„Alles okay?", fragte Finn besorgt. Das würde wohl sein neuer Standardspruch in meiner Gegenwart werden. Er hatte unmöglich vergessen, wie übel mir noch vor zwei Tagen war und seine Augen wanderten schon panisch zum Mülleimer. Ich konnte seinen Blick nicht erwidern, als mir urplötzlich wieder in den Kopf kam, was Kate mit gestern erzählt hatte. Und wie mein Herz nach seiner letzten Nachricht verrückt gespielte hatte.
„Zu schnell gegessen. Aber keine Sorge, mir ist nicht übel. Entwarnung", versuchte ich zu scherzen und setzte ein falsches Lächeln auf.
„Finn, sei so lieb und hol Tori etwas Wasser bei den Schwestern", wies Claire ihren Sohn an.
Ohne ein weiteres Wort verschwand Finn aus dem Zimmer, um Wasser zu besorgen.
„Danke", sagte ich zu Claire und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass mein Magen echt wehtat. Das war doch echt fies. Da wollte ich essen, musste essen, aber dann war mein Körper doch irgendwie dagegen. Danke, schätze ich? Konnte der sich nicht mal entscheiden, was er nun wollte?
„So fühlt er sich wenigstens nicht nutzlos. Ich hatte ihm eigentlich gesagt, dass er heute gar nicht mitkommen muss, aber er hat schon fast einen Aufstand wie ein Kleinkind veranstaltet bis ich nachgegeben habe." Finns Mutter schüttelte den Kopf und schmunzelte bei der Erinnerung. Mein Herz setzte für einen Schlag aus ohne, dass ich etwas dagegen machen konnte.
„So schnell wird er wohl nicht erwachsen", fügte sie noch hinzu.
Dann flog die Tür auch schon wieder auf und Finn stand ein wenig außer Atem mit vier Flaschen Wasser unter den Armen in der Tür und stürmte ähnlich wie Kate am Tag zuvor in den Raum auf mich zu.
Finn hielt mir eine der Flaschen entgegen ohne etwas zu sagen. Dankbar nahm ich diese entgegen und öffnete den Verschluss. Kühl und angenehm erfrischend rann das Wasser meine trockene Kehle hinunter. Mein Magen beruhigte sich daraufhin schnell wieder.
Als wir mit dem Essen fertig waren – dieses Mal hatte ich langsam und bedacht gegessen, auch wenn ich mich am liebsten vollgestopft hätte – verstaut Finns Mutter die Dosen wieder in ihren Taschen. Claire und Finn nahmen wieder ihre Plätze neben meinem Bett ein und sahen mich an.
„Ich schätze mal, dass wir dann zum eigentlichen Grunde für unser Treffen kommen. Und es ist auch ziemlich dringend, deine Kräfte sind bereits recht stark für jemanden, der diese gerade erst entfaltet. Normalerweise haben wir mehr Zeit, bevor sie sich so stark entfalten", erklärte Claire sachlich. Ich musste schlucken und wappnete mich für das, was nun folgen würde.
„Wie du ja schon weißt, unterrichten immer Oblivia, die ihr Element bereits beherrschen können, jüngere Oblivia in der Kontrolle. Aber fangen wir am besten am Anfang an. Du hast am eigenen Leib erfahren müssen, wie sehr deine Emotionen deine Kräfte beeinflussen und kontrollieren können ohne, dass du Zugriff darauf hast. Was du also benötigst, ist die Kontrolle über deine Emotionen. Genau das versuchen wir dir beizubringen. Das heißt nicht, dass du deine Gefühle kontrollieren oder einschränken musst, sondern dass du ihnen quasi eine Wand vor die Füße setzt", erklärte sie mir ruhig.
Dann warf sie Finn einen Blick zu, woraufhin dieser ohne weiter nachzufragen die Plätze mit ihr tauschte, sodass nun Claire direkt neben mir saß. Sie nahm meine Hand in ihre.
„Jetzt ist deine Vorstellungskraft ein wenig gefragt. Wenn ich ehrlich sein soll, nicht nur ein wenig. Am besten schließt du dafür die Augen."
Ich tat, wie sie mir auftrug und schloss meine Augen.
„Du weißt hoffentlich, wie der Planet Saturn aussieht, oder?", fragte Claire. Ich nickte zur Antwort kurz. „Perfekt. Stell dir also zuerst einen Ball aus Gas vor, so wie der eigentliche Teil von Saturn. Dieses Gas ist entzündet, der Ball leuchtet also hell, ist aber nicht streng begrenzt wie eine Kugel oder ein echter Ball. Vielleicht ein wenig verwaschen an den Rändern und ein wenig durchscheinend. Siehst du den Ball aus Gas? Welche Farbe hat er für dich?"
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Oblivia - Die Vergessenen
FantasyWas würdest du tun, wenn du plötzlich erfährst, dass du nicht wie die anderen bist? Victorias Leben war vollkommen normal - bis eines Tages Finn an ihre Schule wechselt. Plötzlich geschehen seltsame Dinge, die sich Victoria einfach nicht erklären ka...