6

268 36 19
                                    

In den Fängen
des Versteckspielers

,,Ene mene eckstein alles muss versteckt sein. Hinter mir und auch vorder mir."

Die bekannten Worte aus der Kindheit eines jeden Menschen, soweit er eine schöne Kindheit hatte und diese mit seinen Lieblingsspielen genießen konnte.
Da, wo der Spaß bei den meisten auf dieser Welt jetzt erst begann, hörte er bei ihm auf. Aber nicht für ihn.

,,Saku? Wo bist du?"
Leise Schmatzgeräusche, beinahe kaum zu hören, die unter den Schuhen des Mannes erklangen, sobald sich dieser fortbewegte.
Schlamm blieb unter seinen Füßen kleben und klang ekelhaft in seinen Ohren.
Sehen tat er beinahe nichts, denn er liebte es die Spannung aufrecht zu erhalten. Es war doch so viel witziger, Menschen im Dunkeln zu suchen, denn nun benötigst du deinen Hörsinn umso mehr.

Perfekt für den Mann, denn er konnte schon immer viel besser mit seinen Ohren wahrnehmen, als mit seinen Augen.
Das sagten schon seine Eltern damals zu seiner Grundschullehrerin, die sich öfter zu beschweren vermochte, dass der Sechs-Jährige vom Aussehen her, keine Tiere unterscheiden konnte, doch sobald er deren Laute hörte, auf Anhieb ,,Löwe" oder ,,Hund" schrie.

,,Bist du etwa-"

Seine spinnenartigen Finger, legten sich um die feuchte Rinde, die gerade vor ihm erschien. Lächelnd betäschelte er diese, als wüsste er allein von seinem Tastsinn her, ob hier jemand vor wenigen Minuten entlanggelaufen war, oder nicht.

,,Hier!"

Kurze Stille, nicht mal die Vögel zwitscherten in dieser reinen Dunkelheit. Alle Geräusche, die normalerweise in solchen Gegenden wahrzunehmen waren, wie ausgestellt.
Verdutzt schaute er hinter dem Baum nach, er hatte sich getäuscht.
Nicht oft kam es vor, dass er sich bei einer Sache so sicher war, aber im letzten Moment dann doch zur falschen Antwort tendierte.
Nun war einer dieser Sekunden gekommen und es fühlte sich grässlich an.

Mit langsamen Schritten stiefelte er weiter, tonlos.
Gelassen suchte er, doch die vermisste Person trug es mit der Angst.
Sie hatte nicht das beste Versteck gewählt und fand es umso erschreckender, dass Stapfen von dem Suchenden durchgängig zu hören.

,Gleich hat er mich', dachte sie und ihre Augen wanderten durch das bloße Nichts, ,Gleich bin ich tot'
Ein Mädchen, noch so jung, zierlich und voller Elan. Die Welt sehen, wollte sie, Menschen kennenlernen, Freundschaften schließen, eine Familie gründen.
Pläne, die jeder tief im Inneren hatte.
Aber nun gehörte auch sie zu denen, die diese nie hätten umsetzen können, so wie Millionen weitere Verstorbene.
Bei manchen wollte ihnen das Schicksal einfach keine Chance geben.

Sie war gefangen im Nichts. Selbst wenn sie ein anderes Versteck hätte haben wollen, nun war es zu spät. Hätte sie nur vorher besser nachgedacht. Aber wie konnte man auch, wenn man die ganze Zeit einen Psychopaten bei sich hatte, der einen an einen Ort verschleppte, den wahrscheinlich nicht mal Google Maps kannte. Sie wusste nicht, wie sie hier noch einen Ausweg finden sollte.
Ihr erster Plan, einfach aus dem Wald zu rennen und Hilfe zu suchen, hatte sie schon nach kurzem aufgeben müssen, da dieses Gebiet so verlassen war, dass auch innerhalb der nächsten zehn Kilometer keine Menschenseele zu erreichen wäre.
Hätte sie nur gewusst, wie sie hierher gekommen war, doch sie erinnerte sich nicht mehr.

Ihre Angst konnte man hören.
Nur zu gut. Das Klappern ihrer Zähne, ihre Hände, die sich immer wieder aufs Neue versuchten, an das Gestein zu klammern. Die schnellen Atemzüge, die man genau dann erzielte, wenn man wusste, dass das letzte Stündchen geschlagen hätte.

Ein schlechtes Versteck hatte sie gewählt. Und schlechte Orte mussten bestraft werden.

Sie war dumm, natürlich war sie es.
Der Mann gab ihr die Chance, sich dort zu verstecken, wo man sie nicht hätte hören oder spüren können, sehen tat er sie so oder so nicht.
Also warum, Gottverdammt nochmal, wählte sie genau den Zufluchtsort, wo man sie nicht mal bei Tageslicht sah, aber ihr Atem und ihr Klammern hören konnte, sowie auch die Wärme, die sie ausstoß, spürte.

Dumme Menschen mussten bestraft werden. Und genau das wollte sich der Versteckspieler nicht entgehen lassen.

Der Versteckspieler  | TaetenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt