"Du wohnst also in Berlin. Das ist ziemlich weit weg von hier.", bemerkt Ella. "Vielleicht können wir uns ja mal am Wochenende oder in den Semesterferien treffen.", schlägt Aleika vor. Die beiden haben in den letzten Wochen sehr viel miteinander geschrieben und sie haben sehr viele Gemeinsamkeiten. Es ist fast so, als würden sie sich schon jahrelang kennen. Aleika stammt aus Sri Lanka und ist vor drei Jahren nach Berlin gezogen, um dort Kunst zu studieren. Ein paar Tage später besucht Ella eine Kunstmesse, da sie sich in letzter Zeit mehr für Kunst interessiert. "Hey, du bist Ella, oder?", fragt eine bekannte Stimme. Die siebzehnjährige dreht sich um und realisiert, dass Aleika vor ihr steht. "Was machst du denn hier?", fragt Ella nervös. "Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, das hier ist eine Kunstmesse und wer wäre hier besser aufgehoben, als ich?", fragt die einundzwanzigjährige und lacht. Auch Ella lacht, allerdings ist es ein nervöses Lachen, denn die siebzehnjährige hätte nicht gedacht, dass sie Aleika so schnell treffen würde. "Seit wann interessierst du dich eigentlich für Kunst?", fragt die Berlinerin. "Du hast so sehr von deinem Studium geschwärmt und ich wollte mich einfach besser informieren. Ich interessiere mich in letzter Zeit tatsächlich sogar für Kunst, weil du so begeistert davon bist.", gibt Ella beschämt zu. "Das ist ja echt verdammt süß. Live siehst du übrigens noch viel besser aus, als auf den Fotos.", bemerkt die einundzwanzigjährige beiläufig und lacht leise. Ella wird augenblicklich knallrot. Aleika muss nur noch mehr lachen.
Die beiden verbringen mehrere Stunden auf der Kunstmesse und führen fantastische Gespräche. Ella fühlt sich auf einmal so erwachsen. Sie beobachtet die einundzwanzigjährige und hat Schmetterlinge im Bauch. Aleika hat viel zu erzählen. Die siebzehnjährige hängt an ihren Lippen und hört ihr begeistert zu. Auch Ella ist sehr gesprächig. Als die einundzwanzigjährige beiläufig auf ihr Handy schaut, erschreckt sie. "Verdammt, ich hätte schon längst wieder zurückfahren müssen. Mein ICE fährt in zehn Minuten!", ruft sie. "Zum Glück haben wir uns hier getroffen. Ich kenne eine Abkürzung zum Bahnhof, wir müssen aber rennen.", beruhigt Ella sie. Dann nimmt sie Aleika an die Hand und die beiden rennen zum Bahnhof. "Wann sehen wir uns wieder?", fragt Ella, als die beiden am Gleis ankommen. "Demnächst stehen die Prüfungen an. Das stresst mich leider total, ich bin jedes Wochenende zu Hause und muss lernen.", antwortet Aleika deprimiert. "Dann sehen wir uns sofort nach deinen Prüfungen? ", fragt Ella. Die einundzwanzigjährige nickt begeistert und die beiden umarmen sich zum Abschied. Als Ella nach Hause läuft, denkt sie ununterbrochen an Aleika. Sie siebzehnjährige ist so sehr in ihre Gedanken vertieft, dass sie nicht bemerkt, dass vor ihr plötzlich eine Laterne auftaucht. Prompt läuft sie dagegen. Aber auch das kann ihre Laune nicht trüben.
Auch die einundzwanzigjährige Kunststudentin ist hin und weg von Ella. "Sie ist so unfassbar süß. Ella ist so gebildet und sehr reif für ihr Alter. Sie hat sehr viel zu erzählen und ich höre ihr so unfassbar gerne zu.", sagt Aleika, die gerade mit ihrer besten Freundin telefoniert. "Das klingt doch super. Sie scheint ja sehr sympathisch zu sein. Wann seht ihr euch wieder?", fragt Kim. "Ich habe ihr gesagt, dass wir bald unsere Prüfungen schreiben und sie wollte wissen, ob wir uns nach den Prüfungen sehen können. Ich habe ja gesagt.", antwortet die einundzwanzigjährige. "Das ist so süß. Am besten lädst du sie hier her ein, wenn die Prüfungen vorbei sind. Vielleicht könnt ihr ein Wochenende miteinander verbringen.", schlägt Kim vor. "Warum denkst du schon wieder an Sex? Ich habe deinen Unterton wahrgenommen. Mit ihr ist es einfach so, als wäre ich wieder ein Teenager. Ich glaube, ich bin in sie verknallt. Deswegen möchte ich auch nichts überstürzen. Ich will sie nicht überfordern, denn sie ist eben noch ein Teenager.", erwidert Aleika. "Du bist eben noch ein bisschen verklemmt. Das ist ja auch nicht deine Schuld, aber vielleicht solltet ihr das ganze einfach auf euch zukommen lassen. Wenn ihr dann direkt vögelt, ist es okay und wenn ihr es nicht tut, ist es auch in Ordnung.", bestätigt Kim. Als die einundzwanzigjährige am Bahnhof angekommen ist, springt ihr jemand auf den Rücken. "Affenangriff!", ruft Kim und küsst ihre beste Freundin auf die Wange. "So, jetzt gehen wir erstmal etwas trinken und du erzählst mir alles über deine Freundin.", fordert die neunzehnjährige Kim. "Ich bin verdammt müde. Eigentlich will ich einfach nur in die Wohnung und einen Kaffee trinken. Dann könntest du mir erzählen, wie es bei dir läuft. Hat sich Jayden nochmal bei dir gemeldet?", fragt Aleika. Das Lächeln auf dem Gesicht von Kim erstarrt. "Er hat sich nicht bei mir gemeldet. Ich habe seine Sachen aus dem Fenster geworfen und er hat sie aufgesammelt, aber er hat nichts mehr gesagt.", antwortet Kim. "Was für ein Idiot. Du rennst ihm bitte nicht mehr hinterher, du wartest, bis er sich entschuldigt hat und vorher sprichst du kein einziges Wort mit ihm.", erwidert die einundzwanzigjährige. "Dann gehen wir jetzt nach Hause und quatschen noch ein bisschen über Ella. Über sie möchte ich gerade lieber reden, als über meinen blöden Exfreund.", entgegnet Kim. Die beiden Freundinnen laufen nach Hause. Aleika sieht alles durch eine rosarote Brille, sie ist tatsächlich ziemlich in Ella verknallt. Sie bemerkt die Obdachlosen nicht, die vor dem Haus herumlungern und sie bemerkt die Junkies nicht, die sich hinter den Mülltonnen einen Schuss setzen. Nach einer Weile beobachtet Kim ihre beste Freundin und muss grinsen. "Du bist ja sowas von verknallt. Krass, du benimmst dich wie ein Teenager.", bemerkt die neunzehnjährige beiläufig. "Halt doch einfach mal deine Klappe. Als ob du noch nie verliebt warst. Kümmer dich doch lieber um deine Männergeschichten, denn meine Frauengeschichten laufen deutlich besser ab, als die Beziehungen zu deinen Typen.", schießt die einundzwanzigjährige zurück. Kim stürmt gespielt beleidigt nach oben und Aleika rennt ihr lachend hinterher. "Manchmal bist du so kindisch. Ich weiß jetzt, warum wir beste Freundinnen sind.", bemerkt Aleika.
In Köln liegen zwei Teenager im Bett von Ella und reden über die Liebe. "Jetzt erzähl mir doch einfach, was zwischen euch gelaufen ist.", fordert Benni seine beste Freundin auf. "Ich habe dir doch schon gesagt, dass wir uns nur umarmt haben. Wir wollen es eben ruhig angehen lassen. Aber ich glaube, dass ich in sie verliebt bin.", entgegnet Ella. "Natürlich wollt ihr das. Hat sie auch gerade eine Beziehung hinter sich?", fragt der neunzehnjährige. "Ihre letzte Beziehung ist drei Monate her. Sie hat ihre Exfreundin wirklich geliebt und wir haben darüber gesprochen. Wir haben den gleichen Schmerz erfahren. Deswegen konnten wir nachvollziehen, wie sich die Andere in der Situation gefühlt hat.", antwortet die siebzehnjährige. "Wann seht ihr euch denn wieder?", fragt Benni. "Bei ihr stehen in nächster Zeit einige Prüfungen an, für die sie sehr viel lernen muss. Aber nach ihren Prüfungen will ich sie überraschen.", entgegnet sie. "Wie wäre es eigentlich, wenn wir Kekse backen, du ein paar Süßigkeiten kaufst und dann nach Berlin fährst und sie damit überraschen würdest?", schlägt er vor. Ella findet die Idee fantastisch und die beiden beginnen am Freitag Abend mit den Vorbereitungen. Am Samstag steigt die siebzehnjährige um halb neun morgens in den ICE. Ein bisschen aufgeregt ist sie schon. Dank Google Maps verläuft sie sich nicht in dieser riesigen Stadt. Als sie vor der Haustür steht, möchte sie am liebsten wieder nach Hause fahren. "Willste jetzt rein oder nicht?", reißt eine etwa fünfzigjährige Frau Ella aus ihren Gedanken und sie betritt das Haus. Die siebzehnjährige sucht nach dem Nachnamen von Aleika und findet ihn im vierten Stock. Als sie klingelt, ist sie sehr nervös.
"Überraschung, ich dachte, dass du etwas Nervennahrung gebrauchen könntest.", sagt Ella mit zitternder Stimme. "Du bist so süß. Du bist extra deswegen nach Berlin gefahren?", fragt die einundzwanzigjährige Kunststudentin. "Eigentlich hatte ich gehofft, dass wir auch ein bisschen Zeit miteinander verbringen können.", gibt Ella zu. "Das war mir schon klar, ich könnte auch etwas Ablenkung gebrauchen.", entgegnet Aleika und grinst. Dann bittet sie die siebzehnjährige herein. Ella ist begeistert von der Wohnung. Überall hängen Zeichnungen und Skizzen von Aleika und ihrer besten Freundin Kim. Aleika futtert direkt die Kekse. "Ich habe seit zwei Tagen nichts gegessen. Es war einfach keine Zeit dafür. Ich habe auch nur vier Stunden geschlafen.", gibt die einundzwanzigjährige beschämt zu. "Bist du verrückt? Du musst doch etwas essen!", weist Ella sie zurecht. "Ich weiß, aber ich bin einfach so gestresst.", flüstert Aleika kleinlaut. "Vielleicht zeigst du mir ein bisschen die Umgebung und dann essen wir etwas.", schlägt Ella vor. Aleika freut sich über die Ablenkung und sie zeigt der siebzehnjährigen ihr Berlin. Als Ella am Abend nach Hause fahren müsste, schlägt die Kunststudentin vor, dass die siebzehnjährige doch einfach über das Wochenende bleiben kann. Ella freut sich wahnsinnig. Als sie am Sonntag neben Aleika aufwacht, ist sie zum ersten Mal seit der Trennung von ihrer ersten großen Liebe, so richtig glücklich.
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Silentium | LGBTQ
Fiksi RemajaElla spricht nicht. Ihr Schmerz ist zu groß. Aber als Ruby in ihr Leben tritt, wird Ella's Entschluss auf eine harte Probe gestellt. »Unter allen Torheiten, die ein Mädchen begeht, ist immer ihre erste Liebe eine der größten.«