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,,Taeyong, ich habe gerade wirklich keine Zeit für dich. Du siehst doch, wie viele Gäste hier sind!"

Wie ein gefräßiger Hund keifte er mich an, als hätte ich die Schlange bis zur Tür gar nicht im Auge gehabt.
Wohl kaum konnte man Kindergeschreie, Getuschel und lautes Atmen nicht gemerkt haben.
Entweder man musste taub oder einfach psychisch instabil sein.

Der Japaner schmiss genervt sein Kellnertuch auf den Tresen. Damals wären noch Fliegen unter diesem gefangen worden sein, mit solch einer Wucht donnerte er es hin.
Man konnte von Glück sprechen, dass diesmal keine unschuldigen Tiere wegen seiner Wut zum Tode verurteilt wurden.
Seine gerunzelte Stirn und das leise Schniefen, wie bei einem Leistungssportler, der seine Strecke bereits auswendig kannte, deutete mir seinen Stress, den er durch die ganzen Leute hatte.

In den letzten Wochen erlebte er regelrecht einen Menschen-Boom in seinem Café. Von Tag zu Tag wurden mehr Leute aufmerksam, zeigten Interesse und Neugierde, wenn sie als erstes diese Tür betraten, einen guten Eindruck vermittelt bekamen und später Zuhause von ihrem neuen Fund berichteten.
So wollten auch Freunde, Familie und Bekannte wissen, was einen hier erwartete und ließen sich am nächsten Tag blicken.
Nur Chittaphon war dafür verantwortlich.
Er hatte Yuta aus der Krisensituation geholfen und als Dank dafür, hörte er mir nicht einmal eine Minute zu, damit ich ihm die Situation schildern konnte, wenn es um ihn ging.

,,Ich habe gerade genauso wenig Zeit zum Warten, Yuta! Es ist wichtig, dass wir jetzt darüber sprechen."

Mit hurtigen Füßen folgte ich ihm auf Schritt und Tritt. Er konnte mich nicht so schnell abschütteln, wie er zu glauben vermochte, denn dieses mal war es etwas wirklich Ernstes, was man nicht einfach unter den Teppich kehren und verwesen lassen konnte.
Es ging wortwörtlich um Leben und Tod.
Noch niemand wusste, wie gefährlich Chittaphons Lage sein konnte.
Möglich war, dass er nur etwas zu viel getrunken hatte, von jemanden auf der Party mitgenommen und verpflegt wurde, sein Handy dabei kein Akku hatte und er später wieder auftauchen würde.
Aber was wenn nicht?
Genauso gut konnte er jetzt, in diesem Moment, nach Luft betteln, weil er vielleicht ertränkt oder gefoltert wird.
Keiner wusste es.
Umso wichtiger war es mir, Yuta zu befragen.

,,Taeyong, Nein!"

Mit gezücktem Kugelschreiber wollte er die Bestellung eines Familienvaters aufnehmen, der wahrscheinlich gerade seine Tochter im Arm trug und sie in den Schlaf wiegte.
Ihr übergroßer Schnuller fest zwischen den Zähnen geklemmt und zufrieden nuckelte sie an dem Noppen am Ende des Schnullers. Ein sehr friedliches Kind, von Gott gezeichnet.

Eine Fingerbewegung reichte, um das Fass bei Yuta beinahe  zum Überlaufen zu bringen.
Sein Kugelschreiber landete in meinen Händen und seine volle Aufmerksamkeit lag gerade auf mir. Seine Adern standen nie zuvor so markant an der Schläfe heraus, wie zu diesem Zeitpunkt.
Man konnte ihm ansehen, wie er mit Beleidigungen um sich werfen, mich anschreien und rausschmeißen wollte.
Am besten noch Hausverbot oben drauf.
Doch es war mir egal.

,,TAE-"

,,NEIN! Jetzt hör mir endlich zu! Chittaphon ist verschwunden, seit gestern Abend. Es muss was passiert sein!"

Nicht nur seine schockierten Augen lagen gerade auf mir, gefüllt von haufenweise Fragen und einer sichtbaren Beängstigung, sondern noch dreißig weitere vom kompletten Café.
Dabei war es schon seit einer Ewigkeit nicht mehr so ruhig.
Selbst eine Grille hätte man zirpen hören können, wären wir in der Natur gewesen oder in einem Raum, wo soeben ein Grillenterrarium zu Boden gefallen war.
Yutas Notizblock gleich noch oben drauf.

Der Versteckspieler  | TaetenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt