Während ich schreie, höre ich plötzlich, wie Sami lacht. Ängstlich blicke ich zu ihm hinüber und sehe, dass er vor lachen beinahe von seinem Platz fällt. "Hör auf zu lachen!", rufe ich, doch meine Stimme ist kläglich leise. "Hast du Angst?", fragt er kichernd. Vorsichtig schaue ich neben dem Schlitten in die Tiefe. Hui... ganz schön hoch! "Nein, aber ich bin noch nie geflogen.", gebe ich zu. Sami hört tatsächlich auf zu lachen und schlägt sich plötzlich die Hand gegen die Stirne. "Du musst nach Hause, ich kann dich doch nicht einfach mitnehmen." Er will gerade die Rentiere zum Wenden bewegen, doch ich fahre dazwischen. "Ich will dir helfen." "Aber das geht nicht, du bist doch viel zu klein." "Du bist auch nicht grösser als ich!", rufe ich empört. "Aber sehr viel älter als du.", widerspricht er mir wieder. Trotzig schaue ich ihn an. "Vier Augen sehen mehr als zwei." Sami schweigt. "Na gut, es ist so oder so zu spät um umzukehren. Und wahrscheinlich kann ich deine Hilfe ganz gut gebrauchen.", sagt er schliesslich. Vorsichtig klettere ich über die Holzbänke zu Sami. "Wo fangen wir an?", frage ich neugierig. "In Spanien. Dort ist das erste Teil. Nach dem GPS sollten wir in circa 5 Stunden dort sein. Hast du Hunger?" Erst jetzt merke ich, dass mein Magen knurrt. "Ja, was gibts denn?" "Weihnschtskekse, was denn sonst? Die Dose steht unter deinem Bank." Cool, Mama hat noch gar nicht angefangen die Weihnachtskekse zu backen. Ich nehme mir ein paar hinaus und mampfe sie auf.
Ich wache auf, weil mir auf einmal so warm ist. Verschlafen öffne ich meine Augen und versuche mich zu orientieren. "Boa ist das heiss!", beklage ich mich und ziehe die Handschuhe, den Schal und die dicke Jacke aus. "Sami was machst du da?" Müde gähne ich und sehe ihm zu, wie er in einem Gebüsch wühlt. Träge klettere ich aus dem Schlitten. "Ich suche.", ruft er und gräbt sich tiefer in den Busch. "Was suchst... Hoppla." Ich stolpere über einen schwarzen Stein. "So ein blöder Stein!", schimpfe ich und will ihn gerade wegkicken, als Sami aufschaut. "Nein! Lilja nicht!" Ich halte verwundert inne und schaue zu wie Sami den seltsamen Stein aufhebt und abwischt. "Äh ... Sami? ... Sami, was willst du denn mit dem doofen Stein?" Völlig entgeistert starre ich ihn an. "Das", sagt Sami stolz, "das ist ein Kaffeebecherhalter und kein Stein." Aus diesem letzten Teil kann ich so etwas wie Verachtung raus hören. "Und wegen diesem Teil sind wir hierhin geflogen? Mitten ins Nirgendwo?" Sami rollt genervt die Augen. "Lilja, ich habe dir gesagt, dass du nicht mitzukommen brauchst. Aber jetzt ist keine Zeit mehr um umzukehren." "Ich mein ja nur.", grummele ich.
"Damit die Weihnachtsmagie funktioniert, brauchen wir alle Teile. Und der Chef wird wütend, wenn er seine Lieblingskaffeebecher nicht in seinem Lieblingskaffeebecherhalter abstellen kann." "Echt jetzt? Wegen so was?" Damit ist wohl bewiesen, dass sogar der Weihnachtsmann seine Macken hat. Wo ist Sami denn jetzt plötzlich hin? Suchend sehe ich mich um. Ah, da ist er ja. Er kauert vor dem Armaturenbrett und werkelt irgendwas daran herum. "So, der Kaffeebecherhalter ist wieder an seinem Platz." Sami richtet sich auf. "Jetzt brauchen wir bloss noch einen Platz, wo wir über Nacht bleiben können." "Jetzt schon? Es ist doch noch nicht mal Mittag.", werfe ich ein. Mit seinem rechten Arm wischt Sami sich den Schweiss von der Stirn. "Ich weiss. Aber die Rentiere sind erschöpft und brauchen eine Pause. Und du musst deinen Eltern mitteilen, wo du bist. Und dann lohnt es sich nicht mehr weiter zu fliegen. Laut Navi befindet sich das nächste Teil irgendwo in Kasachstan." "Also gut. Wo ist denn in hier bitte das nächste Dorf?" Sami wift einen Blick auf das Navi. "Ca. 1 Stunde nördlich von hier." "Super," sage ich während ich meine Motivation hinter der nächsten Sanddüne verschwinden sehe, "und wo ist Norden?" Mit dem Arm beschreibt Sami eine wage Richtung.
Zusammen mit den Rentieren laufen wir los. Der Schlitten gleitet geräuschlos über den Sand und die Steine. "Sami, weshalb können die Rentiere den Schlitten so gut über den Boden ziehen? Wenn ich mit meinem kleinen Schlitten über die Hauptstrasse laufe quietscht das immer und ich muss ihn tragen." Sami, der neben mir hergeht, wackelt mit den Fingern. "Das ist die Magie des Weihnachtsmanns." "Oooooh", sage ich. Nach einer Weile will ich es dann aber doch genauer wissen "Und wie funktioniert das?" "Genau kann ich dir das nicht sagen. Aber," wieder erhebt er den Finger. Dabei sieht er ein bisschen aus wie meine Mathelehrer wenn er uns etwas gaaaaaanz Wichtiges erzählen will. "Es hat etwas mit dem Wachs an den Kufen zu tun. Du weist doch, dass man die Schlittenkufen wachsen muss oder?" Ich verdrehe die Augen. So eine blöde Frage. Natürlich weiss ich das. Immerhin helfe ich Papa oft dabei, wenn er unsere Ski wachst. Und zum Schluss kommt dann auch immer mein Schlitten dran. "Klar weiss ich das. Ich weiss sogar wie das geht." Sage ich ganz Stolz.
"Das ist super, wenn wir den Wachs gefunden haben müssen wir die Schlittenkufen bestimmt gleich aufpolieren." Wir gehen schweigend nebeneinander her. Nach ewig langer Zeit, es ist bestimmt schon lange Nachmittag, sehe ich ein paar einzelne Häuschen. "Da drüben ist das Dorf!", rufe ich aufgeregt. Wir nähern uns den Häusern und entdecken eine Frau vor einem Stall. Die Rentiere riechen das frische Heu und werden auf einmal ganz nervös. Als die Frau uns entdeckt werden ihre Augen immer grösser. "Madre mia!", ruft sie und kommt zu uns geeilt. "Wer seid ihr denn?" "Mein Name ist Sami, das ist Lilja." "Ich bin Antonia. Eure lustigen Pferde haben anscheinend grossen Hunger." "Rentiere.", korrigiere ich sie. "Rentiere?" "Jawohl Rentiere." Sami räuspert sich. "Ja, Rentiere. Und sie sind wirklich sehr hungrig. Also würde es Ihnen etwas ausmachen, etwas Heu für sie zu entbehren?" "Selbstverständlich. Bring sie ruhig in den Stall. Sie können so viel Heu fressen, wie sie wollen." "Vielen Dank Antonia." Sami nickt und führt die 6 Tiere in den Stall. "So und jetzt zu dir mía nena. Du hast bestimmt auch Hunger." "Ja schon ein bisschen", gestehe ich. "Na dann, vamos! Ich bin sicher, wir finden etwas leckeres für dich." Antonia legt mir eine Hand auf den Rücken und schiebt mich Richtung Tür.Wir betreten eine gemütliche kleine Küche. Antonia kommandiert mich an den Küchentisch in der Mitte des Raumes und drückt mich auf einen der Holzstühle. Jeder der Stühle hat ein Sitzkissen in bunten Mustern. "Möchtest du was trinken kleine Mariposa?", fragt Antonia, die bereits ein Glas in der Hand hält. Ich nicke und Antonia dreht sich wider um. Sie greift nach einem grossen Glaskrug mit einer trüben Flüssigkeit darin. "Und was ist mit dir Sami? Möchtest du auch was trinken?", sagt sie plötzlich ohne sich umzudrehen. Ich wende meinen Kopf zu Tür. Sami ist gerade eingetreten. "Ja bitte etwas Milch.", erwiedert er und setzt sich mir gegenüber an den Tisch. Wie konnte Antonia wissen, dass Sami da ist, wenn sie ihn doch gar nicht gesehen hat. Vielleicht hat sie ihn gehört? Dann muss die Frau ein super Gehör haben. Ich hab ihn nämlich nicht gehört. Antonia dreht sich wieder zu uns um und stellt zwei Gläser vor uns auf den Tisch. Etwas skeptisch betrachte ich den Inhalt meines Glases. "Was ist das?", will ich wissen. "Zitronenlimonade. Selbst gemacht.", antwortet Antonia voller Stolz. Mmh Limonade. Ich liebe Limonade. Ich nehme einen gossen Schluck. "Die schmeckt super!", stosse ich aus. "Freut mich dass es dir schmeckt, kleine Mariposa." Die Spanierin wendet sich wieder dem Herd zu. "Also erzählt mal ihr zwei. Was treibt ihr mit einem Schlitten und sechs Rentieren in der Wüste?" "Naja", Sami druckst herum. "Wir müssen die Teile für den Weihnachtsmannschlitten finden. Sonst gibt es dieses Jahr kein Weihnachten.", beantworte ich an Samis Stelle. Was hat der bloss. So kompliziert ist das doch gar nicht. Antonia lacht. "Na dann mach ich euch zwei tapferen Suchern mal was Gutes zu essen.
Nach dem Essen streckt mir Antonia auf Wunsch von Sami Blatt und Stift hin, damit ich meinen Eltern schreiben kann. "Du kannst doch schreiben, kleine Mariposa?" Energisches Nicken. Selbstverständlich kann ich schreiben. Ich bin schliesslich kein kleines Kind mehr. Ausgerüstet mit Stift und Papier verlasse ich die Küche und setzte mich im Wohnzimmer vor den kleinen Tisch auf den weichen Teppich.
Liebe Mama, lieber Papa
Mir geht es gut. Macht euch keine sorgen um mich.
Ich wollte gerade nach Hause fahren aber da hab ich gesehen wie ein Schlitten vom Himmel fähllt und ich musste einfach nachsehen gehen. Da hab ich Sami getroffen. Sami ist ein Weihnachtself. Stellt euch vor. Er ist genau so gross wie ich! Und der Schlitten war der Schlitten vom Weihnachtsmann. Aber er war kaputt. Es fehlen Teile. Darum ist er auch abgestürzt. Und jetzt muss ich Sami helfen die Teile wieder einzusammeln sonst gibt es dieses Jahr keine Geschenke!
Im Moment sind wir in Spanien bei einer netten Frau namens Antonia. Aber sie nennt mich ständig Mariposa obwohl sie weiss wie ich heisse. Aber sie macht die beste Zitronenlimonade die ich je getrunken habe! Morgen müssen wir aber schon weiter. Ich glaub Sami hat gesagt, das nächste Teil ist in Kataksthan oder so ähnlich. Jedenfalls weit im Osten.
Spätestens zur Bescherung bin ich bestimmt wieder zu Hause. Dann erzähl ich euch alles genau.Viele Grüsse und Tschüüüüüss!
LiljaStolz lese ich den Brief nochmal durch, bevor ich aufstehe und wieder zurück in die Küche renne. "Fertig!" "Muy bien Mariposa. Ich werde den Brief morgen dem Briefträger mitgeben." Antonia legt den Brief auf einen Stapel im Regal. "So ich denke, es ist Zeit ins Bett zu gehen. Morgen müssen wir früh wieder raus." Sami steht vom Tisch auf. Wie zur Bestätigung entfährt mir eine Gähnen. Antonia erhebt sich ebenfalls. "Bueno, dann zeig ich euch mal wo ihr schlafen könnt."
Das Zimmer, in das uns Antonia führt, liegt im 2. Stock direkt unter dem Dach. Es besteht aus zwei Betten mit je einem Nachttisch, einem grossen Schrank, einem Schreibtisch und einer Kommode. Über der Kommode hängt ein Spiegel. Die Möbel sind alle aus dem selben dunklen Holz und wirken recht alt. Ein flauschiger roter Teppich mit Mustern liegt mitten im Raum. An der Wand gegenüber der Tür sind zwei Fenster, durch die man in den Hof und weiter in die Wüste sehen kann. Das eine Fenster steht offen. An beiden hängen schöne Vorhänge aus rotem Stoff. Auch sie sind überzogen mit lustigen Mustern. An der Decke hängt eine alte Lampe. Als Antonia sie anknipst, flackert sie kurz. Das Zimmer ist nicht gross, wirkt aber gemütlich und Morgen sind wir sowieso nicht mehr hier.
"So das ist es. Morgen um sechs werde ich euch Frühstück machen damit ihr schnell weiter könnt." "Das ist sehr nett, Danke." "Gute Nacht, Antonia!", rufe ich gerade noch bevor sie den Raum verlässt. "Buenas noches, Mariposa." Antonia schliesst die Tür. Rasch krabble ich unter die Decke. Sie ist viel dünner als meine zu Hause. "Gute Nacht Lilja." Sami macht das Licht aus und schlüpft in sein eigenes Bett. "Gute Nacht Sami.", flüstere ich. Kaum sinkt mein Kopf auf das weiche Kissen, bin ich auch schon im Land der Träume verschwunden.
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Another Christmas Story
ФэнтезиAm Montag 1. Dezember hat es Lilja endlich geschafft! Der Schneemann auf dem Hügel hinter ihrem Haus im kleinen Dorf Sillvar ist endlich fertig. Sie will sich gerade auf ihren Schlitten setzen und nach Hause fahren, als sie von einem markerschüttern...