Kapitel 4

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„Meint ihr die Äffchen verlieren jemals ihr Interesse an Finn? Ich glaube ich halte das keinen Tag länger aus. Das ist noch nie so schlimm gewesen", meckerte Kate.

„Spätestens, wenn er sich für eines der Äffchen entscheidet, wird es erst einmal ruhig. Bis sie wieder anfangen zu streiten, schätze ich", antwortete ich.

„Nicht hilfreich, Tori", sagte Kate und warf mir einen finsteren Blick zu.

„Ach komm schon, irgendwann werden sie bestimmt ruhiger. Und es gibt andere Dinge, die noch viel nerviger sind als die Äffchen. Zum Beispiel Mr. Summers Hausarbeiten. Hast du alles geschafft?", versuchte ich sie abzulenken.

„Oh shit, das habe ich total vergessen. Kann ich das schnell von dir abschreiben? Bitteeee", flehte Kate mich an.

„Für dich immer doch", sagte ich und kramte mein Heft raus, um es ihr zu geben.

In dem Moment, in dem ich ihr das Heft gab, ging die Tür auf. Es war Finn. Und wo Finn war, da konnten die Äffchen nicht weit sein.

Aber er war allein. Er ging durch die leeren Reihen und setzte sich an den Tisch direkt neben uns. Und er saß damit direkt neben mir.

„Hi. Euch habe ich bisher noch nicht kennengelernt. Ich bin Finn. Und wie heißt ihr?", fragte er mit einem freundlichen Lächeln. Aber seine Augen waren wachsam und streiften suchend durch unsere Gesichter. Ob das den anderen auffiel, wusste ich nicht.

„Wo hast du denn deine Gefolgschaft gelassen?", sagte Kate bitter, während sie hastig die Zeilen abschrieb.

„Ich habe mich aus dem Staub gemacht. Ist schon ganz schön nervig, die folgen mir echt überall hin. Außer aufs Klo. Zum Glück", sagte er uns wirkte wirklich etwas genervt.

„Und ich soll dir jetzt glauben, dass dir das nicht gefällt? So viele Mädchen um dich herum. Ist das nicht der Traum eines jedes Jungen?", fragte Kate böse.

„Ich könnte dir jetzt antworten, wie die meisten Leute es tun. Dass es mir gar nicht gefällt und ich doch nur nach meiner zweiten Hälfte suche oder so einen Mist. Aber ich werde ehrlich sein. Manchmal fühlt es sich schon gut an, aber wenn man den ganzen Tag nur von kaputten Glühbirnen umgeben ist, wird der Tag auch nicht heller", antwortete er und schaute ihr in die Augen.

„Ich bin immer noch nicht ganz überzeugt, aber ich nehme das mal so hin. Ich bin Kate. Das ist Tori und das hier ist mein Bruder John", sagte sie und deute auf John und mich.

„Freut mich, euch kennenzulernen. Ihr bleibt immer unter euch, oder?", fragte er.

„Ja, das ist unser Ding.", sagte Kate und zuckte mit den Schultern. John schaute Finn skeptisch an. Er schien auch nicht wirklich überzeugt zu sein.

„Schreibst du gerade die Hausarbeiten ab? Zeig mal her", sagte er und schnappte sich mein Heft.

„Hey!", protestierte Kate und versuchte das Heft zurück zu holen, aber Finn war schneller.

„Hmm, das ist gut, aber das hier ist falsch", sagte er und deutete auf einen Absatz, den ich gestern im Halbschlaf aus dem Internet abgepinselt hatte.

„Hier, nimm lieber mein Heft. Ich weiß doch, was mein Vater hören will." Er kramte sein Heft aus seiner Tasche und reichte es Kate. Mein Heft gab er ihr auch gleich wieder.

Wir starrten ihn alle nur an.

„Was ist? Wusstet ihr das nicht? Ich dachte, alle wüssten das", erwiderte er, als wir alle schwiegen. Er zuckte die Schultern. „Keine Sorge, ich petze nicht."

Kate sah mich an und ich nickte ihr zu. Ich wusste, in welchem Zustand ich meine Hausarbeiten gemacht hatte. Also war ich mir ziemlich sicher, dass ich Fehler gemacht hatte.

Kate schlug das Heft auf und fing wieder an zu schreiben. Auch John beugte sich über das Heft und las mit.

Ich sah zu Finn rüber und schaute ihm damit direkt in die Augen. Er musterte meine Augen eindringlich. Verlegen schaute ich weg.

„Wir haben die gleiche Augenfarbe", sagte Finn. Ich spürte seinen auffordernden Blick auf mir ruhen.

„Kann schon sein", sagte ich ohne ihn aufzuschauen. Ich tat so, als würde ich in meiner Tasche etwas suchen.

„Nicht viele haben diese Augenfarbe", versuchte er es weiter.

„Na und? Was willst du damit sagen?", sagte ich genervt und schaute ihn böse an.

„Ich versuche nur mit dir zu reden, aber du scheinst nicht wirklich mit mir reden zu wollen", sagte er und wandte sich ab.

Nur einige Momente später ging die Tür auf und die Äffchen kamen in den Raum gestürmt.

„Finn! Wo warst du nur? Warum hast du nicht gesagt, dass du schon wieder zurück gehst? Sitzt du heute hier? Warum sitzt du nicht mehr neben mir?", fing eines der Äffchen an.

Finn hob beschwichtigend die Arme.

„Ich wollte heute einfach mal hier sitzen", sagte er.

Das Äffchen hatte keine weitere Zeit, um etwas zu erwidern, denn ein anderes kreischte los.

„Er sitzt heute neben mir", rief es. Und dann wurde es zunehmend lauter im Raum, als die Äffchen anfingen zu streiten. Ich suchte meine Kopfhörer und mein Handy aus der Tasche und schaltete Musik an, um die Äffchen auszublenden. Dabei warf ich Finn einen flüchtigen Blick zu. Er sah nicht gerade erfreut aus. Vielleicht mochte er die ganze Aufmerksamkeit wirklich nicht.

Der Raum füllte sich zunehmend und dann war auch schon Mr. Summer da und der Unterricht ging los. Als Kate die nächste Aufgabe von den Hausarbeiten vorlesen sollte, war es genau die Aufgabe, die sie von Finns Notizen abgeschrieben hatte. Und selbst Mr. Summer schien überrascht. Er lobte sie sogar. Heimlich warf sie Finn einen Blick zu. Mir fiel sogar auf, dass sie dabei lächelte. Aber auch später sprach ich sie nicht drauf an.

Als die letzte Stunde dann endlich aus war, flohen wir quasi aus der Schule, da es immer noch wie aus Eimer schüttete und keine von uns an einen Schirm gedacht hatte. Dicht an dicht gequetscht standen wir unter dem kleinen Wartehäuschen an der Bushaltestelle. Meine Laune war im Keller. Der Regen ging mir gerade gehörig auf den Geist. Und gerade als ich stumm den Himmel anklagte, wurde der Regen noch heftiger und mehrere Blitze zuckten bedrohlich durch die Wolken.

Okay, der Himmel hasste mich wohl gerade genauso wie ich ihn hasste.

Als der Bus kam, eilten wir alle durch den Regen und hofften auf einen Sitzplatz. Aber Fehlanzeige. Es war brechend voll in dem Bus. Vielleicht war der vorherige Bus wieder ausgefallen. Wir quetschten uns durch und fanden an der hinteren Tür noch etwas Platz für uns drei.

Als wir eine Station vor der Bibliothek waren, fiel mir ein, dass ich noch das Buch holen wollte.

„Ich werde an der nächsten Station aussteigen. Ich habe total vergessen, dass ich noch den zweiten Teil der Buchreihe holen wollte", sagte ich zu Kate. Die nickte und ich verabschiedete mich von den beiden als ich ausstieg.

Schnell rannte ich durch den Regen mit meiner Tasche über dem Kopf und floh in die Bibliothek. Heute war hier nicht viel los. Es waren nur wenige Leute, die lasen oder auf ihren Laptops irgendetwas tippten. Ich nickte der Bibliothekarin zu und sie nickte mit einem Lächeln zurück. Alle Mitarbeiter der Bibliothek kannten mich. Ich war hier wohl viel zu oft.

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Hallöchen, geheimnisvolle Leser meiner Geschichte~~

Ich hoffe, sie gefällt euch bisher :)


Ab jetzt werde ich versuchen, einmal die Woche ein neues Kapitel hochzuladen, um einen festen Rhythmus auszuprobieren. Also gibt es das nächste Kapitel am Mittwoch, den 21.11

Oblivia - Die VergessenenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt