Hinten auf den Kufen zu sitzen, während Sami den Blitz aktiviert hat, ist definitiv kein Zuckerschecken. Mit aller Macht klammere ich mich an der Spirale am Ende der Kufe fest. "Samiii! Ist es noch weit?!" Langsam werden nämlich vor lauter Kälte meine Finger klamm. Meine Kleidung ist auch immer noch nass und wird Dank des eisigen Windes ganz steif. Ausserdem werde ich ständig von heftigen Niesern geplagt. "Wir landen gleich!", schreit Sami zurück. Na endlich. Ich merke, wie der Boden immer näher rückt. Je tiefer wir sinken, umso wärmer wird es. Anscheinend sind wir wieder etwas südlicher. Gut, dann kann ich mich aufwärmen und meine Kleidung trocknen. Als der Schlitten nur noch kurz über dem Boden schwebt, hüpfe ich ab.
Wie schon in Tokio befinden wir uns auf dem Dach eines Wolkenkratzers. Dass uns bisher noch keiner gesehen hat, ist definitiv ein Wunder. Immerhin ist es helllichter Tag. Obwohl ich mich fühle, als hätte ich seit Ewigkeiten nicht mehr geschlafen. Sami landet den Schlitten und macht sich sofort daran, die Rentiere abzuspannen. Mein Gott bin ich müde! Und kalt ist mir auch immer noch. Ich glaube ich leg mich eine Weile hin. Einen von Mamas Erkältungstees wäre auch schön aber das geht jetzt halt nicht. "Sami, ich bin super müde und mir ist ... Hatschi! mir ist kalt. Ich glaube ich hab mich erkältet. Ich leg mich eine Weile hin." Sami nickt bloss abwesend während er eine Ballen Heu zerflückt und es vor die Remtiere legt. Ich wühle gerade in der Truhe, um zu meiner Decke noch ein Kissen zu finden, als ich Sami sagen höre: "Komm schon, Lilja, aufgehts!" "Ehm wie jetzt?" Etwas irritiert richte ich mich auf. "Wohin?" "Natürlich in die Stadt. Wir müssen doch das nächste Teil finden." He, was soll denn das jetzt? "Aber ich hab doch grad gesagt, Hatschi! dass ich mich eine Weile hinlege." "So ein Quatsch das kommt überhaupt nicht in Frage!" "Aber gerade hast du doch noch zugestimmt!" Hat er mir denn nicht zugehört?! "Blödsinn." Er hat mir nicht zugehört. So ein Idiot. "Doch natürlich! Ich hab gesagt: 'Sami, ich bin super müde und mir ist kalt. 'Hatschi!' Ich glaube ich hab mich erkältet. Ich leg mich eine Weile hin.' und dann hast du genickt." "Das hab ich mit Sicherheit nicht! Hör auf zu lügen Lilja und komm endlich!" So ein Blödmann! Zuerst hört er mir nicht zu und dann streitet er es auch noch ab! Mehr noch er wirft mir vor, dass ich lüge! "Ich habe nicht gelogen! Ich kann nichts dafür wenn ... Hatschi! Wenn du mir nicht zuhörst. Ich gehe jedenfalls in nächster Zeit nirgends mehr hin!" Damit suche ich weiter nach einem Kissen. "Was? Natürlich wirst du kommen! Auf eine Erkältung können wir keine Rücksicht nehmen!" Was? "Wie auf eine Erkältung können wir keine ... Hatschi! keine Rücksicht nehmen?! Ich bin müde, meine Nase läuft", apropos ich hatte hier doch mal ... ah da! Ich ziehe eine Packung Taschentücher aus meiner Jacke und schnäuze mir erst mal kräftig die Nase. "ich muss ständig niesen, meine Arme und Beine tun weh und vom Kopf fange ich lieber gar nicht erst an. Hatschi!" "Dann hättest du dich eben wärmer anziehen müssen. Das ist ganz allein deine Schuld." Mit diesen Worten dreht sich Sami ruckartig um und marschiert zum Fahrstuhl. "NEIN! Das ist ganz bestimmt nicht meine Schuld! DU hast mich immerhin am Schlitten durch den tiefsten Tiefschnee aller Zeiten geschleift! Wegen DEINER beschissenen Idee sind meine Kleider von oben bis unten nass! Da darf ich mich doch wenigsten für ein paar Stunden hinlegen." "LILJA! Benimm dich gefälligst nicht wie ein kleines Kind! Nur weil du gerade mal keine Lust hast, können wir nicht einfach warten bis das Teil hierher kommt. Denk nicht immer nur an dich!" "Ich?! Ich denke nur immer an mich?! Wer will denn hier bitte unbedingt jetzt durch die Stadt rennen, obwohl es seiner Freundin nicht gut geht?" "Jetzt reichts! Zuerst lügst du mich an und dann wirfst du mir auch noch vor egoistisch zu sein!" "Du bist egoistisch!" "Verlogenes Gör!" "Egoistischer Kobold!" Oje, das wollt ich nicht. Völlig geschockt starrt mich Sami an. Auch ich bringe keinen Ton mehr über die Lippen. Sami löst sich als erster aus seiner Starre. Auf sein Gesicht stiehlt sich ein verletzter Ausdruck. "Aha, das bin ich also für dich. Ein Kobold. Schön, wie du willst." Ohne ein weiteres Wort wendet er sich ab und verschwindet im Aufzug.
Krampfhaft halte ich die Tränen zurück, die sich bereits in den Augenwinkeln zu sammeln beginnen. Energischer als vorher krame ich in der Truhe nach diesem verfluchten Kissen. Als ich es gefunden habe werfe ich es im hintersten Teil des Schlittens auf den Boden und bette meinen Kopf darauf. Ich ziehe meine nasse Hose und den Pulli aus, dann breite ich die Decke über mir aus und rolle mich zu einer Kugel zusammen. Eine Weile kämpfe ich noch gegen die Schluchzer und Tränen an doch irgendwann habe ich keine Kraft mehr dafür. Ich lasse alles raus. Irgendwann bin ich wohl eingeschlafen.
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Another Christmas Story
FantasyAm Montag 1. Dezember hat es Lilja endlich geschafft! Der Schneemann auf dem Hügel hinter ihrem Haus im kleinen Dorf Sillvar ist endlich fertig. Sie will sich gerade auf ihren Schlitten setzen und nach Hause fahren, als sie von einem markerschüttern...