Vertauschte Rollen

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"Glaubst du ernsthaft, dass sich das kleine Monster geändert hat? Nur weil Tom sie scheiße behandelt hat, heißt das noch lange nicht, dass sie sich hier benehmen kann, wie sie will!", ruft Finn am nächsten Morgen empört. Seine jüngere Schwester zuckt mit den Schultern. "Ich habe gehört dass du letzte Nacht in ihr Zimmer geschlichen bist. Warum hilfst du ihr auch noch, nach allem was sie über Mama und dich gesagt hat?", fragt der neunzehnjährige fassungslos. Ella zuckt wieder mit den Schultern. "Wahrscheinlich wolltest du ihr helfen. Das ist echt verdammt süß und wahnsinnig toll von dir, aber sie ist es einfach nicht wert. Sie hat euch so oft verletzt. Wie oft hat sich Mama wegen dem kleinen Monster die Augen ausgeheult? Wie oft hat sie dich psychisch fertig gemacht? Wie oft hat sie Mama das Herz gebrochen? Nach allem, was sie sich in den letzten Monaten geleistet hat, finde ich, dass sie es nicht wert ist, sich weiter Gedanken um sie zu machen.", erklärt Finn seiner jüngeren Schwester. Ella zuckt nachdenklich mit den Schultern. "Du denkst doch nicht wirklich, dass das kleine Monster Recht hat und Mama ein Alkoholproblem hat, oder?", fragt der neunzehnjährige mit nachdenklicher Stimme. Wieder zuckt seine siebzehnjährige Schwester mit den Schultern, aber diesmal schaut sie ihrem großen Bruder direkt ins Gesicht und er weiß, was das bedeutet. Ella widerspricht ihrem großen Bruder stumm und er bemerkt es. "Okay, nur mal angenommen, dass sie ein Alkoholproblem hat, dann müssen wir unbedingt mit ihr reden. Ich will nicht, dass sie sich selbst zerstört oder dass sie dir und Marie weh tut.", flüstert Finn. Tief in seinem Inneren ist in seine kleinste Schwester doch wichtig, aber das würde er niemals zugeben. Seine jüngere Schwester nickt zustimmend und die beiden Geschwister nehmen sich in den Arm.

"Mama, wir müssen dringend mit dir reden.", ruft Finn in Richtung Wohnzimmer, wo Dana schon am Nachmittag mit einem Weinglas auf der Couch sitzt und alte Filme schaut. "Mama, wir müssen unbedingt mit dir reden. Würdest du uns vielleicht zehn Minuten deine Aufmerksamkeit schenken?", fragt der neunzehnjährige nervös. Auch seine jüngere Schwester macht sich Sorgen, denn in der Vergangenheit konnte Dana nicht gut auf Kritik reagieren und jeder Versuch von den beiden Geschwistern, mit ihrer Mutter zu reden, ist nach wenigen Sekunden fehlgeschlagen. "Was ist los?", lallt Dana. Ihre beiden älteren Kinder sehen sich im Wohnzimmer um und ihr Blick bleibt an der fast leeren Weinflasche hängen, die heute Morgen mit Sicherheit noch voll war. Finn und Ella setzen sich auf den Sessel, der direkt gegenüber von der Couch steht. Ella holt Stift und Papier aus ihrer Hosentasche und beginnt zu schreiben. 'Wir machen uns Sorgen um dich. Ist dir aufgefallen, dass du in letzter Zeit ziemlich viel Alkohol getrunken hast?', fragt Ella. Als Dana den Zettel liest, fällt ihr fast das Weinglas aus der Hand. Vor lauter Schreck trinkt sie das Glas komplett leer. "Wie zum Teufel kommt ihr darauf?", fragt Dana mit zitternder Stimme. Sie fragt sich, ob sie in letzter Zeit tatsächlich zu viel trinkt, aber andererseits findet sie es mehr als unangemessen, dass ihre Kinder sie darauf ansprechen. Sie haben keine Ahnung, was in ihrem Leben alles schief gegangen ist. Es war eigentlich nie ihr Wunsch, drei Kinder zu bekommen und einen auf Hausfrau zu machen, als würden sie noch in den fünfzigern leben. "Du trinkst in letzter Zeit ziemlich viel und meistens fängst du schon am Nachmittag an zu trinken. Das ist nicht normal. Mama, wir machen uns doch einfach nur Sorgen um dich.", erklärt Finn. "Nur weil ich ab und zu mal trinke, bedeutet das nicht, dass ich gleich alkoholkrank bin oder dass ihr euch Sorgen um mich machen müsst. Ich bekomme mein Leben ganz gut auf die Reihe.", entgegnet Dana aufgebracht. 'Niemand hat von alkoholkrank gesprochen, wir machen uns nur Sorgen um dich und deswegen wollten wir mit dir reden.', schreibt Ella. Mit zitternden Händen nimmt Dana den Zettel und liest ihn. "Und  warum macht ihr mir dann Vorwürfe?", fragt Dana mit bebender Stimme. "Wir machen dir keine Vorwürfe. Es ist uns nur aufgefallen und übrigens nicht nur uns, sondern auch Marie.", antwortet Finn. Dana steht auf und geht nach draußen, dabei bleibt sie an der Tür hängen und flucht. Die beiden Geschwister schauen sich betroffen an.

Silentium | LGBTQWo Geschichten leben. Entdecke jetzt