"Willkommen. Ich habe dich bereits erwartet. Du musst sehr angespannt sein."
Oh ja und wie ich das bin. Angespannt ist schon fast garkeine Bezeichnung mehr dafür. Es fühlt sich so an, als würde ich platzen.
"Weshalb bin ich so wie ich bin?",
kommt es mir schneller als erwartet über die Lippen.
Eingiebig betrachtet sie mich eine Weile. Sie verbirgt ihr Gesicht im Schatten, sodass ich sie nicht sehen kann.
"Du bist das Leben und der Tod, meine Tochter. Jedoch überwiegt das Leben, das Helle in dir. Wie du bereits gemerkt haben solltest, verfügst du über zahlreiche und einzigartige Fähigkeiten. Lucifers Macht ist gestohlen. Er ist ein Barbar! Es ist deine Bestimmung, seine Macht zu erhalten und beide Reiche im Gleichgewicht zu halten."
Ich kann nicht anders, als sie schweigsam anzublinzeln. Das wird ja immer besser! Was erwarten die alle von mir? "Und wenn ich scheitern sollte?", hake ich nach. Was passiert dann?
Einen Moment ist es unangenehm still, bis sie von einem tiefen Seufzen begleitet wird.
"Es gibt kein wenn". Kritisch beäuge ich sie. "Wie es gibt kein Wenn?"
Ihre golden schimmernden Augen treffen auf meine. "Du musst gegen den Teufel kämpfen, Kate! Entweder du verlierst oder du gewinnst. Da gibt es kein Wenn. Es ist einfach so."
"Aber-", will ich einwenden, doch sie unterbricht mich.
"Du fragst zu viel. Wenn du aufwachst, denke an meine Worte. Trainiere hart. Im Gegenzug schenke ich dir jeden Tag nach deinem Erwachen einen Teil deiner Erinnerungen."
Klingt fair... Ein letztes Mal nicke ich ihr respektvoll zu. Fast schon sofort gibt es einen Ruck und ich schnelle hoch. Jedoch befinde ich mich nicht mehr in dem luxuriös ausgestatteten Raum, sondern auf einem Ast. Es ist nass und kalt und ich muss mich zusammenreißen, nicht mit den Zähnen zu klappern. Suchen sie schon nach mir? Ein kleines Rascheln unter mir erweckt meine Neugierde. Ziemlich schräg, wenn man bedenkt, dass ich nachts alleine im dunklen Wald hocke und keinerlei Angst habe. Im Gegenteil. Die Stille der Nacht scheint eine beruhigende Wirkung zu haben. Vorsichtig, um nicht den relativ dünnen Ast zu strapazieren, bewege ich meine Beine, die mittlerweile mehr als nur eingeschlafen sind. Halb abgestorben bringt es besser auf den Punkt. Verdammt! Diese ganze Situation ist zum Haare ausreißen. Ich will einfach mein altes Leben wieder, auch wenn ich nicht weiß, was mich dort erwartet. Aber dieses Risiko ist es mir wert. Zumal mir diese Lauren anscheinend ziemlich wichtig war. Wie es ihr wohl geht? Erst jetzt fällt mir auf, dass ich seit diesem ganzen Drama hier keinen einzigen Gedanken an meine Familie verschwendet habe. Klar weiß ich gerade nichts über sie, aber das wird sich ja wieder ändern. Und wie ändere ich das am schnellsten? Richtig! Mit Training. Damit ich diesem kleinen Pisser schnellst möglichst eins drüber hauen kann. Entschlossen schaue ich kurz in den Himmel und stehe dann vorsichtig auf. Wann, wenn nicht jetzt? Der Wald bietet die perfekte Möglichkeit, meine Magie vollständig auszuprobieren. Keinen Lärm, kein Trainer und das wichtigste, kein Ruben. Motiviert steige, oder eher rutsche, ich den Baum herunter. Bis jetzt habe ich mich eigentlich nicht gefragt, wie ich da ohne zehn Blutergüsse hochgekommen bin, aber jetzt?! Dieser Baum sieht einfach schrecklich aus. Die Rinde zerkratzt und verkohlt, als hätte er schon zehn Waldbrände hinter sich. Aber da wir hier im Himmel sind, gibt es das nicht, oder? Mit einem Sprung bringe ich die letzten Höhenmeter hinter mich. Unten angekommen schnaufe ich erst einmal und schaue mich dabei um. Als wäre ich extra zu diesem Ort gelaufen, befindet sich in der Mitte der Lichtung eine kahle Stelle. Dahinter ein wunderschöner klarer See. Entgeistert fixiere ich mich auf die zwei kleinen Geschöpfe, welche beunruhigend verdreht da liegen. Nervös schlucke ich und bewege mich dann auf sie zu. Ist das etwa Blut? Ich weiß nicht, woher es kommt, aber ich habe eine Nachtsicht. Alles ist viel klarer als ich es gewohnt bin. Aber seitdem ich hier bin, habe ich aufgehört Dinge zu hinterfragen. Um die beiden flauschigen, noch unidentifizierten Lebewesen nicht zu erschrecken, gehe ich vor ihnen in die Hocke und strecke meine Hand zum beschnuppern hin. Erst als eines davon mit einem Fiepen seine Schnauze hebt, um meinen Geruch zu checken, erkenne ich nicht sonderlich begeistert, dass es sich hierbei um zwei kleine Wolfwelpen handelt. Okay... Amanda? Bist du da?Hole dir einen spitzen Gegenstand und steche in deine Haut. Dann lässt du dein Blut sich mit dem der beiden vermischen. Dann gebe ich dir weitere Anweisungen.
Ohne nachzudenken, mache ich einfach das, was sie verlangt und krame eine Haarklammer aus meinen Haaren. Na geil. Angestrengt und nicht sonderlich begeistert, drücke ich die ungewöhnlich spitze Haarklammer auf meine Haut. Dann schnappe ich mir den Tropfen Blut, der nach gefühlten Stunden harter Arbeit erstanden ist und lasse ihn in meiner Handfläche hin und her rollen.
Spiel nicht damit rum!
Genervt verdrehe ich meine Augen. Ist ja okay. Vorsichtig lasse ich dann meinen Bluttropfen in die Wunde des kleinen fallen. Enttäuscht lasse ich meine Schultern ein Stückchen sacken, als ich keinen Unterschied vernehme.
Es kann auch noch nichts passieren. Sprich mir nach.
Asche für Asche und Blut zu Blut. Die rote Träne gemacht aus dem Leiden und Wut.
Dir mächtige Kraft hauch ein das Leben, die Sünd des Todes sei dir vergeben. Erwache, erwache, aus eigenem Willen, bewahre das Geheimnis stets im Stillen.Nach etlichen Anläufen, habe ich es geschafft, alles richtig zu sprechen. Stolz will ich mich selbst beglückwünschen, als ein goldenes Licht über dem Welpen erscheint. Dem anderen scheint es gut zu gehen. Fasziniert beobachte ich den Zauber noch etliche Zeit lange, bis der kleine plötzlich aufspringt und sich ängstlich an mein Bein drückt. Nun ja... Ich denke, dem Tod entgegen zu blicken, ist wahrlich kein schönes Erlebnis.
Wie auf ein Stichwort ertönt ein Knurren. Nicht aggressiv, nicht trauernd. Einfach ein kleiner Freudenschrei einer liebenden Wolfsmutter. Lächelnd sehe ich den beiden Kreaturen hinterher, wie sie stürmisch in den Wald rennen. Als würde sich die Wölfin bedanken, wedelt sie kurz mit ihrem Schwanz und senkt den Kopf. Dann verschwindet sie. Mit ihr die Motivation für das Kämpfen, wozu ich eigentlich vom Baum heruntergekrabbelt bin.
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Devilish Game
FantasyKate lebt ein tristes Leben auf der Erde, bis ihre Mutter sie durch eine schockierende Tat in die Hölle befördert. Dort scheint ihr Leben jedoch sehr chaotisch zu sein und plötzlich steht sie vor einer wichtigen Aufgabe. Sie muss sich zwischen Himme...