12

180 25 4
                                    

In den Fängen
Des Versteckspielers

,Oh bitte, tu' mir nichts', diese Gedanken schossen wie Blitze durch ihren Körper, als ein leises Schmatzen von Schlamm deutlich zu hören war.
Zitternd versuchte sie sich an die Steine über ihr zu Klammern. Sie hatte es deutlich mit dem Schmerz zu tun und konnte deshalb keinen ruhigen Atem mehr fassen.
Bevor das Versteckspiel begann, war sie auf dem kalten und nassen Moos ausgerutscht, hatte sich dabei minimale Verletzungen zugezogen, die jetzt jedoch, bei ihren Schweißausbrüchen, wie Feuer brannten. Als hätte jemand mit Brennstoff über sie gegossen und ein Streichholz an ihren Körper gesetzt.

Sie konnte nichts dafür, Menschen die bei so einem Zustand noch ruhig blieben waren die, die am meisten Dreck am stecken hatten. Doch wieso wollte man gerade so ein unschuldiges Mädchen wie sie entführen?
Ohne Feinde, ohne schlechte oder bedauernde Ereignisse in der Vergangenheit. Warum sollte man gerade so eine Person quälen und sich an ihr rächen, ohne jemals einen Grund dafür gehabt zu haben?

Sie versuchte sich mit der letzten Kraft ihres Körpers zu halten. Würde sie loslassen, würde sie fallen, Schwerkraft. Als Konsequenz verblieben dann nicht nur Schrammen, sondern auch der Mann, der sie schon gierig und lüstern suchte.
Ihre Zähne schob sie fest zusammen, um zu kämpfen.
Das konnte nicht ihr Ende sein, so wollte sie unter keinen Umständen schlafen gelegt werden.
Tränen quetschten sich durch ihre gekniffenen Augen und bannten sich ihren Weg über die Wange des jungen Mädchen bis sie vom Kinn hinuntertropften, tonlos.

Aber dieser ganze Schmerzensaufwand ließ sie fatalerweise aufkeuchen.
Geschlagen hätte sie sich, für diese Laute. ,Du Idiot', wollte sie sich an den Kopf werfen, doch hatte sie dafür noch wirklich Zeit?

Möglicherweise.
Denn es wurde still.
Alles, was sie schon die ganze Zeit zu sehen vermochte, waren die kleinen, im Mondlicht leuchtenden Steine am Ausgang des kleinen Tunnels.
Fühlen konnte sie, bis auf das Gestein, woran sie sich wirklich nicht mehr lange klammern konnte, nichts.
Und ihre Ohren spielten ihr wohl einen Streich. Denn seid ihrer kleinen Geräuschepanne hörte man nicht einmal mehr die Schritte, die noch vor wenigen Sekunden wahrnehmbar waren.

Wäre Mama jetzt hier, dann hätte sie sich wahrscheinlich für ihr Kind geopfert, wie es jede Mutter tun würde. Nur war sie ganz auf sich alleingestellt.
,Mama vermisst mich bestimmt', ging ihr durch den Kopf.
Sie will nicht, dass ihre Tochter verunglückt. Weinen würde sie.
Nächtelang. Niemals könnte man dieses Geschehen auch nur mit einer Geste wieder gut machen.
Sie pflegte eine gute Beziehung zu ihrem eigenem Fleisch und Blut und könnte sich niemals verzeihen wenn ihr etwas zustoßen wird.

,Mama wird mich finden', dachte sie und versuchte so ihre Hoffnungen herauszuholen, die noch tief in ihrem Körper schlummerten.
In diesen wenigen Sekunden voller Ruhe, hatte sie am meisten Zeit zu denken. Doch dieser Stummfilm wurde ihr zum Verhängnis.

Ein schmerzerfüllter Schrei, so laut, dass man ihn bis zum Ende des Waldes hätte hören können.
Ihre Finger lösten sich sogleich vom Gestein und so rutschte sie zu Boden.
Vor ihren Augen eine schwarze Gestalt, kaum sichtbar, aber dennoch wusste sie genau, wer es war.
Auch ohne ihn gesehen zu haben, wusste sie von seinem da sein Bescheid, denn er war Grund für den Schrei.
Zu gerne hatte sie sich gewünscht, dass nicht sie diese Laute von sich gebracht hätte.
Jedoch wichen diese Töne vor Sekunden von ihren Lippen, da etwas scharfes sich ihren Weg ihr Bein hinab machte. Zerstörte und zerriss ihre Hose. Zerriss ihre Haut, die nur knapp da unter lag.
Schnappatmungen, Schweißperlen und hilfloses Strampeln, um diesen Schmerz zu umgehen und gleichzeitig auch den Psychopathen von sich zu bekommen. Hoffnungslos.
Selbst seinen Atem spürte sie auf ihrer zierlichen, gepflegten Haut, die mit Verletzungen versehen war.

Noch vor wenigen Tagen schien alles so perfekt, ihr Leben schien so perfekt.

Und nun musste sie fühlen, wie sie bei lebendigen Leibe, aufgrund ihres schlechten Versteckes, zerschlitzt wurde.

Ein weiterer Schrei, als die Klinge ihren wunderschönen Körper hinabfuhr und zuerst immer ihre Kleidung zerschnitt, bevor er tiefer in ihre Haut gelangen konnte. Höllenqualen, Elend, ihr Schicksal traf ein und meinte es niemals gut mit ihr.
Blutperlen sammelten sich an, kullerten an den Seiten ihres Körpers hinab.
Ihr Körper durchlief die erste Phase des Sterbens. Das Leugnen des Zustandes, weil dieser einem unerträglich und surreal scheint.
,,Du bist dumm. Du bist so hässlich"

Wenn eines Schlimmer war, als seinem Tod so nah bevor zu stehen, dann war es, dass man kurz bevor man erlöst wurde und die Schmerzen langsam vergessen konnte, so gedemütigt zu werden wie dieses arme Mädchen.

Eine Sache erlebte sie noch, bevor sich ihr Körper langsam von der Welt verabschieden würde, die für sie so unverständlich und krank war:

Der Versteckspieler lachte.

Der Versteckspieler  | TaetenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt