23. Dezember

41 4 0
                                    

Vom Süden Afrikas fliegen wir wieder in den Norden. Sami erzählt mir gerade vom Reich von Kusch. Von den Europäern wird es anscheinend Nubien genannt, trotzdem habe ich noch nie etwas von diesem Königreich gehört. "Existiert es denn heute noch?" Sami schüttelt den Kopf. "Nein, es hat zwischendurch zum ägyptischen Reich gehört, dann ist dieses zusammengebrochen und niemand weiss so genau, wann dieses Reich aufgehört hat zu existieren." "Aber dass es Nubien gegeben hat, da ist man sicher?" "Ja, es gibt Pyramiden in diesem Gebiet. Und ich habe die Befürchtung, dass wir morgen früh eine besichtigen werden." Oh, cool, eine Pyramidenbesichtigung. Wir fliegen zu dem Punkt, wo das Anchkreuz sein sollte und da stehen tatsächlich mehrere der dreieckigen Riesenbauwerke. Obwohl die nicht so makellos aussehen wie auf den Bildern. "Die sehen ja total anders aus, als ich gedacht habe", sage ich enttäuscht. "Du verwechselst die ägyptischen Pyramiden mit denen des Reiches von Kusch. Diese hier sind nicht annährend so gross wie die ägyptischen. Es sind auch keine Grabstätten von den grossen Pharaonen. Unter diesen Pyramide sind die Grabkammern hoher Beamten, vereinzelt auch Könige. Wir suchen morgen eine der drei Kammern." "Aber wenn das Grab unter der Pyramide ist, was ist denn in den Pyramiden?" Sami zuckt die Schultern. "Ich würde jetzt mal sagen: nichts. Wir ruhen uns erst einmal aus", bestimmt er und wir kuscheln uns in die Decken.

"Sag mal, was macht dieses Anchkreuz genau?", frage ich Sami neugierig. Wir haben gerade sämtliche Reste der letzten Tage gegessen und futtern noch ein paar Kekse. Der Weihnachtself überlegt einen Moment, bevor er mir antwortet. "Das Symbol bedeutet in der Hieroglyphenschrift für körperliches Leben. Es ist genau das, was wir gebraucht haben: ein Symbol, welches die Bedeutung der lebenden Keksdosen noch mehr untermalt." "Und wer kann es aktivieren?" Sami grinst. "Die Person, die für die Kekse verantworlich ist." "Frau Weihnachtsmann?" Er nickt. "Ja, natürlich. Die Keksdosen sind ihr Gebiet. Sie backt die Kekse, er futtert sie auf. Jedes Jahr muss sie ein neues Versteck finden, damit nicht alle vor Weihnachten schon gegessen sind." Ihr geht es wohl wie Mama. Ich klettere auch auf jeden Schrank, wenn sie die Weihnachtskekse gebacken hat.

Wir verstecken den Schlitten hinter einem Sandhaufen. Die Rentiere haben so lange gebettelt, dass Sami schliesslich eingewilligt hat, sie in die Pyramide mitzunehmen. Allerdings müssen sie die Fackeln tragen. Diese haben wir vor dem Eingang gefunden, jemand hat sie wohl vergessen. Ich habe die Fackeln den Rentieren ans Geweih gebunden und Sami zündet sie jetzt an. Nicht alle auf einmal, nur zwei von insgesamt sieben. Eine trage ich noch. Dann machen wir uns auf den Weg in die Tiefen der Pyramide.

"Hast du eigentlich eine Ahnung, wo wir hingehen?", frage ich Sami nach einer Weile. "Nein." Na super. Wir laufen schon eine halbe Stunde durch schmale Gänge, hoch und runter, rechts und links. Am Anfang habe ich versucht, mir den Weg zu merken, inzwischen habe ich den Überblick total verloren. "Wie ist dieses Ding überhaupt hier herein gekommen?", frage ich mich selber laut. Es ist mir ein Rätsel, wie ein herumfliegendes Kreuz so tief in eine Pyramide schlittern kann. Mir kommt etwa in den Sinn, was Sami gestern erzählt hat. "Du hast gestern gesagt, die Grabkammern liegen unter der Pyramide, warum laufen wir dann hoch?" Wir steigen nämlich gerade eine Treppe nach oben. "Weil es nicht einfach ein Hier geht es zu den Grabkammern Schild gibt wie in einem Museum. Die Schätze, die mit dem Toten hierher gebraucht wurden, hatten einen grossen Wert und die Verlockung war und ist heute noch sehr gross." Ach so. Grabräuber. Schämen sollten die sich, einen Toten beklauen. Das gibt es sogar zuhause. Papa hat mir erzählt, dass das Grab von seinem Chef in der Nacht geöffnet wurde, nur weil er seine teure Uhr noch getragen hatte.

Jetzt geht es ein paar Treppen nach unten und wir befinden uns auf einmal in einem Raum. "Das wird wohl die Vorkammer sein. Irgendwo hier sollte es einen Mechanismus geben, damit sich eine Wand verschiebt", plappert Sami vor sich hin. "Such alles nach einem Hebel oder lockeren Stein ab." Leichter gesagt als getan, der Raum ist leer und Steine hat es auch mehr als genug. Comet krazt mit seinem Geweih an einem losen Stein. Er fällt hinunter und... "Vorsicht!" Comet lässt sich gerade im richtigen Moment zur Seite fallen und das ziemlich grosse Holzscheit fällt neben ihm zu Boden. "Die haben sich richtig Mühe gegeben. Wir können mit noch mehr Fallen rechenen." Etwas achtsamer tasten wir uns den Wänden entlang. Dasher öffnet versehentlich den Eingang zum Unterschlupf einer Schlangenfamilie, den wir schnell wieder zustopfen. Donner wackelt an einem Stein am Boden und wird beinahe von einem vorbeifliegenden Pfeil getroffen. Wir schleichen uns durch den Raum und versuchen, so wenig wie möglich zu berühren. Da macht es plötzlich Klack! und eine Wand surrt zur Seite. "Wer war das?", fragt Sami erstaunt. Niemand meldet sich. "Kann uns ja auch egal sein", meint er und geht als erster durch die Tür. "Ui", höre ich ihn auf der anderen Seite sagen. Die Rentiere folgen ihm und gerade als ich auch in den nächsten Raum gehen will, fällt auf der anderen Seite des Raumes was zu Boden. Ich laufe hin und hebe das Kreuz hoch. "Sami, ist das das Anchkreuz?", rufe ich. Keine Antwort. Ich drehe mich um. Da ist weder ein Sami, noch eines der Rentiere und zu meinem Schreck auch keine Türe. "Sami?!?", schreie ich, aber ich höre nur mein eigenes Echo. Warum sehe ich eigentlich noch etwas? Warum ist nicht dunkel, die Rentiere haben die Fackeln doch mitgenommen? Komisch. Lampen hat es auch keine und ich vermute nicht, dass hier Strom fliesst.

Ich halte das Anchkreuz in den spärlichen Schein der nicht vorhandenen Lichtquelle. Uh, ich mag dieses Wort. Das hat so eine Figur in einem Zeichentrickfilm immer gesagt, weil sie die Sonne wieder zurückholen mussten. Der obere Teil des Kreuzes ist eine Schlaufe und es ist aus Metall. Auf der Oberseite sind diese Zeichen, die Hieroglyphen, eingerizt und eine Schnur ist oben festgemacht. Was mach ich denn nun damit? Was mache ich überhaupt? Ich habe keine Ahnung. Sami und die Rentiere sind weg. "Hallo Lilja", höre ich plötzlich hinter mir jemand sagen. Vor Schreck wäre ich beinahe umgefallen. Ich drehe mich langsam um. Vor mir steht ein schwarzes Etwas mit dem Kopf eines Hundes mit sehr langen Ohren. Er hält auch einen komischen Stab in der Hand. "Wer bist denn du?", frage ich schüchtern. Meine Stimme zittert vor Angst. "Mein Name ist Anubis. Ich begleite die Toten von der Erde zum Reich des Osiris, dem Totengott." "Ich bin tot?!", frage ich entsetzt. Er Hundekopf grinst. "Nein, keineswegs. Dank dem Anch lebst du. Aber das ist gerade das Problem. Es ist meines, ich brauche es wieder." Oh... "Was ist denn mit Sami und den Rentieren?" "Der kleine Mann und die komischen Antilopen? Die sind draussen an der Sonne und warten auf dich." Oh, dem Himmel sei Dank, ihnen geht es gut. "Aber das ist doch das Anchkreuz vom Weihnachtsmann." Anubis kommt auf mich zu und setzt sich vor mir auf den Boden. Er ist immer noch fast so gross wie ich und sein Kopf ist nun genau auf meiner Höhe. "Sami hat das Anchreuz. Ich habe es vor einigen Tagen vor dem Eingang gefunden und gedacht, dass jemand dem Verstorbenen huldigen möchte. Ich habe es in die Grabkammer gebracht. Und als ich eben gemerkt habe, dass ihr euch euer Eigentum zurückholen möchtet, habe ich die Türe geöffnet. Dabei ist mir mein eigenes Anchkreuz zu Boden gefallen." Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob ich diesem Typen trauen kann oder nicht. "Ich bringe dich raus, versprochen." Na gut. Ich reiche ihm sein Kreuz. Dankbar nimmt er es und hängt es an den Gürtel seines komischen Rockes. "Dann gib mir deine Hand", verlangt er. "Ohne Halt bis an die Erdoberfläche, nicht ins Totenreich", rufe ich ihm ins Gedächtnis. Er lächelt. Der Tod kann nicht so schlimm sein, wenn der Seelenbote so nett ist.

Es zischt um mich herum und wir stehen vor der Pyramide. "Wiedersehen Lilja", höre ich die Stimme von Anubis, doch als ich mich umdrehe, ist er schon nicht mehr da.

Another Christmas StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt