend schaute ich die Küchenzeile an. Auf gut Glück öffnete ich eine Schublade und fand sofort das Besteck, das ich gesucht hatte. Schnell zählte ich die Teller, die Finn gerade auf dem Tisch verteilte und holte passend dazu Löffel aus der Schublade. Ich verteilte sie auf dem Tisch und nahm Finn dann zwei Gläser aus der Hand. Aber ich hatte sie nicht richtig festgehalten und im nächsten Moment fielen sie mir aus der Hand. Klirrend zersprangen sie auf dem Boden zu einem Scherbenmeer.

„Shit, tut mir leid", sagte ich uns hockte mich auf den Boden und fing an, die Scherben aufzusammeln. Natürlich schnitt ich mich schon an den ersten Scherben.

Finn hockte sich zu mir und nahm die Scherben aus meiner Hand.

„Lass gut sein. Ich mach das schon", sagte er und half mir auf. „Wasch dir schnell die Hände. Ich bin gleich bei dir." Er zeigte zu dem Waschbecken.

Ich nickte und tat, was er mir gesagt hatte. Mit einem Blick über die Schulter sah ich zu Finn. Er hatte die Hand ausgestreckt genauso wie vorhin auf dem Sportplatz. Die Scherben wurden durch einen Windstoß, der aus dem Nichts kam zusammengekehrt. Als gesammelter Haufen lief Finn sie in der Luft schweben. Dann hielt er auch die andere Hand hoch und ein Windstoß öffnete den Mülleimer neben dem Kühlschrank. Die Scherben schwebten dorthin und verschwanden.

Finn drehte sich um und sah mich an.

„Beeindruckt?", fragte er mich und grinste angeberisch.

„Was?", fragte ich verdutzt. Er kam auf mich zu und stellte den Wasserhahn aus. Ich hatte total vergessen, dass ich ihn überhaupt aufgedreht hatte.

Auf meiner Handfläche war ein mittelgroßer Schnitt. Er war nicht tief und hatte bereits aufgehört zu bluten.

„Wärst du bereits ausgebildet oder wäre unsere andere Aqua hier, bräuchtest du nicht mal ein Pflaster. Aber die ist gerade auf Reisen", sagte Finn als er den Schnitt betrachtete. Er durchsuchte einen der Schränke bis er mit einem Pflaster zurück kam.

„Eine Aqua? Was ist das?", fragte ich verwundert während Finn das Pflaster anbrachte.

„Ach stimmt ja. Um es kurz zu fassen, wir haben für die verschiedenen Elemente oder eher für die Menschen, die diese kontrollieren können, Namen. Aqua für Wasser, Aer für Luft, Terra für Erde und Ignis für Feuer. Soweit haben wir es von den ersten unserer Art übernommen. Da sich einige Fähigkeiten erst später entwickelt haben, gibt es dafür nicht direkt einen Namen. Für Energie benutzen wir meistens Acror und für die Geisterbeschwörer Lamina. Man gewöhnt sich an die Namen", erklärte er.

Das war durchaus etwas sonderbar, aber nach dem, was ich in den letzten Tagen erlebt hatte, erschien mir das schon eher akzeptabel als aus Regen Schnee werden zu lassen. Wie viel Zeit wohl vergehen wird ehe ich mich daran gewöhnt habe?, fragte ich mich. Bisher hatte ich meine Fähigkeiten mehr als Fluch denn Segen wahrgenommen. Ich hoffte, dass ich einen Weg finden würde, was auch immer mit mir passiert war zu unterdrücken. Ich wollte das doch alles nicht. Würden sie mir bald zeigen, wie ich es kontrollieren kann? Innerlich fühlte ich mich wie eine tickende Zeitbombe. Jederzeit könnte es von neuem losgehen und ich könnte mich und andere in Gefahr bringen. Zumindest fühlte es sich so an.

Ich kam nicht mehr dazu, etwas zu sagen, denn in diesem Moment kam Claire zurück. Hinter ihr betraten die Jugendlichen, die wir vorhin in dem Ballsaal getroffen haben, und Mr. Summers den Raum. Alle setzten sich an den Tisch, außer mir. Ich stand noch etwas unschlüssig neben dem Tisch und überlegte, wo ich mich hinsetzten sollte. Finn hatte sich einfach einen Platz am Fenster gesucht und sofort hatte sich Sue den Platz neben ihm gesichert. Seine andere Seite war auch bereits besetzt.

„Tori?Warum stehst du da noch? Setzt dich", sagte Finn zu mir. Er bedeutete demJungen, der neben ihm saß, einen Stuhl weiter zu rutschen und klopfteanschließend auf den Stuhl und sah zu mir. Innerlich stieß ich erleichtert dieLuft aus. Ich war nicht geschaffen für so viele fremde Menschen auf einmal. Undbeim Essen würde man sich zwangsläufig auch unterhalten. Und Smalltalk war nunabsolut nicht mein Ding. Schnell huschte ich zu Finn und nahm Platz. Claireverteilte das Essen und die Teller gingen in einer Reihe um den Tisch. Vor unsstanden nun Teller voll mit herrlich duftendem und dampfendem Eintopf. Mir liefdas Wasser im Mund zusammen. Ich blickte zu den anderen, die bereits angefangenhatten und sich nebenbei unterhielten. Von dem, was sie sagten, verstand ichreichlich wenig. Vielleicht würde ich später mehr verstehen.


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Puuuh, fast hätte ich vergessen ein neues Kapitel hochzuladen. Tja, ich gebe meinem spannenden Buch die Schuld (und jetzt sitze ich auf dem Trockenen - ich brauche unbedingt den zweiten Teil! Zum Verzweifeln...)

Ich hoffe, es gefällt euch :)

Oblivia - Die VergessenenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt