Kapitel 14

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Wir saßen eine weile in kompletter Stille. Nur Siennas schwere Atemzüge waren zu hören. Beruhigend strich ich ihr überm Rücken. „Ich weiß, ich bin nicht wirklich eine große Hilfe, aber ich kann dir nur raten sie alle zu ignorieren.“ Meine Stimme war nicht mehr als ein leises flüstern. Ein gurgelndes Geräusch kam von Sienna, während noch immer Tränen über ihre geröteten Wangen rannen. „Aber egal was dich bedrückt, du kannst mir vertrauen und alles erzählen. Du kannst mich gern jederzeit anrufen, aufwecken oder was auch immer. Wenn du jemanden brauchst, kannst du auf mich zählen.“, fuhr ich mit bebender Stimme fort.
Siennas Anblick trieb auch mir die Tränen in die Augen. Eigentlich heulte ich nicht schnell, aber wenn ich jemanden anderen weinen sah, musste ich immer mit weinen. Ich drückte sie fest an mich und wartete bis ihre leisen Schluchzer langsam verebbten. Als sie auch aufhörte zu zittern, löste ich mich langsam von ihr und drückte sie sanft von mir weg, um sie besser ansehen zu kennen. Ihre Wangen waren immer noch rot, die Augen blutunterlaufen und geschwollen. Sie mied meinen Blick und gähnte einmal kurz. Niedergeschlagen ließ sie sich in die Kissen fallen. „Ruh dich ein wenig aus. Wenn etwas ist, ruf mich einfach.“ Mit einem sanften lächeln auf den Lippen erhob ich mich und ging zur Tür.
„Danke… für alles.“, ertönte Siennas leise Stimme hinter mir, als ich gerade aus dem Zimmer schleichen wollte. Sie war kratzig und brach am Ende. „Nichts zu danken.“ Ich lächelte sie noch einmal mitfühlend an, bevor ich aus ihrem Zimmer verschwand.

Ich verbrachte den restlichen Tag damit, aufzuräumen, mit Finnlay zu spielen, mehr aufräumen und Julia so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Es herrschte immer noch eine ziemlich gespannte Stimmung im Haus, was wohl an meinem kleinen Ausraster gestern lag. Dennoch fühlte ich mich keineswegs Schuldig. Es musste ja mal gesagt werden!

Die darauf folgenden Tage, vergingen im selben Trott. Mein Tagesablauf bestand vorwiegend aus kochen, Sienna und Finnlay in die Schule und den Kindergarten zu bringen und wieder abzuholen, aufzuräumen, einzukaufen, mit Finnlay spielen, Sienna mit den Hausaufgaben zu helfen und natürlich Julia aus dem Weg zu gehen. Ich wusste ich konnte nicht ewig vor einer Konfrontation mit ihr davon laufen, aber ich konnte sie immerhin hinauszögern. Was aber auch nicht wirklich viel brachte. Auch Andrew flüchtete sich in seine Arbeit. Er machte überstunden und kam oft erst spät nach Hause. Es war, als ob auch er Julia und der angespannten Stimmung aus dem Weg gehen wollte. Denn so ziemlich jedes Anfangs vernünftige Gespräch endete in einem heftigen Streit. Währendessen saß ich meist in meinem Zimmer, Musik hörend, um der unangenehmen Situation zu entfliehen.
Dies tat ich auch heute wieder. Julias quietschend, hohe Stimme drang nur leise und gedämpft zu mir durch. Ehrlich gesagt wunderte es mich nicht, dass sie sogar Linkin Park übertönte, obwohl ich mein Handy auf volle Lautstärke gestellt hatte. Augenverdrehend schob ich meine Ohrstöpsel wieder an ihren Platz. Julia wirkte auf mich, als müsste sie immer das letzte Wort haben oder immer lauter, besserwisserisch oder gemeiner als alle anderen sein. Sie kam mir vor, als würde sie aus allem einen kleinen Wettkampf machen, denn natürlich immer sie gewann. Oder zumindest gewinnen wollte. Ich persönlich hatte nicht wirklich ein Problem damit, außer, dass sie mir gehörig auf die Nerven ging. Ich hatte nur bedenken um Finnlay. Er sollte so etwas nicht mitbekommen müssen. Er sollte einfach nur seine unschuldige Kindheit leben und nicht mit hören müssen, wie sich seine Eltern Beleidigungen an den Kopf warfen.

Als ob jemand meine Gedanken gelesen hätte, klopfte es an meiner Tür. Ich hätte es durch die laute Musik fast überhört. Erst als es immer lauter und drängender wurde, bemerkte ich es. Mit einem lauten „herein“ meinerseits, öffnete sich vorsichtig die Tür. Andrews und Julias Stimmen drangen nun Lauter zu mir, ich konnte aber nicht wirklich verstehen um was es im Streit ging. Ich wollte es auch nicht wirklich wissen.
Leise tapste Finnlay in mein Zimmer. Seine blonden Haare waren verwuscheld, sein Pyjama komplett verdreht und einen zerknautschten Stoffpinguin an seine Brust drückend. Ich hatte vergessen zu erwähnen, dass es mittlerweile neun Uhr abends war und Finnlay eigentlich schon längst schlafen sollte. Besorgt hob ich meinen Laptop von meinem Schoss und rückte im Bett ein Stück zur Seite um Finnlay Platz zu machen. Aufmunternd klopfte ich auf die leere Matratze neben mir, eine Stille Aufforderung für Finnlay. Er ließ sich nicht zweimal bitten und kletterte auch sofort zu mir ins Bett.

„Was ist denn los Finny?“, fragte ich ihn, während ich seinen Pyjama zurecht zupfte. „Ich kann nicht schlafen, weil Mommy und Daddy so laut schreien.“ Seine stahlblauen Kulleraugen starrten mich traurig an. Seine Unterlippe begann bedrohlich zu zittern und erste Tränen formten sich in seinen Augen. Sofort zog ich ihn in eine warme Umarmung. „Kannst du ihnen sagen, sie sollen sich wieder lieb haben?“ Sein Ausdruck in den Augen war ernst. Viel zu ernst für einen Vierjährigen! „Sie haben sich ja lieb. Es fällt ihnen nur ein bisschen schwer das zu zeigen.“, beruhigte ich ihn. Aber ehrlich gesagt, glaubte ich meinen eigenen Worten kaum. „Aber ich will, dass sie sich so lieb haben wie du und Lukey.“, schmollte er. Ich biss mir auf die Zunge um nicht laut loszulachen. Finnlay war so süß!  Er war noch zu klein um all das zu verstehen, dennoch sorgte er sich um die Menschen die er gern hatte. Aus ihm wird bestimmt einmal ein toller Junge!
„Deine Mommy und dein Daddy haben sich noch viel mehr lieb, als Luke und ich. Sie können es nur nicht so gut zeigen, weil sie Angst haben etwas falsch zu machen. Liebe kann manchmal sehr kompliziert sein. Aber sie haben sich wirklich ganz doll lieb!“, erklärte ich ihm langsam, damit ich mehr Zeit hatte mir irgendetwas auszudenken, was halbwegs plausibel klang. Außerdem ersparte ich es mir, Finnlay zu erklären, dass ich und Luke nur Freunde waren, wenn man es überhaupt so nennen konnte. Wir kannten uns ja nicht wirklich lange. Ich wusste ja selbst nicht, wie ich mir das Ganze erklären sollte. Was sollte ich dann erst Finnlay sagen?!
Aber um Finnlay von weiteren Fragen abzuhalten, wechselte ich das Thema: „Wenn hast du den da mitgebracht?“ Ich deutete auf den flauschigen Pinguin, welchen er immer noch an seine Brust drückte. „Das ist Mumble.“, stolz grinsend hielt er mir das Stofftier entgegen. Er hatte nur noch einen Fuß, müsste mal wieder gewaschen werden und sah generell ziemlich zerknautscht aus, dennoch sah das Kuscheltier verdammt süß aus. „Woher hast du denn Mumble?“, fragte ich interessiert nach. „Lukey hat ihn mir mitgebracht.“ Finnlays Augen leuchteten auf, was mir sofort ein Lächeln auf die Lippen zauberte. „Der beschützt mich, wenn Luke nicht da ist.“, fuhr Finnlay fort und drückte das Plüschtier noch fester an sich.
Grinsend suchte ich nach meinem kleinen Plüschnashorn. Als ich es endlich gefunden hatte, streckte ich es triumphierend in die Höhe. Finnlay kicherte, aufgrund meines doofen Benehmens. „Ich hab auch ein Stofftier, das mich immer beschützt.“ Grinsend hielt ich ihm das Nashorn hin, das er sofort schnappte und an sich drückte. „Hey, das ist meins!“, rief ich spielerisch und versuchte es mir wieder zurück zu erobern. Wir rangelten eine Weile bis ich endlich nach gab und ihm das Stofftier überließ. „Du darfst es heute Abend behalten, aber nur, wenn du gut auf Fred aufpasst!“, schärfte ich ihm grinsend ein. „Fred ist aber ein doofer Name!“, kicherte Finnlay los. Ich erwiderte nichts, sondern begann ihn zu kitzeln.
Es dauerte nicht lange, bis er lachend und ohne Puste neben mir lag. Sein blondes sonst so wild abstehendes Haar klebte an seinem Kopf. Er ließ sich in meine Kissen fallen und gähnte einmal herzhaft. „Darf ich heute bei dir schlafen?“ Mit einem typischen Hundeblick, zu dem man nicht nein sagen konnte, sah er mich an. Der Kleine wusste wirklich wie man Leute um den Finger wickelte. Schmunzelnd nickte ich, woraufhin Finnlay sich sofort in mein Bett kuschelte. Grinsend stand ich auf, da ich noch einmal auf die Toilette musste.

Beim vorbeigehen, schnappte ich Julias und Andrews Unterhaltung auf. Sie waren noch immer am Argumentieren, aber deutlich leiser. Als ich wieder in mein Zimmer huschen wollte, waren Andrew und Julia immer noch am Streiten, leider wieder mit erhobenen Stimmen. Es wurde mir zu blöd, weshalb ich kurzerhand ins Wohnzimmer brauste. Als sie mich bemerkten, verstummten beide augenblicklich. „Könntet ihr bitte mit der ewigen Streiterei aufhören?“ Meine niedergeschlagene Stimme erschreckte mich. „Ich weiß nicht was dich das angehen würde.“, schnauzte mich Julia an. Ohne zusammenzuzucken erwiderte ich ihren harten Blick. „Ich glaube es geht mich doch etwas an, wenn Finnlay kurz vorm heulen in mein Zimmer kommt, weil er Angst hat das ihr euch nicht mehr lieb habt!“, meine Stimme klang energischer als ich beabsichtigte, dennoch versuchte ich nicht zu schreien, um Finnlay ja nicht aufzuwecken. Julias Miene wechselte von total angepisst zu besorgt in weniger als zwei Sekunden, während Andrew mich immer noch mit der Selben unergründlichen Maske anstarrte. „Wenn ein Vierjähriger so etwas sagt, würde ich an eurer Stelle anfangen mir Sorgen zu machen und meine Beziehung in frage stellen.“, fügte ich kalt hinzu, ehe ich auf dem Absatz kehrt machte und die Beiden sich selbst und ihren Gedanken überließ. Vor Wut schnaubend rauschte ich ihn mein Zimmer, erinnerte mich jedoch sofort leise zu sein, als ich Finnlay auf meinem Bett sah. Sein kleiner Körper hob und senkte sich regelmäßig. Er sah aus wie ein Engel. Mit beiden Kuscheltieren fest an sich gedrückt. Nach längerem beobachten viel mir auf, wie sehr er doch Luke ähnelte. Der kleine Junge lag in der komplett selben Stellung wie sein Bruder, in der Mitte des Betts und alle Gliedmaßen von sich gestreckt. Außerdem vernahm ich auch ein leises Schnarchen, welchen dem von Luke sehr entsprach.

Irgendetwas weckte mich mitten in der Nacht. Okay, ich konnte nicht wirklich sagen ob es noch mitten in der Nacht, oder doch schon früher Morgen war. Ich wollte mich umdrehen und wieder weiterschlafen, als mir der Grund auffiel, weshalb ich aufgewacht war. Ein stechender Schmerz zuckte durch meinen Unterleib. Frustriert stöhnte ich auf. Einerseits über den plötzlichen, heftigen Schmerz, andererseits weil ich überhaupt keinen Bock hatte, meine Tage genau in diesem Moment zu bekommen. Ich ermahnte mich in Gedanken still zu sein, als ich Finnlays schlafende Silhouette im fahlen Licht meines Zimmers sah, was nur durch die Straßenlaternen beleuchtet wurde. Stöhnend hievte ich mich auf, obwohl ich mich eigentlich nur noch zu einem Ball zusammen Rollen und mich meinen Schmerzen kampflos hingeben wollte. Schnell checkte ich mein Handy. Es war gerade mal halb vier morgens. Ächzend verließ ich mein Zimmer. Ich war leider eine der Frauen, die mit extrem starken Regelschmerzen gesegnet waren. Meinen Genen sei Dank. Es endete meistens damit, dass ich zig verschiedene Schmerztabletten nahm, eine Stunde komplett außer Gefecht gesetzt war und erst danach wieder für irgendetwas aufnahmefähig war. Nahm ich jedoch keine Schmerztablette, hielt ich die Schmerzen leider nicht wirklich aus.
Blind tappte ich also ins Badezimmer, auf der suche nach meinen Notfallmedikamenten, die ich sicher im Badezimmerschrank verstaut hatte. Meine Hände zitterten, als ich nach dem Griff der Lade tastete. Gebückt stand ich kurze Zeit später über der Lade, nach Medikamenten suchend, weil ich nicht gerade stehen konnte, da die schmerzen sonst zu heftig wurden. Wie aus Reflex bildeten sich Tränen in meinen Augenwinkeln. Ich atmete tief durch, in der Hoffnung, dass die Krämpfe wenigstens kurz aufhören würden. Vergebens.
Endlich hatte ich die gewünschte Schachtel gefunden, bekam ich die Tablette leider nicht aus der Verpackung. Frustrierend und erneut den Tränen nahe, fummelte ich mit zittrigen Händen auf der Packung herum, doch nichts tat sich. Ich spürte wie mir langsam eine heiße, nasse Träne die Wanger herunterrollte. Fast schon verzweifelt, hämmerte ich auf der Tablette rum, doch sie wollte sich nicht aus dieser Gott verdammten Verpackung lösen. Total aufgewühlt und fluchend schmiss ich die Tabletten auf den Boden. Dies war nur einer der Gründe, warum ich es hasste, wenn ich meine Tage hatte. Meine Hormone spielten verrückt, ich wurde ungeduldig, ich hatte Schmerzen, ich bekam Pickel und fühlte mich, als würde ich mich angepinkelt haben. Warum musste uns Mutternatur nur das antun?!

Nervlich am Ende setzte ich mich auf die Toilette, betete meinen Kopf in meine Hände und heulte leise vor mich hin. Das leise Klicken, einer ins Schloss fallenden Haustür riss mich nach etlichen Minuten aus meinem Trance artigem zustand. Wer zum Henker war das?! Schwere Schritte hallten durch den sonst Totenstillen Flur. Die Schritte kamen näher, zugleich wuchs die Panik in mir. Ich schnappte mir die erst beste Waffe die ich greifen konnte und hob sie abwährend vor mich.
Im Ernstfall hätte mir die Klobürste in meiner Hand auch nicht viel geholfen. Eine große Gestalt baute sich ihm Türrahmen auf, die ich aufgrund meiner Tränen verschleierten Sicht nicht identifizieren konnte. Ich wollte gerade mit der Klobürste auf meinen Gegner einschlagen, wurde aber von einer starken Hand an meinem Handgelenk gestoppt. Der Griff war sanft, dennoch fest genug, dass ich nicht entweichen konnte. „Oh Gott Reagan! Was ist denn hier los?! Hast du etwa versucht dich umzubringen?“, hallte eine vertraute Stimme neben mir. Meine Sicht klärte sich langsam und ich erkannte die große, dunkle Gestalt als Luke. Ich sah mich im Badezimmer um, die Tabletten auf dem Boden, der Medikamenten Schrank durchwühlt und ich komplett verheult und mit Klobürste bewaffnet. Das Szenario vermittelte einen ziemlich falschen Eindruck. „Oh Gott Nein! Ich wollte mir nur eine Schmerztablette holen, weil ich so unglaubliche Bauchschmerzen habe, aber ich hab sie nicht aus dieser blöden Verpackung bekommen.“, stellte ich sofort klar, spürte aber schon wieder wie sich Tränen in meinen Augenwinkel bildeten. Verstohlen wischte ich mir mit der Hand über die Wange, um sie einwenig zu trocken. Besorgt musterte er mich, bevor er seine Arme ausbreitete und mich in eine warme Begrüßungsumarmung schloss. Es tat gut Lukes starke Hände um meinen Körper zu spüren. Die plötzliche Nähe zu ihm, ließ mich sogar für kurze Zeit, das heftige Ziehen in meinem Unterleib zu vergessen.

Als wir uns wieder von einander lösten, hob er die Schmerztabletten vom Boden auf, drückte eine der Kapseln aus der Verpackung und reichte sie mir mit einem freundlichen Lächeln. Dankend nahm ich sie mir und schluckte sie sofort, ohne auch nur an Wasser zu denken. Erneut fiel ich Luke um den Hals. „Danke, du hast mir gerade das Leben gerettet!“, seufzte ich melodramatisch in sein Ohr. Sein leises Lachen zauberte mir sofort Gänsehaut über den ganzen Körper. Ich war mehr als nur froh, dass er wieder da war. Somit musste ich Julias Wahnsinn nicht mehr alleine entgegenwirken.


Hallooo :D Neues Kapitel ist da :D Wie immer hoffe ich es gefällt euch! :) Falls irgendwer denkt, ich übertreibe hier mit den Schmerzen… Genauso wie ich es beschrieben hab, läuft es bei mir höchstpersönlich jeden Monat ab. Ich hab mir das nicht ausgedacht, sondern ich weiß wie sich das wirklich anfühlt… Und ich kann dazu nur sagen, es fühlt sich scheiße an :D Wie immer vieeeeeelen Dank, für eure unzähligen Votes und die süßen Kommentare!! :D :* ♥
Hab euch ganz doll lieb!!! :** ♥

xo Antonia ♥

There's No Place Like Home || Luke Hemmings FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt