"Für fünfzig kann ich dir einen blasen, für siebzig machen wir es im Auto und für hundert bei dir zuhause.", erklärt Benni einem Autofahrer, der am Güterbahnhof gehalten hat. "Bist du schon achtzehn? Ich möchte nicht unbedingt im Gefängnis landen.", entgegnet er. Benni nickt. Natürlich möchte der Typ sich absichern. Im Gefängnis sind Kinderschänder nicht gerne gesehen, auch wenn die Kids ihren Körper freiwillig verkauft haben. "Ich gebe dir hundert. Steig ein.", fordert der Mann ihn auf. Der neunzehnjährige steigt in das Auto und eine leise Stimme in seinem Kopf warnt ihn, aber er hört nicht darauf. Benni denkt nur noch an die nächste Line, den nächsten Rausch und das Gefühl, dass alles in Ordnung ist. Die Fahrt scheint ewig zu dauern und als Benni aus dem Fenster schaut, erkennt er den Stadtteil Marienburg. "Das ist ein verdammt teures Viertel. Hier wohnen doch nur Bonzen und arrogante Arschlöcher.", bemerkt Benni abfällig. "Und ich wohne hier. Jetzt ist nur noch die Frage, ob ich ein Bonze oder ein arrogantes Arschloch bin.", erwidert der Mann. "Oh, das tut mir leid. Wie heißt du eigentlich?", fragt der neunzehnjährige, der jetzt ein schlechtes Gewissen hat. "Ich heiße Mark und du?", stellt er sich vor. "Ich heiße Luca.", antwortet Benni. Er hat schon sehr früh gelernt, seinen richtigen Namen nicht preiszugeben. So fällt es seinen Freiern schwer, seine wahre Identität herauszufinden. Er hatte vor einiger Zeit einen Freier, der sich in ihn verliebt hat. Dieser Typ wusste seinen richtigen Namen und hat angefangen, ihn zu stalken. Der Freier lungerte vor dem Haus von Benni's Mutter herum und folgte dem neunzehnjährigen auf Schritt und Tritt. Benni konnte ihn nur abschütteln, indem er ihm gedroht hat, ihn anzuzeigen. Damit das in Zukunft nicht passiert, hat er hat beschlossen, seinen richtigen Namen nicht mehr zu sagen. So fühlt er sich auch besser, denn er ist schon immer gerne in andere Rollen geschlüpft. Eine Dissoziative Identitätsstörung mit verschiedenen Alter Egos stellt er sich auch gar nicht so schlimm vor.
"Möchtest du Koks, Heroin oder Ecstasy?", fragt Mark. "Woher weißt du, dass ich Drogen nehme?", fragt Benni schockiert. "Du siehst nicht so aus, als würdest du auf der Straße leben und müsstest dich prostituieren, um etwas essen zu können. Du siehst aus wie ein junger Mann, der mitten im Leben steht, aber ein sehr teures Hobby hat.", erklärt Mark. "Dann nehme ich Ecstasy.", flüstert der neunzehnjährige kleinlaut. Der Freier gibt ihm eine Pille und er erkennt sofort, dass sie nicht so stark gestreckt ist, wie das Zeug, was man auf der Straße kauft. "Damit verdienst du also dein Geld.", bemerkt Benni. "Da hast du mich wohl ertappt. Ich verkaufe den reinsten Stoff, den man sich vorstellen kann. Aber ich habe offiziell einen anderen Beruf, sozusagen als Alibi.", erwidert Mark. Der neunzehnjährige nimmt die Pille. "Sollen wir anfangen?", fragt er. Mark schüttelt den Kopf. "Warten wir noch ein bisschen.", sagt er. Benni kann es nur Recht sein, denn Sex ohne Gefühle fällt ihm immer noch ein bisschen schwer. Als die Pille wirkt, beginnt Benni, über seine Haut zu streicheln. Mark grinst und nennt seine Wünsche. Benni ist überrascht, dass seine Wünsche relativ harmlos sind. Natürlich sind sie ein bisschen verrückt, aber eigentlich recht harmlos. "Das kannst du mit deinem Partner also nicht machen. Das verstehe ich nicht. Man muss doch auch mal etwas Neues ausprobieren, auch wenn es ein bisschen verrückt ist.", stellt Benni fest. Als er die Wünsche seines Freiers erfüllt hat, möchte er abkassieren und gehen. Mark hält ihn zurück. "Du kaufst dir doch von dem Geld sowieso Drogen. Was hältst du davon, wenn ich deinen Lohn in einer Droge deiner Wahl bezahle?", fragt er. Benni nickt und bekommt von Mark zwei Gramm Koks. Er zieht direkt eine Line. "So viel solltest du davon aber nicht nehmen. Der Stoff ist ziemlich rein.", gibt Mark zu bedenken. "Ich nehme normalerweise noch mehr.", winkt Benni ab und macht sich auf den Heimweg.
Auf dem Weg zur nächsten Haltestelle beginnt sein Herz schneller zu schlagen. Benni fühlt sich leicht und stark. Er rennt durch die Straßen, bis er vollkommen außer Atem ist. Sein Herz schlägt immer schneller. Selbst im Rausch erkennt Benni, dass das nicht normal ist. Panisch schaut er sich um. Auf der anderen Straßenseite läuft eine etwa fünfzigjährige Frau mit ihrem Hund. Schnell wechselt er die Straßenseite. "Entschuldigung, ich bräuchte dringend Hilfe.", flüstert er atemlos. "Ich habe kein Geld dabei und mein Hund beißt!", ruft sie. "Ich will kein Geld, ich muss sofort in ein Krankenhaus.", entgegnet der neunzehnjährige leise, bevor er bewusstlos auf den Boden knallt. Die Frau schaut ihn kurz an, dann holt sie ein Handy aus der Tasche. "In der Ahrweilerstraße ist ein Junge zusammengebrochen. Er braucht einen Notarzt.", erklärt sie. Dann beantwortet sie ein paar Fragen und beginnt mit der ersten Hilfe. Zehn Minuten später ist der Notarzt da. Er überprüft den noch immer bewusstlosen Teenager. Die Sanitäter liegen ihnen auf eine Trage und befördern ihn in den Krankenwagen. Mit Blaulicht sausen sie durch die Straßen. In der Notaufnahme kommt er langsam wieder zu sich. "Na, junger Mann, haben wir zu viele Drogen genommen?", fragt der Arzt, der ihm einen Zugang legt. "Vielleicht nimmst du nächstes Mal einfach etwas weniger.", schlägt er vor. Benni ignoriert ihn. Am nächsten Morgen wird er von der Intensivstation auf eine andere Station verlegt. Kaum ist er in seinem neuen Zimmer, stürmen seine Freundinnen herein.
"Was ist passiert?", fragt Mia mit Tränen in den Augen. "Was hast du denn gemacht?", fragt Ella, die schon eine Vermutung hat, aber hofft, dass sie sich irrt. "Ich habe Ecstasy und Koks genommen.", sagt der neunzehnjährige kleinlaut. Er schämt sich, es ist ihm sehr unangenehm, dass er Ella enttäuscht hat. Immerhin hat er ihr versprochen, mit ihr über alles zu reden und keine chemischen Drogen mehr zu nehmen. Mia kennt seine Geschichte nicht, also muss er sie ihr wohl oder übel auch erzählen. Als er damit fertig ist, bricht Mia in Tränen aus. Ella weint nicht, sie ist einfach nur enttäuscht und sie macht sich Sorgen um ihren besten Freund. "Wir bekommen das schon irgendwie hin. Du musst mir jetzt nur hoch und heilig versprechen, dass du nie wieder chemische Drogen anfasst. Du kannst von mir aus kiffen und andere psychedelische Drogen nehmen, aber keine Chemie.", bittet Ella ihn. Benni nickt beschämt. "Ich könnte dir jetzt einen ewig langen Vortrag halten, vielleicht solltest du dir aber auch noch mal den Film 'Wir Kinder vom Bahnhof Zoo' anschauen. Dann weißt du, was passiert, wenn man Drogen nimmt.", erklärt Mia, deren Traurigkeit sich langsam in Wut umwandelt. "Das bringt jetzt auch nichts. Natürlich wissen wir alle, was passiert, wenn man Drogen nimmt. Ich glaube, dass wir ihm am besten helfen können, wenn wir mit ihm zusammen einen Entzug machen.", entgegnet Ella. "Das klingt gut.", wirft Benni ein. "Dann wirst du dich jetzt aus dem Krankenhaus entlassen, Ella erzählt ihrer Mutter, dass wir Projektwoche haben und Tag und Nacht daran arbeiten. Ich kann meinen Eltern sagen, dass ich bei Benni übernachte, weil es ihm nicht gut geht. Meinen Eltern ist es eigentlich egal, ob ich zur Schule gehe oder nicht, ich soll nur das Abi bekommen. Wobei das eigentlich auch unnötig ist, weil ich später bei meinem Vater in der Firma arbeiten werde. Sie wollen nur, dass ich auch selbstständig sein kann, obwohl ich es wirklich nicht müsste.", erklärt Mia. Sie liebt es, Dinge zu organisieren, wenn es in der Schule eine Gruppenarbeit gibt, ernennt sie sich selbst immer zum Kapitän der Gruppe und organisiert alles.
Zwei Stunden später treffen sich die drei Teenager in der Wohnung von Benni. Ella hat Essen und Zigaretten für die nächsten Tage besorgt und ihrer Mutter von der angeblichen Projektwoche erzählt. Mia hat ihrer Mutter ein paar Schlaftabletten und Schmerzmittel geklaut, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. An diesem Tag geht es Benni noch relativ gut, er verspürt nur das Gefühl, dass er jetzt gerne eine Line ziehen möchte. Am nächsten Morgen sieht es anders aus. "Ich will sterben.", flüstert der neunzehnjährige mit gebrochener Stimme. "Ich weiß, bald wird es besser.", entgegnet Ella. Aber sie weiß, dass die nächsten Tage für ihren besten Freund die Hölle werden. Wenn es nur halb so schlimm ist, wie es in den meisten Filmen über Drogen dargestellt wird, durchlebt er bereits jetzt die Hölle. Um ihn abzulenken, schauen sie Harry Potter. Am Abend wird es richtig schlimm. Benni bekommt Fieber und er kratzt sich überall. Ella flößt ihm etwas zu trinken ein und gibt ihm Medikamente. Die Nacht wird für alle drei schrecklich. Das Fieber will einfach nicht sinken und Benni versucht, aus der Wohnung abzuhauen. Mia und Ella halten abwechselnd Wache. Als Benni eingesehen hat, dass er aus der Wohnung nicht entkommen kann, läuft er auf und ab, durch die gesamte Wohnung, über mehrere Stunden. Nachdem Ella ihn morgens zum Essen motiviert hat, kann er tatsächlich schlafen. Benni schläft achtzehn Stunden und Ella macht sich Sorgen, dass er vielleicht nicht mehr aufwacht. Als er wach ist, geht es ihm viel besser. Er schlägt vor, ein paar Filme über Drogen zuschauen, damit er sieht, welche Auswirkungen chemische Drogen haben können. Der neunzehnjährige erhofft sich davon, dass er damit auch die psychische Abhängigkeit besiegen kann. Zwei weitere Tage später hat er den Entzug geschafft und er verspricht seinen Freundinnen, nur noch natürliche Drogen zu konsumieren. Ella und Mia sind erleichtert. Sie hatten Angst, dass Benni den Entzug nicht schafft. "Gemeinsam können wir alles schaffen.", flüstert Mia und umarmt ihre Freunde.
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Silentium | LGBTQ
Teen FictionElla spricht nicht. Ihr Schmerz ist zu groß. Aber als Ruby in ihr Leben tritt, wird Ella's Entschluss auf eine harte Probe gestellt. »Unter allen Torheiten, die ein Mädchen begeht, ist immer ihre erste Liebe eine der größten.«