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"Du solltest darüber nachdenken, wem du wirklich vertrauen kannst und wem nicht. Denn weißt du was das tolle an Neverland ist? Alle Regeln, die es irgendwo auf der anderen Welt gibt, können einfach missachtet werden, vor allem hier! Schenke keinem Vertrauen, sonst wirst nur bitter enttäuscht!", mit einem letzten zornigen Blick stieß er sich vom Boden ab und ließ mich alleine an der Sirenen Lagune sitzen. Mitten in der Nacht. Mal wieder.

Ich hasse Pan. 

Es ist ja nichts neues mehr für mich, dass er solche Stimmung-Schwankungen hat, aber er sollte das echt langsam in den Griff bekommen. Na gut, ich bin manchmal auch nicht besser, aber wenn er sich angegriffen - oder wie der liebe Gott es auch nennen will - von mir fühlt, dann muss er mich doch nicht immer irgendwo im dunkeln sitzen lassen. Ist das zu viel verlangt? Anscheinend ja. 

Ich seufzte und stand auf. Natürlich könnte ich wieder zurück gehen, aber so stur wie ich bin würde ich Pan ganz sicher nicht diese Genugtuung geben und hinter ihm herlaufen. Ich mache doch schon die ganze Decks-Arbeit für ihn und die Jungs; jetzt trainiere ich sie und werde trotzdem behandelt wie ein albernes Dienstmädchen. 

Vielleicht sollte ich einfach ganz weg bleiben. Mag ja sein, dass Pan mich liebt, es aber einfach nicht zeigen kann, aber ich lass mich nicht die ganze Zeit herumschubsen und diese ganzen Streitereien gingen mir auch auf die Nerven. 

Ich könnte zu den Sirenen springen und einfach ertrinken oder zu den Piraten, die mich entweder gefangen halten würden, um irgendetwas herauszufinden oder aber mich aufspießten. Man weiß ja nicht genau was Piraten so gerne mit einem machten.

Pan würde sich doch dabei auch fröhlich stimmen. Dann wäre er die Nervensäge, also mich, endlich los und könnte dann wieder wie gewohnt über Neverland herrschen. Mit seinen dämlichen Regeln, die keine Regeln waren. Er kann sich doch wirklich nicht entscheiden; in der einen Sekunde dürfen die Lost Boys nicht mit mir reden und in der anderen ist es ihm einfach verdammt nochmal egal! 

Seine Logik habe ich noch nicht gefunden und sein Niveau sinkt auch mit jeder Sekunde.

 Aber ich liebe Pan!

Ach, was rede ich hier? Ich habe doch keine Ahnung was Liebe ist. In einer Beziehung sollte man sich doch respektvoll behandeln und bei Diskussionen sollte man nicht direkt rumschreien. Keine Geheimnisse, nichts was der andere nicht wissen sollte oder durfte. Er konnte mir die Pläne für die Piraten doch auch sagen, ich könnte helfen, könnte sie verbessern, könnte den Köder spielen oder wenigstens irgendwie helfen. 

Aber nein! Der werte Herr vertraut ja niemandem außer sich selbst! 

Nur zum verarzten war ich gut genug! Jeden Tag kommt einer der Lost Boys zu mir mit einem Pfeil in der Schulter oder Bein und Pan drückte mir die Sachen in die Hand die ich zum verarzten nutzen sollte. Manchmal kam es mir so vor, dass sie, bevor ich da war, die Verletzten einfach im Wald liegen gelassen haben, weil Pan schert sich eh nicht um sie. 

Ich hatte immer gedacht Felix wäre ihm wichtig, aber auch er war ihm einen Dreck wert. Er hat ihn einfach umgebracht. 

Aber trotzdem bin ich hier. Versuche jedes Mal aufs Neue Pan zu ändern, wenigstens ein kleines bisschen, aber es gelang nie ganz und es war auch nicht er. Er wäre nur eine gespielte Figur, nie er selbst und dass würde ihm nur noch mehr Ärger einhandeln. Er lässt mich Gefühle spüren, die ich noch nie zuvor gefühlt habe.

Wenn er mich küsst fühlt es sich an, als würde ich schweben, auf Wolken gehen. Dieses Gefühl, in meinem Bauch, der Schwerelosigkeit hatte ich nur mit ihm. Dieses Gefühl, wenn seine Hände mich näher an sich zogen, war unbeschreiblich. Ich verlor jedes Mal die Kontrolle über meinen Körper und er war das einzige was mich hielt und stützte. Ich wollte ihn nie verlieren, wollte mehr von ihm. Seine Geheimnisse wissen, auch wenn ich wusste, er würde sie mir nie sagen. Aber aus diesem Grund blieb ich, versuchte immer mal wieder ihn auf diese Geheimnisse anzusprechen, doch er blockte ab. Jedes Mal aufs Neue, aber ich würde nie aufgeben.

Die Sonne war komplett untergegangen, der Mond erhellte die Nacht. Fische sprangen aus dem Meer, ihre Schuppen schimmerten, wenn das Licht auf sie traf. Ein paar Sirenen kamen an die Oberfläche und setzten sich auf ein paar Felsen, die aus dem Wasser ragten. Feen hinterließen eine glitzernde Spur in der Luft, als sie über den Wald flogen. Ich wusste gar nicht, wie ich sie das erste Mal gesehen hatte, ich konnte mich nur noch daran erinnern, dass Pan mich ausgelacht hatte, weil ich mich so gefreut hatte. 

Bei dieser Erinnerung schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen. Es ist schon verrückt, dachte ich, dass was einem Jahrelang als Einbildung oder reine Märchenfiguren verkauft wurde auf einmal echt und real war.

Ich stand noch immer am Rand der Klippe, oberhalb der Sirenen, die mich nicht zu bemerken schienen oder ich war ihnen egal. Langsam drehte ich mich aber weg vom Meer und dem Mond, bewegte mich auf den Wald zu. Doch ich würde nicht zurück zu Peter Pan gehen. Noch nicht, jedenfalls.

Mir würde schon nichts passieren. Ich war schon so oft alleine im Wald gewesen. Dafür, dass ich nur die Drecks-Arbeit machen musste, durfte ich ab und zu auch auf die Nacht Patrouille, auch wenn Pan immer wieder eingeschnappt war, als ich mit Kratzern zurück kam. Es würde mich schon niemand entführen. Und wenn doch, tja, dann müsste ich mich da irgendwie wieder raus manövrieren. 

Nach kurzer Zeit begann ich zu laufen, in irgendeine Richtung. Ich hatte kein Ziel. Hatte ich je eines gehabt? Die Bäume neben mir verschwammen, die kleinen Äste zerbarsten unter meinen Füßen und ließen ein Knacken von sich. Es dauerte nicht lange bis ich wieder stehen blieb und auf einer kleinen Lichtung stand. Ein Brunnen war zwischen den Bäumen gebaut und ich erinnerte mich zu gut an den Abend, als ich Felix' Leiche dort am Brunnen lehnen gesehen hatte. Diese Erinnerung ließ mir einen kalten Schauder über den Rücken laufen und Tränen füllten meine Augen.

Ich vermisse dich, Felix.

Loving a Psycho || The boy who had to believeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt