"Ella, magst du lieber Rührei oder Spiegelei?", fragt Dana um halb sieben am nächsten Morgen. "Ich würde gerne Rührei essen. Kannst du bitte ein bisschen Feta und Basilikum reinmachen?", fragt Ella. Ihrer Mutter fällt vor Schreck ein Ei auf den Boden. "Du sprichst ja wieder. Warum.. Wie.. Was.. Was ist passiert?", stammelt Dana. "Naja, ich glaube dass ich meine Trauer irgendwie überwunden habe. Außerdem hat mich Ruby dazu ermutigt. Sie hat mir sehr viel Mut gemacht und war immer für mich da.", antwortet Ella. "Wow, ich hätte nie gedacht, dass du mal so eine gute Freundin finden wirst. Ruby ist wirklich ein Geschenk des Himmels.", bemerkt Finn, der gerade in die Küche gestolpert ist. Auch die jüngste Tochter von Dana hat mittlerweile den Weg in die Küche gefunden und ist ebenso schockiert wie ihre Mutter, dass ihre Schwester plötzlich wieder redet. "Boah Ella, endlich sprichst du wieder. Ich habe dich zwar lieb, aber das war eine echt blöde Aktion.", sagt sie und boxt ihrer älteren Schwester liebevoll auf die Schulter. "Jetzt musst du mir aber unbedingt erklären, warum du wieder angefangen hast, zu sprechen.", fordert die dreizehnjährige die siebzehnjährige auf. Auch ihrer kleinen Schwester erzählt Ella, dass sie ihre Trauer überwunden hat und dass Ruby einen großen Teil dazu beigetragen hat. Dass Ruby mehr für sie ist, als nur eine Freundin, erzählt sie niemandem. Nur Finn weiß davon und so soll es auch bleiben. Ella kann nicht einschätzen, wie ihre Mutter darauf reagiert, aber sie weiß genau, dass es für Marie ein riesiges Problem sein wird, weil sich die dreizehnjährige einfach nur eine ganz normale Familie wünscht.
Ein paar Kilometer weiter, in einem anderen Stadtteil, rennt Ruby vor Freude schreiend durch die Wohnung. "Ich kann endlich ausziehen, ich kann endlich ausziehen!", ruft sie begeistert. "Ruby, warte mal kurz. Ich habe dir lediglich versprochen, dir eine Wohnung hier im Haus deines Vaters zu bezahlen, damit ihr euch nicht zu sehr auf die Pelle rückt.", versucht ihre Mutter sie zu bremsen. "Ja Mama, das weiß ich. Darf ich mich nicht trotzdem freuen?", fragt Ruby. "Natürlich darfst du das. "Ich freue mich ja auch für dich, jetzt kannst du allen beweisen, dass du alleine leben kannst.", entgegnet ihre Mutter. Als Ruby aufgelegt hat, tanzt sie noch weiter durch die Wohnung. Natürlich weiß sie, dass ihre Mutter ihr nur eine Wohnung finanziert, weil sie sie aus dem Armen ihres Vaters treiben will. Ruby soll das ganze nur Recht sein, denn sie weiß, was für ein gutes Verhältnis sie mit ihrem Vater hat und was für ein schlechtes Verhältnis sie eigentlich mit ihrer Mutter hat. Ruby profitiert zum ersten Mal aus der Tatsache, dass ihre Eltern sich auf den Tod hassen. Die siebzehnjährige ruft nach ihrem Freudentanz sofort ihre Freundin an und erzählt ihr davon. "Das ist ja super! Wann kannst du einziehen?", fragt Ella begeistert. "Eigentlich habe ich gedacht, dass du mit mir dort einziehen kanntest. Papa würde uns beim Renovieren helfen und meine Mutter zahlt ja die Miete. Wir dürfen ihr nur nicht sagen, dass du dann auch hier wohnst.", schlägt Ruby vor. "Ich würde schon gerne bei dir einziehen, aber ich weiß nicht ob meine Mutter das so toll findet. Du weißt ja, Familie ist ihr so wichtig.", gibt ihre Freundin zu bedenken. "Weißt du was, wir überreden sie einfach. Ich komme jetzt sofort vorbei und wir überreden deine Mom, dass sie dich bei mir einziehen lässt. Die Wohnung ist zwei Stockwerke unter der Wohnung von meinem Papa, also haben wir jederzeit einen Erziehungsberechtigten, der nach uns schauen kann und den wir ansprechen können, wenn wir Probleme haben.", überrumpelt Ruby ihre Freundin. "Denkst du wirklich, ich kann Finn mit meiner Mutter und meiner kleinen Schwester alleine lassen?", fragt Ella nachdenklich. "Wenn es ihm zu viel wird, kann er auch gerne mal ein paar Tage bei uns bleiben.", entgegnet Ruby begeistert. "Okay, überreden wir meine Mutter.", sagt Ella und in der nächsten Sekunde hat ihre Freundin schon aufgelegt und macht sich auf den Weg zu Ella. "Dana, es hat tatsächlich Vorteile, wenn man so früh alleine lebt. Meine Mutter hat gesagt, dass ich jetzt beweisen kann, dass ich selbstständig bin und mit einer eigenen Wohnung werde ich noch selbstständiger. Außerdem wohnt mein Vater gerade zwei Stockwerke über uns wir könnten jederzeit zu ihm gehen und er könnte uns auch jederzeit kontrollieren, wenn es nötig wäre.", bombardiert Ruby die Mutter von Ella mit Informationen. Dana überlegt lange. Einerseits möchte sie ihre Tochter gerne bei sich haben, solange es geht, andererseits war Ella nie besonders selbstständig und Dana wünscht sich, dass ihre Tochter irgendwann in der Welt zurecht kommt und nicht dauernd ihre Hilfe braucht. "Mama, ich habe doch jetzt wieder angefangen zu sprechen und ich fühle mich wirklich bereit dafür. Eine eigene Wohnung wäre fantastisch, um dir zu beweisen, dass ich selbstständig bin. Genau wie bei Ruby. Ihre Mutter hat ihr am Anfang auch sehr wenig zugetraut und jetzt bekommt sie von ihr eine eigene Wohnung. Ich möchte dir beweisen, dass ich ein Stück weit erwachsen geworden bin. Und wenn ich mit Ruby zusammen ziehe und ihr Papa ab und zu bei uns vorbeischaut, hast du immer noch die Sicherheit, dass ein Erwachsener da ist und uns helfen kann, aber ich kann dir auch gleichzeitig beweisen, dass ich keine Hilfe brauche und in der Welt zurecht komme. Ich weiß, dass ich in den letzten Jahren oft auf deine Hilfe angewiesen war und ich schätze das auch sehr, aber langsam wird es Zeit für mich, erwachsen zu werden.", versucht Ella ihre Mutter zu überzeugen. Schließlich stimmt Dana zu und die beiden Freundinnen sind überglücklich.
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Silentium | LGBTQ
Teen FictionElla spricht nicht. Ihr Schmerz ist zu groß. Aber als Ruby in ihr Leben tritt, wird Ella's Entschluss auf eine harte Probe gestellt. »Unter allen Torheiten, die ein Mädchen begeht, ist immer ihre erste Liebe eine der größten.«