4. Dezember

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Wieder Mal befindet sich der Schlitten hoch über den Wolken. Ich liebe dieses Gefühl, wenn der Wind durch meine blonden Haare fegt. Ob der Weihnachtsmann mir einen fliegenden Schlitten schenken würde? Ich kann ihn ja fragen, wenn wir alle Teile zusammen haben. Ich lasse mich ausgestreckt auf die Bank sinken, schliesse die Augen und versuche mir das doofe Gesicht meiner Freunde auszumalen, wenn ich am Morgen nach den Ferien mit einem fliegenden Schlitten zur Schule komme.

Irgendwann muss ich wohl eingenickt sein. Denn als ich die Augen das nächste Mal öffne, setzt der Schlitten bereits zur Landung an. Es ist auch schon deutlich wärmer geworden. Ich ziehe die dicke Jacke, die mir Tante Martha letztes Jahr zu Weihmachten geschenkt hat, aus und stopfe sie unter die Bank. Der Schlitten setzt rumpelnd auf dem Boden auf und schüttelt uns durch. Als wir dann stehen, streife ich mir noch den fetten Pulli über den Kopf, weil es so warm ist. Etwas ratlos betrachte ich den vollgestopfen Hohlraum unter der Bank. Da bring ich den wohl nicht mehr rein. Wir bräuchten eine Kiste oder so, wo wir alles verstauen könnten und so lasse ich ihn einfach auf der Bank liegen. "Sami? Was suchen wir diesmal?" Mit einem Hops springe ich aus dem Schlitten. "Eine Truhe", kommt die knappe Antwort. Hm, zwar nicht sehr spektakulär aber immerhin können endlich unseren Krempel irgendwo verstauen. "Wozu braucht denn der Weihnachtsmann eine Truhe?", überlege ich laut. Sami rennt schon wieder mit dem Navi vor der Nase herum.

"Sami!", rufe ich ihm zu. "Nicht jetzt, Lilja." Ich verdrehe die Augen und laufe auf die Kiste zu, die unter dem nächsten, sehr komisch aussehenden Baum im Sand steht. Auf dem Deckel ist das Siegel des Weihnachtsmanns eingraviert. "Sami, ich glaube..." Er sieht nicht auf und zeigt mir mit der Hand, dass ich still sein soll. Na gut, wenns unbedingt sein muss, soll er doch suchen. Auf dem komischen Baum sitzt ein Affe, der aussieht wie der Herr Nilsson von Pippi Langstrumpf. Sofort fällt mir das Titellied ein und singe vor mich hin. "Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune, ich mach mir die Welt widewidewie sie mir gefällt." Während ich weitersumme kommt das Äffchen heruntergeklettert und gibt mir eine Banane. Woher es die wohl hat? "Danke", sage ich und nehme die Banane. Ich schäle sie und beisse hinein. Hmmm ist die lecker! Amüsiert sehen wir beide Sami zu, wie er versrucht die Truhe zu finden. "Sami, wirklich, es ist wichtig", versuche ich ihn wieder auf mich aufmerksam zu machen. In diesem Moment pipt das Navi wie verrückt los. "Hier muss sie eingegraben sein." Sami rennt zum Schlitten zurück, verstaut das Navi und rennt zurück zu der Stelle im Sand. Er beginnt mit seinen Händen zu buddeln und kommt sogar ziemlich schnell voran. Irgendwie tut er mir ja Leid, aber wenn er nicht hören will...

Nun werde ich aber neugierig und hüpfe von der Kiste. Der Deckel lässt sich leicht heben und ich schaue hinein. Enttäuscht stelle ich fest, dass sie leer ist. Was will denn der Weihnachtsmann mit einer leeren Kiste? Vielleicht legt er da seinen Mantel hinein, wenn er in wärmere Länder kommt. Genervt blicke ich wieder zu Sami. Zuerst entdecke ich ihn gar nicht, aber dann sehe ich wie Sand aus einer Grube fliegt. "Sami? Willst du vielleicht einmal zuhören?" Er krabbelt aus seinem Loch hinaus. "Was ist denn?" Ich stehe gelangweilt neben der Kiste und klopfte mit der Hand darauf. "Suchst du das hier?" Seine Augen werden gross. "Warum hast du nicht gleich was gesagt?", fragt er und kommt angelaufen. "Wollt ich ja, aber du hast nicht zugehört." Sorgfältig streicht er über die Kiste. "Wir müssen sie hinten auf den Schlitten laden." "Och ne, nicht an der freien Stelle wo ich heute gelegen hab", seufze ich. "Tut mir Leid, aber das ist der Platz wo sie hingehört. Und woanders hat sie keinen Platz." Na gut was solls. Vielleicht darf ich während der nächsten Reise in die Kiste sitzen? Sami errät meine Gedanken und lacht. "Wenn du unbedingt willst." Vor Freude drehe ich mich einmal im Kreis und klatsche in die Hände. Das Äffchen macht es gleich nach. "Woher kommst denn du, mein Kleiner?", fragt Sami. Es hopste auf Samis Schulter und patscht seine Hand auf Samis Wange. "Sag mal, gibt es hier was zu essen? Die Rentiere und wir beide haben grossen Hunger." Das Äffchen hüpft zurück auf den Baum und verschwindet zwischen den Blättern. "Versteht es dich?" Sami nickt. "Wir Elfen verstehen alle Tiere. Das erleichtert die Arbeit auf der ganzen Welt. Und jetzt hilf mir bitte." Sofort packe ich mit an und gemeinsam hieven wir die Kiste in den Schlitten. Wir schieben sie an ihren Platz und säubern sie vom Sand. "Was bewahrt der Weihnachtsmann denn überhaupt in dieser Kiste auf?" "Diese Kiste ist der Eingang zum Schlittenbauch. Dort unten werden die Geschenke aufbewahrt und 167 Elfen fliegen auch mit." "167 Elfen?! Und wie bringt ihr die da alle rein?" Sami lacht und putzt den letzten Rest Sand von der Kiste. "Ausdehnungszauber", meint er nur. Was ist denn das?
Das Äffchen kommt wieder angehüpft und schleift Blätter, Bananen und komische haarige Nüsse an. Die Blätter legt es vor dir Rentiere, die sofort anfangen zu essen. "Sami, was ist das?", frage ich angewiedert und deute auf die haarige Nuss. Das Äffchen legt den Kopf schief, nimmt die Nuss, hopst zum nächsten Stein und schlägt sie einmal feste drauf. Sie bricht auseinander und mit den beiden Hälften zurück. Kieksend hält es mir eine Hälfte entgegen und ich schaue neugierig hinein. "Das ist eine Koksnuss, Lilja", erklärt Sami und deutet auf den komischen Baum. "Sie wächst an der Palme. Die weisse Flüssigkeit ist die Kokosmilch. Die kannst du trinken und das harte innnen drin kannst du abkratzen und essen." Zögernd nehme ich einen Schluck. Es schmeckt seltsam fremd und leicht süss. "Magst du es?", will Sami wissen und halbiert selber eine Kokosnuss. "Gibt besseres, aber nicht schlecht." Dann esse ich doch lieber noch eine leckere Banane.
Nachdem wir alles aufgegessen haben und satt sind, machen wir den Schlitten startklar und verabschieden uns von dem kleinen Äffchen. "Können wir es nicht mitnehmen? Herr Nilsson ist so süss", bettle ich. "Herr Nilsson?" Sami grinst amüsiert. "Ist das nicht der Name von Pippi Langstrumpfs Affe?" Ich nicke. "Dein Herr Nilsson wohnt hier und seine Familie lebt auch auf der Insel. Wir können ihn nicht einfach mitnehmen." Enttäuscht streichle ich über seinen kleinen Kopf. "Na dann machs gut, Kleiner." Herr Nilsson winkt mir und ich steige in den Schlitten ein. Sami treibt die Rentiere an und ich sehe dem kleinen Affen nach, wie er zwischen den Palmen verschwindet.

Another Christmas StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt