#2 Mr. Anonym

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Eine Woche später saß Alec im großen Büro seines Vaters. Durch die große Fensterfront konnte man die gesamte Stadt überblicken, doch davon sah er nur wenig. Davor stand der riesige Mahagonitisch seines Vaters, voll mit Bestellungen, Personalbögen und allem möglichen anderen Kram. Das Büro hatte Alecs Mutter Maryse eingerichtet, sie war unter anderem für die Dekoration im ganzen Hotel zuständig gewesen, wobei sie auch die eine oder andere Dekorateurin beauftragte. Auf dem Tisch stand ein Familienfoto, auf dem Alec und Izzy noch klein waren. Ein aktuelles Familienfoto gab es nicht. Direkt vor dem Tisch standen zwei kleine Stühle und auf einem dieser saß nun Alec und wartete. Vermutlich mal wieder auf einen Vortrag über die Pflichten eines angehenden Hoteliers, er kannte sie alle auswendig. Sein Vater liebte Psychospielchen, besonders mit dem Personal. Darum auch die kleinen Stühle vor dem riesigen Tisch. So sollten sich die Mitarbeiter, die dem großen Mr. Lightwood Senior, Gründer und Voranbringer des berühmten Hotel Dumort, gegenüber saßen, noch kleiner fühlen. Alec war mit dieser Attitüde seines Vaters groß geworden, aber er hatte sie nie verstehen geschweige denn übernehmen können. Die einzige Möglichkeit das alles zu ertragen, war Ignoranz.

Auch das Zuspätkommen seines Vaters war wohl kalkuliert, dessen war er sich vollkommen bewusst. Das laute Geräusch der zugeschlagenen Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Sein Vater umrundete den Tisch, setzte sich auf den gigantischen Ledersessel und legte ein Blatt Papier vor sich. "Alexander." sagte er nur knapp. Alec hasste es, wenn seine Eltern ihn so nannten, denn das tat sonst niemand. Er selbst stellte sich immer nur mit Alec Lightwood vor, bestimmt kannte kaum jemand seinen richtigen Vornamen. Von Mr. Lightwood kam weder eine Begrüßung noch eine Entschuldigung. Natürlich nicht.
„Vater, du wolltest mich dringend sprechen? Ich muss allerdings in fünf Minuten zur Übergabe, ich bin heute Manager on Duty, falls du es vergessen hast." erwiderte Alec ebenso knapp.
„Es wird nicht lange dauern, aber könntest du mir das hier bitte erklären?" sagte Mr. Lightwood und schob Alec das Blatt Papier über den Tisch. Alec nahm es an sich und erkannte bereits am Layout, dass es sich um eine Online-Bewertung handeln musste:

Anonym: Der Angestellte beim Check-in war unfreundlich und frech. Der Rest war akzeptabel.

Das Datum war von vergangener Woche. Alec wusste sofort, wer dieser "Anonym" war. Magnus Bane. So ein feiger Arsch!
"Und? Hast du etwas dazu zu sagen?" fragte sein Vater erneut. "Ich habe im Dienstplan nachgesehen und du warst vergangene Woche der einzige männliche Mitarbeiter an der Rezeption, darum hätte ich dazu gern eine Erklärung!"
"Vater, ich weiß zufällig, um welchen Gast es sich handelt und ich war sicher nicht unfreundlich, sondern bestimmt. Wir konnten seine Buchung nicht finden, weil er bei seiner Reservierung Vor- und Nachnamen vertauscht hatte und.."
Mr. Lightwood hob seine Hand und deutete Alec an, zu schweigen. "Spar dir die Ausreden, Alexander!" herrschte sein Vater ihn an. "Es interessiert mich nicht, was da vorgefallen ist. Du sollst dieses Hotel einmal übernehmen und da ist es das Mindeste, jeden Gast mit der größtmöglichen Freundlichkeit zu behandeln, ganz egal, ob es dir nun passt oder nicht. Der Gast ist immer König, Alexander!"

Alec bekam Kopfschmerzen, so sehr wollte er mit den Augen rollen. Jetzt kam also der erwartete Vortrag. Sein Vater lamentierte über Gäste, die das Fortbestehen des Hotels sicherten, den guten Ruf des Hauses und kramte schließlich auch die ganzen anderen alten Kamellen raus. Alec dachte nur daran, dass es ganz egal wäre, was er sagen würde, am Ende würde der Gast Recht bekommen und Alec müsste sich entschuldigen. Das war alles so unfair und würdelos, er hatte schließlich auch seinen Stolz. Magnus Bane gehörte zu der Art von Gästen, denen man es nie Recht machen konnte, er hatte es von Anfang an auf Alec abgesehen. Nachdem Mr. Lightwood seine Predigt beendet hatte und Alec ihm versicherte, sich um die Gastbeschwerde zu kümmern, machte er sich auf den Weg zur Rezeption.

Clary hatte heute Spätdienst und das Hotel war nur zur Hälfte belegt, was Alec auf einen ruhigen Dutydienst hoffen ließ. Er saß im Büro hinter der Rezeption und bearbeitete einige Buchungen als Clary nach hinten kam und sagte: "Mr. Lightwood, dürfte ich Sie kurz stören?" Mr. Lightwood. Er seufzte, es war hoffnungslos.
„Natürlich, Clary. Was gibt es denn?"
„Im Wellnessbereich sind nicht mehr ausreichend Handtücher, ein Gast rief gerade an. Könnten Sie noch einmal welche nach oben bringen?" Er nickte, schnappte sich den großen Schlüsselbund, mit dem er Zugang zu allen Bereichen des Hotels bekam und ging in den Keller, wo sich der Bereich des Housekeepings befand. Im Schrank fand er ausreichend weiche und frisch duftende Badetücher und ging mit einem großen Stapel zum Fahrstuhl.

Der Wellnessbereich befand sich in der 11. Etage, die Executive Etage, damit die wichtigsten Gäste des Hotels auch einen kurzen Weg zum Pool hatten. Er öffnete die Tür zum Wellnessbereich mit seiner Masterkarte und sofort stieß ihm die heiße und schwüle Luft entgegen.
Als Gast hätte er sich hier sehr wohl gefühlt, die Nutzung für Mitarbeiter war strengstens untersagt. Allerdings hatte Alec das ein oder andere Mal einen Sprung in den Pool riskiert, natürlich nach Schließung das Spa Bereichs und nach seinem Feierabend. Eine Sauna, ein Dampfbad, ein schöner Pool mit angenehmer Beleuchtung, umrandet von Pflanzen, die eine Lagunenlandschaft suggerierten, gemütliche Liegen, sogar ein kleiner Strand mit Sand und Muscheln war in einer Ecke. Hier konnte man wirklich seine Sorgen für einige Zeit vergessen. Die Reinigung des Spa-Bereichs war überaus aufwendig, aber man musste den Gästen schließlich etwas bieten, damit sie wiederkamen. Das Wasser des Pools war spiegelglatt, nur das Geräusch des Filters war zu hören und sanfte Hintergrundmusik, die zur Entspannung der Gäste beitragen sollte. Ein kleiner Schweißfilm bildete sich bereits auf Alecs Nacken, er hasste es, diesen Bereich mit Hemd und Anzug betreten zu müssen. Vielleicht würde er sich später noch eine kleine Abkühlung gönnen.

Der Gast, der nach den Handtüchern gefragt hatte, war offenbar nicht mehr hier. Alec überprüfte die Liegen, auf denen standardmäßig ein Handtuch liegen sollte und wunderte sich. Nur auf einer Liege lag kein Handtuch mehr, alle anderen waren unbenutzt. Er legte das oberste Handtuch von seinem Stapel auf die Liege und nahm ein benutztes Handtuch, das daneben auf dem Boden lag, auf. "Das wurde ja auch Zeit!" schimpfte jemand hinter ihm. Alec fuhr herum und ließ vor Schreck den gesamten Stapel sauberer Handtücher fallen. Magnus Bane. Magnus Bane stand vor ihm. Magnus Bane, der sich gerade mit einem Handtuch die nassen schwarzen Haare trockenrieb. Magnus Bane, der nur ein Handtuch um die Hüfte geschlungen hatte. Magnus Bane, der überraschend glatte und honigfarbene Haut hatte. Magnus Bane, dem gerade ein Wassertropfen vom Hals über den wohlgeformten Oberkörper lief. Er verfolgte gespannt die Wassertropfen auf seiner Brust und seinem Bauch, die sich eine Verfolgungsjagd lieferten. Einige Wassertropfen erreichten schließlich den Handtuchsaum und glitten dann darunter. Alec konnte einfach nicht wegschauen, stand sein Mund offen und sabberte er bereits?, Er wusste es nicht. Alec versuchte sich Magnus ohne Handtuch vorzustellen, bei dem Gedanken errötete er. Magnus Bane, er war so...

„Hallo?! Erde an Hotel Boy! Haben Sie seit letzter Woche Ihr Gehör verloren, oder langweile ich Sie einfach nur?" motzte der Gast ihn an. Magnus Bane, der nach wie vor ein Arschloch war. Ob er alle seine Mitmenschen so behandelte? War er überhaupt fähig zu lächeln? Wahrscheinlich nicht. Und was machte er überhaupt schon wieder hier? Es hatte bei seinem letzten Aufenthalt nicht den Anschein gemacht, dass er hier nochmal absteigen würde und dann die negative Online Bewertung. Aber so waren die Gäste. Obwohl angeblich alles schlecht war, kamen sie trotzdem immer wieder.

Alec schüttelte wirr den Kopf. "Entschuldigen Sie, Mr. Bane. Was wollten Sie sagen?" Magnus rollte seine karamellfarbenen Augen, nahm das saubere Handtuch von der Liege und sagte nur: "Was muss man hier tun, um nicht Jahrhunderte auf ein sauberes Handtuch warten zu müssen?" Vielleicht könnte er sich mal nicht wie ein Ekel verhalten und sich stattdessen mal wie ein Mensch benehmen. Vielleicht könnte er auch mal besonders freundlich zu Alec sein und .... Oh Gott, was dachte er sich da? Was machte dieser Mann mit ihm? Alec schaute ihn verwirrt an, versuchte aber dann seine Professionalität zurück zu erlangen.

„Aber auf jeder Liege liegt doch ein frisches Handtuch, Mr. Bane. Sie können sich jederzeit bedienen."
„Nein, auf dieser hier war keins!" fauchte Mr. Bane zurück, schlang sich das Handtuch um die Schultern und verschwand in der Umkleidekabine. Seufzend rollte Alec mit den Augen und versuchte tief durchzuatmen. Es war wie mit den Gästen im Restaurant, die sich an den einzigen schmutzigen Tisch setzten und sich dann beschwerten, warum der Tisch nicht eingedeckt war. Alec hob die übrigen Handtücher auf und legte nun auf genau diese Liege, um die es ging, noch drei weitere Handtücher bevor er den Wellnessbereich erhitzt und verwirrt verließ.

A Malec Story - Der Gast ist KönigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt