#23 Familienessen

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"Ich hatte doch bereits vor zwei Stunden verlangt, dass Sie mir die Dienstpläne schicken," motzte Robert Lightwood ins Telefon. "Es ist mir egal, was Sie mir jetzt für Ausreden auftischen wollen, in zehn Minuten liegen die Pläne auf meinem Tisch!" Damit knallte er den Hörer auf und schnaubte wütend. Er fragte sich, ob er es noch einmal erleben würde, dass alle Dienstpläne pünktlich bei ihm wären. Wenn man nicht alles selbst erledigte..

Die Tür zu seinem Büro öffnete sich. Das konnte ja wohl nicht wahr sein! Wer wagte es, ohne anzuklopfen hier einfach herein zu spazieren? Robert Lightwood holte bereits Luft als seine Noch-Frau sein Büro betrat. Vor Überraschung blieb ihm der Mund offen stehen. "Maryse," stammelte er.

"Guten Tag, Robert," sagte Maryse neutral. Sie trug einen dunkelblauen Hosenanzug und hatte ihre langen schwarzen Haare elegant zurück gebunden.
"Du weißt, ich mag es nicht, wenn man nicht anklopft."
„Und du weißt, ich mag es nicht, wenn du das Personal anschreist."
„Und du weißt, ich mag es nicht, wenn das Personal.."
„Schluss damit!" unterbrach sie ihn barsch. "Wenn du jetzt allen Ernstes Spielchen spielen willst, Robert, musst du dir einen anderen Idioten suchen!"

"Entschuldige bitte," murmelte er kleinlaut. Verlegen musterte er sie. Warum sah sie noch immer so atemberaubend gut aus? "Was kann ich für dich tun, Maryse?"
„Ich habe mehrere Punkte, die ich dringend mit dir besprechen muss." Elegant nahm sie auf einem der Stühle vor seinem Schreibtisch Platz. Alle anderen, die dort regelmäßig verweilen mussten, ihre beiden Kinder eingeschlossen, wirkten immer klein und unterwürfig auf diesen Stühlen. Jedoch nicht Maryse Lightwood. Obwohl der Stuhl im Vergleich zum riesigen Schreibtisch winzig wirkte, schaffte sie es mit ihrer Ausstrahlung und Präsenz irgendwie, dass Robert Lightwood sich fühlte, als sei er der böse Schüler, der nun vor der Direktorin Rechenschaft ablegen musste.

"Ich bin leider gerade ziemlich im Stress, könnten wir das vielleicht heute Abend.." versuchte er, abzulenken.
„Diese Dinge dulden keinen Aufschub, Robert. Du weißt ganz genau, warum ich hier bin."
Er seufzte und rieb sich die Schläfen. "Alexander, nehme ich an." murmelte er.
„Was ist nur in dich gefahren, Robert?"
„Was in mich gefahren ist? Was ist in IHN gefahren? Wusstest du, dass er plötzlich nicht mehr hier arbeiten will? Und dass er mit diesem einen Gast... und dass er.. dass er.."
„Was? Dass er eine Vorliebe für Männer hat? Ja, das wusste ich. Schon seit dem er dreizehn war."
Robert fielen fast die Augen aus dem Kopf.
„Ich bitte dich, Robert. So blind kannst selbst du nicht sein! Und selbst wenn, ich verstehe dein Problem nicht."
„Mein Problem? Er ist mit einem Mann zusammen. Ich verstehe nicht, wie du kein Problem damit haben kannst!"
„Robert Lightwood, ich kann nicht glauben, dass du allen Ernstes deine verbohrten, altertümlichen Einstellungen vor das Glück und das Wohlergehen deines einzigen Sohnes stellst! Was ist nur aus dir geworden? Was ist nur aus dem Mann geworden, den ich einst geheiratet habe?"
Robert kniff seine Lippen zusammen. Er wusste, er hatte keine Antwort darauf. In diesem Punkt konnte er nicht gewinnen.
„Wo wir schon gerade bei diesem Thema angekommen sind, habe ich hier etwas, dass du mir bitte unterschreibst." sagte Maryse und schob ihm einen Stapel Papiere über den Schreibtisch.
„Was ist das?" fragte Robert mürrisch.
Sie sagte nichts, sondern schaute ihn nur an.
Langsam dämmerte ihm die Erkenntnis. "Maryse, können wir nicht doch noch einmal darüber reden?"
„Robert, bitte. Du weißt, es hat keinen Sinn. Also mach' es nicht noch härter als es ohnehin schon ist. Ich lebe seit fast zwei Jahren nicht mehr hier. Wir haben uns auseinander gelebt. Du liebst das Hotel, du liebst diese Arbeit. Und ich.. nicht. Ich musste meinen eigenen Weg gehen. Und du musst deinen gehen. Ich werde nicht gänzlich verschwinden, ich behalte meine Anteile am Hotel und damit du nicht komplett auf dich allein gestellt bist, habe ich eine Geschäftsführerin eingestellt. Ihr Name ist Lydia, ihr werdet euch gut verstehen. Sie ist ein Workaholic, genau wie du. Ihre Referenzen werden dich nicht enttäuschen. Sie wird meinen Part und den von Alec hier übernehmen."
„Den Part von Alexander? Aber.."
„Ich bin noch nicht fertig, Robert!" unterbrach sie ihn wieder. "Mir gehören fünfzig Prozent des Hotels, du kannst meine Entscheidung nicht anfechten. Genauso wenig wie du Alecs Kündigung einfach ignorieren kannst. Lydia wird seinen Job übernehmen, du hast demnach keinen Grund mehr, warum er noch länger hier arbeiten sollte. Du musst seine Entscheidungen nicht gut heißen, weder seine beruflichen noch seine privaten. Aber du musst sie akzeptieren."
„Ich nehme an, eine Diskussion ist zwecklos?"
„Zwecklos ist sie nie, Robert. Aber bitte denke darüber nach: Möchtest du diese Familie wirklich durch deinen falschen Stolz auseinander treiben? Wir konnten immer über alles wie zivilisierte Menschen sprechen. Und das ist auch das, was wir Izzy und Alec versucht haben, beizubringen. Mach das jetzt nicht kaputt. Wir haben zwei so wunderbare Kinder erzogen, aber sie gehen ihre eigenen Wege, wie auch wir unseren eigenen Kopf gegenüber unseren Eltern hatten."
Robert seufzte.
„Ich würde gern heute Abend mit euch essen. Meinst du, das geht?" fragte Maryse.
„Ich bin nicht sicher, ob Alexander damit einverstanden ist."
„Ich kümmere mich darum, Robert."

A Malec Story - Der Gast ist KönigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt