"Wow, ich hätte nie gedacht dass Köln doch so schön sein kann!", ruft Ruby begeistert und ihre beste Freundin lächelt wie ein Honigkuchenpferd. "Ja, ich werde dieser Stadt definitiv eine zweite Chance geben.", lenkt Ruby ein und Ella muss noch mehr lächeln. Der Dom ist auch nicht so hässlich, wie Ruby am Anfang dachte und die Innenstadt ist sogar ziemlich schön. Natürlich kann Köln niemals Hamburg auch nur das Wasser reichen, denn Hamburg ist im Vergleich zu Köln der Himmel auf Erden. Die beiden Mädchen verbringen den ganzen Tag in der Innenstadt und gehen Mittags noch etwas essen., 'Jetzt muss ich dir noch meinen absoluten Lieblingsladen zeigen!', schreibt Ella auf einen Zettel. Die beiden Teenager betreten den Asia-Markt und Ella ist voll in ihrem Element. Wie ein schwarz gekleideter Wirbelwind saust sie durch die Gänge und wirft Sachen in den Einkaufswagen. Ruby kann ihr gar nicht so schnell folgen. Ella wirft Unmengen an verschiedenen Saucen, Mochi und süßen Getränken in den Einkaufswagen. Ihre beste Freundin schaut sie fassungslos an.
Als die beiden Mädchen bei Ella ankommen, ist Ruby ein bisschen nervös, weil sie noch nie bei Ella war. Auch Ella ist nervös, denn sie hat Angst, dass ihre Mutter wieder getrunken hat und sich daneben benimmt. Aber die siebzehnjährige hat Glück, denn ihre Mutter ist offensichtlich nicht zu Hause, auch Marie und Finn sind nicht da. So können die Jugendlichen in Ruhe kochen und ihre Lieblingsmusik hören. "Hast du eigentlich 'Der goldene Handschuh' gesehen?", fragt Ruby gespannt. Ella nickt begeistert und Ruby macht ein neues Lied an. "Wir sind jung, wir sind frei, gehen am Leben nicht vorbei. Jeder Tag, der sich stellt, schenkt uns eine neue Welt.", singt Ruby und die beiden Teenager tanzen. "Was ist denn bei euch los? Habt ihr was geraucht?", fragt Finn, der plötzlich den Kopf in die Küche streckt. Ruby schaut ihn erschrocken an. "Ich bin kein Geist oder so, ich bin Ella's großer Bruder Finn. Und du bist bestimmt Ruby.", stellt der neunzehnjährige fest. 'Messerscharf kombiniert, Watson.', schreibt Ella auf einen Zettel und schiebt ihn ihrem älteren Bruder zu. Ruby schiebt in der Zwischenzeit das Gemüse in den Backofen und schneidet den Schafskäse in kleine Stücke. "Du bist also die tolle und besondere Ruby, von der meine kleine Schwester die ganze Zeit erzählt. Sie schwärmt schon seit ein paar Wochen von dir. Jetzt möchte ich dich auch unbedingt mal kennenlernen, um zu sehen, ob du wirklich so toll bist, wie Ella erzählt.", erklärt Finn. Ella kneift ihren großen Bruder unauffällig und er grinst seine jüngere Schwester an. "Erzählt?", fragt Ruby verwirrt. "Naja, sie schreibt Zettel. Wir nennen das erzählen oder sprechen, weil das ihre Art ist, mit anderen Menschen zu kommunizieren.", erklärt Finn und Ruby nickt zustimmend.
"Du kommst aus Hamburg, wenn mich nicht alles täuscht. Wie hat es dich denn in das graue und verregnete Köln verschlagen?", fragt Finn interessiert. Die siebzehnjährige Ruby erzählt die ganze Geschichte von der Scheidung ihrer Eltern, über den spontanen Umzug in den hässlichsten Stadtteil von Köln. Finn hört ihr interessiert zu. "Weißt du was ich an dir faszinierend finde? Du schaust mir direkt in die Augen, das ist eine sehr seltene Gabe, die heutzutage eigentlich niemand mehr hat. In den letzten Jahren waren Ella und ich die einzigen, die das können. Du scheinst wirklich etwas besonderes zu sein.", erklärt Finn der verwirrten Ruby. 'Sag mal, Bruderherz, hast du zu viel geraucht?', schreibt Ella auf den Zettel und schaut ihren älteren Bruder mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Ähm, okay... Dankeschön.", stottert Ruby verwirrt. Finn grinst seine Schwester vielsagend an. Ella verdreht genervt die Augen und versucht den Gedanken an Ruby's glänzende Kirschlabello-Lippen zu verdrängen.
Als eine peinliche Pause entsteht, klingelt zum Glück der Timer auf Ella's Handy und die siebzehnjährige holt das fertige Gemüse aus dem Backofen und streut den Schafskäse darüber. Dann serviert sie das Gemüse auf dem Couchtisch und schnappt sich die Fernbedienung. Finn rennt auf sie zu, aber Ella wirft die Fernbedienung blitzschnell zu Ruby, die sie prompt fallen lässt. Finn übernimmt die Kontrolle über die Fernbedienung und sucht einen Film aus. 'Conjuring, ernsthaft?', schreibt Ella auf einen Zettel. "Stell dich doch einfach mal deiner größten Angst.", schlägt Finn vor und grinst fies. 'Ich hasse dich.', schreibt die siebzehnjährige und schaut ihren Bruder böse an. "Was ist denn deine größte Angst?", will Ruby von Ella wissen. Die schüttelt aber wütend den Kopf. "Madame hat eine panische Angst vor Puppen.", klärt Finn Ruby auf. Zwei Sekunden später fällt er von der Couch, weil Ella ihm ein Kissen ins Gesicht gepfeffert hat. "Ich habe Angst vor Clowns.", sagt Ruby beschwichtigend zu Ella, die sich langsam beruhigt. Während der Film läuft, kuschelt sich Ruby immer näher an Ella. Finn beobachtet die beiden Teenager und lächelt glücklich. Er wünscht sich schon so lange, dass seine kleine Schwester wieder glücklich wird. Der neunzehnjährige hat jahrelang dafür gebetet, dass Ella eines Tages eine richtig gute Freundin kennenlernt, die sie vielleicht sogar dazu bringt, dass sie wieder spricht. Aber mit der Zeit hat Finn die Hoffnung aufgegeben. Und jetzt stolpert Ruby einfach so in das Leben seiner jüngeren Schwester und Finn bemerkt schon jetzt, dass Ruby seiner jüngeren Schwester gut tut. Er kann spüren, dass Ruby schon einige Wunden von Ella geheilt hat. Denn die Zeit heilt nicht alle Wunden, es sind Menschen, die diese Wunden vollständig heilen können.
"Sag mal, Schwesterherz, ist Ruby eigentlich in dich verknallt oder warum schaut sie dich die ganze Zeit so an, als wärst du die wundervollste Person auf diesem Planeten?", fragt Finn abends, als Ruby weg ist. Die siebzehnjährige verdreht genervt die Augen, aber ihr älterer Bruder lacht nur. "Es ist doch nicht schlimm, ich freue mich für dich. Ruby ist ziemlich cool.", stellt Finn klar. 'Ruby und ich sind nur befreundet und jetzt halt die Klappe.', schreibt Ella auf einen Zettel. "Komm schon, Schwesterherz, du bist sogar ein kleines bisschen rot geworden.", zieht der neunzehnjährige seine jüngere Schwester auf. Ella wirft die Fernbedienung nach ihrem älteren Bruder, aber er kann ausweichen. "Ich fände es echt super, wenn Ruby öfter vorbeikommt. Sie tut dir sehr gut und das weißt du auch. Und mir ist es wirklich egal ob sie deine beste Freundin ist oder ob ihr beide ineinander verliebt seid, hauptsache du bist mal wieder so richtig glücklich.", erklärt Finn. 'Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals wieder Freunde haben werde, aber Ruby ist einfach so in mein Leben gestolpert und ich fand sie von Anfang an super. Sie ist wirklich die beste Freundin, die man sich wünschen kann. Aber sie ist garantiert nicht in mich verliebt, sie ist so cool und außerdem weiß ich gar nicht, ob ich überhaupt auf Frauen stehe.', schreibt Ella. "Also dass sie auf Frauen steht, ist ja mal sowas von klar. Mein Gaydar funktioniert mittlerweile ganz gut und sie ist sowas von gay. Und selbst wenn ihr nur befreundet seid, du bist glücklich und das ist die Hauptsache. Du hast es nämlich echt verdient, mal wieder glücklich zu sein.", sagt Finn und umarmt seine jüngere Schwester.
DU LIEST GERADE
Silentium | LGBTQ
Teen FictionElla spricht nicht. Ihr Schmerz ist zu groß. Aber als Ruby in ihr Leben tritt, wird Ella's Entschluss auf eine harte Probe gestellt. »Unter allen Torheiten, die ein Mädchen begeht, ist immer ihre erste Liebe eine der größten.«