#15 Schmerz

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Zwei Monate. Zwei Monate und eine Woche. Zwei Monate, eine Woche und vier Tage. Alec war innerlich tot. Notgedrungen stand er morgens auf, allerdings war Schlaf ein Fremdwort für ihn geworden. Die ganze Nacht hatte er sich wieder nur hin und her gewälzt. Wann immer er seine Augen schloss, sah er Magnus' katzengrüne Augen. Sie waren tränenerfüllt und er hörte immer wieder den gleichen Satz, der sich fest in seinen Verstand gebrannt hatte. "Spar dir das für jemanden auf, der deiner würdig ist." Er wollte Magnus seine Liebe gestehen, doch Magnus hatte sie nicht gewollt. Anfangs war Alec wütend gewesen. Wütend auf seinen Vater, wütend auf Magnus, wütend auf sich selbst. Jetzt war da nur noch diese Leere. Eine tiefe Leere und das endlose Echo in seinem Kopf. "Spar dir das für jemanden auf.." als wäre er jemals wieder so dumm, jemandem so nah an sich ranzulassen und sein Herz für die Liebe zu öffnen. "... der deiner würdig ist." Wieso stand es ihm zu, zu entscheiden, wen Alec als würdig empfand?

Alec ging in die Küche und machte sich einen Kaffee. Jace und Clary saßen am Tisch und frühstückten. Clary kickte Jace ans Schienbein. "Aua!" meckerte Jace, doch sie deutete nur mit ihrem Kopf in Alecs Richtung. Jace seufzte. Gespräche über Gefühle lagen ihm nicht sonderlich, doch er war, wie alle anderen, besorgt um Alecs Verfassung. Er stand auf und ging vorsichtig auf Alec zu. "Hey, Alec." sagte er betont freundlich. Alec hob die Hand und schüttelte nur den Kopf. Er schüttete den Rest seines Kaffees ins Spülbecken und ging ins Badezimmer. Er wusste, dass er sich seit dem Vorfall mit Magnus wie ein Arsch verhielt, aber er konnte nicht anders. Er konnte und wollte mit niemandem reden. Die Einsamkeit war sein bester Freund geworden.

Weder Isabelle noch Jace wussten, was an diesem Abend in Magnus' Büro vorgefallen war. Aber allen fiel am folgenden Tag auf, dass etwas nicht stimmte. Alec sprach nur noch das Nötigste. Er aß kaum noch, ernährte sich fast ausschließlich von Kaffee und starrte in die Leere. Am Abend hatte Clary Jace erzählt, dass Magnus Bane alle zukünftigen Reservierungen storniert hatte. Ein Grund für die Stornierungen war nicht angegeben worden.

Alec zog irgendetwas an, das er auf dem Boden fand. Er wusste nicht, ob die Sachen ihm oder Jace gehörten oder ob sie schmutzig waren. Ihm war es herzlich egal. Ohne etwas zu Clary und Jace, die ihn besorgt beobachteten, zu sagen, verließ er die Wohnung. Er hatte Manager on Duty-Dienst, aber in der Wohnung hielt er es einfach nicht aus. Alec betrat wortlos Magdalenas Café, ging hinter die Theke und band sich eine Schürze um. Dann ging er in die Küche und begann, den Teig für den Kuchen des Tages vorzubereiten. Backen war die einzige Ablenkung, die ihm half, sein Gedankenkarussell für kurze Zeit zu verlassen. Magdalena stellte keine Fragen und Alec war ihr sehr dankbar dafür. Seit jenem Abend kam er jeden Tag hier vorbei und half ihr beim Backen und im Café. Kein Gastkontakt, das hätte soziale Berührungen bedeutet und das ertrug er nicht. Ohne Erklärungen hatten Alec und Magdalena sich arrangiert. Wenn er Frühdienst hatte, kam er nachmittags, bei Spätdienst kam er morgens. Nachtdienst hatte er nicht mehr.

Im Hotel hielt Alec sich noch mehr zurück als sonst. Glücklicherweise hatte er nie allein in einer Schicht eingeteilt, so dass er sich permanent im Büro hinter der Rezeption verkriechen und Reservierungen bearbeiten konnte. Wann immer sein Vater auftauchte, suchte Alec das Weite. Sein Vater schwieg die Sache ebenfalls tot und ignorierte seinen Sohn. So viel zum Thema Bruch.

"Mach doch eine Pause, Alec." sagte Magdalena liebevoll. Sie schob ihm einen Milchkaffee zu und flüsterte: "Gerade sind alle gegangen, ich habe den Kamin angemacht. Setz dich doch hin und warte bis der Kuchen fertig ist." Alec lächelte, jedoch erreichte das Lächeln nicht seine Augen. Es kam aus reiner Höflichkeit. Er wusste, er musste Magdalena gegenüber nichts vortäuschen, sie wusste wie sehr er litt, doch er wollte auch nicht unhöflich sein. Er nahm den Kaffee und eine Boulevardzeitung und setzte sich auf den gemütlichen Sessel vor dem Kamin. Um diese Zeit war das Café am schönsten. Die morgendliche Hektik war gerade vorüber und die meisten Gäste hatten noch keinen Feierabend. Der Duft vom Kuchen im Ofen erfüllte den ganzen Raum und im Kamin knisterte sanft das Feuer.

A Malec Story - Der Gast ist KönigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt