1. Dezember

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So, noch die Nase und mein Schneemann ist fertig. "Lilja! Komm nach Hause! Das Essen ist fertig!" höre ich Mama aus dem Küchenfenster rufen. "Ich komm gleich!", schrei ich zurück. Mamas Kopf verschwindet wieder. Ich drehe mich nochmal um und betrachte zufrieden meinen Schneemann. Ich will gerade den Schlitten nehmen und nach Hause fahren, als ich einen Schrei höre. Er kommt von oben. Als ich hinsehe, kann ich etwas Rotes am Himmel erkennen. Es wird immer grösser und kommt schnell näher. Es ist ein Schlitten! Ein Schlitten der vom Himmel fällt! Das Abendessen ist sofort vergessen. Ich setzte mich auf meinen Schlitten und sause den Hang hinunter. Dort hin, wo der rote Schlitten im Wald verschwunden ist.

Kurz vor dem Wald bremse ich und steige ab. Mama hat mir schon oft gesagt, ich darf nicht bis in den Wald fahren. Das ist zu gefährlich. Also nehme ich die Leine in die Hand und mache mich zu Fuss auf die Suche. Im Wald ist es schon ziemlich dunkel und ich muss gut aufpassen, dass ich nicht stolpere. Nach kurzer Zeit kann ich etwas Rotes durch die Bäume erkennen. Das muss der Schlitten sein. Ich laufe etwas schneller. Je näher ich komme, umso mehr kann ich erkennen. Der Schlitten steht am Rande einer kleinen Lichtung. Auf der einen Seite der Lichtung wirken die Bäume etwas abrasiert und auf der Strecke zum Schlitten liegen jede Menge Äste auf der Wiese. Der Schlitten muss in die Bäume gekracht sein. Auf dem Schlitten steht ein kleines Männchen mit grünen 3/4 Hosen und einem langen grünen Pulli. Um die Hüfte trägt er einen braunen Gurt und auf dem Kopf eine rote Zipfelmütze. Am lustigsten aber sind seine rot-weiss-gestreiften Strümpfe und die spitzen roten Schuhe. Es sieht eigentlich sehr lustig und fröhlich aus.

Plötzlich fängt es an zu fluchen wie ein Rohrspatz. "Verdammte Scheisse, das darf doch wohl jetzt nicht wahr sein! Was ist den mit diesem bekloppten Schlitten los? Beim dicken Bauch des Weihnachtsmanns, der ist ja total kaputt! Und die elenden Rentiere sind auch abgehauen! Wie soll ich denn den Schlitten ohne die Mistviecher nach Hause schaffen? Ach du heiliges Geschenkpapier, der Chef bringt mich um!" Was redet der den da für einen Quatsch von wegen Weihnachtsmann? Den gibt es nicht! Mama und Papa kaufen die Geschenke. Das weiss doch jedes Kind. Das Männchen hat mich noch nicht bemerkt. Ich spreche es, glaub ich, einfach mal an. "Hey, du? Alles in Ordnung bei dir?" Abrupt hört es auf zu fluchen und dreht sich mit einem Ruck zu mir um. Seine Augen weiten sich erschrocken. Dann fängt er sich wieder und setzt seine Tirade fort. "Heilige Geschenkmaschine! Heute geht aber auch alles schief! Was machst du denn hier?!"

"Ich hab einen Schneemann gebaut und dann hab ich gesehen, wie der Schlitten abgestürzt ist." Ich schenke ihm mein Engelslächeln. "Muss eine riesige Schanze gewesen sein, dass du soooooo weit geflogen bist." Das Männchen starrt mich entgeistert an. "Das war keine Schanze. Ich bin geflogen. Wie ein Vogel." "Ein Vogel? Ich habe noch nie einen Vogel abstürzen sehen." Ach, macht das einen Spass. Man kann förmlich sehen wie sein Geduldsfaden langsam zu reissen beginnt. Bemüht ruhig antwortet er: "Ein Vogel kann ja auch selber fliegen und wird nicht von Rentieren gezogen." "Dann bist du ja doch nicht geflogen wie ein Vogel sondern die Rentiere. So nebenbei, wo sind sie eigentlich? Diese fliegenden Rentiere will ich sehen." Unschuldig sehe ich mich auf der Lichtung um. Vorne am Schlitten kann man tatsächlich noch Reste eines Gespanns erkennen. Von den fliegenden Rentieren fehlt allerdings jede Spur. Also wenn man mich fragt, hat der nicht mehr alle Tassen im Schrank.

"Tja ... nun ... das weiss ich auch nicht so genau", gesteht er schliesslich kleinlaut. "Als wir den Hubschrauber gerammt haben, sind die Riemen gerissen und die Rentiere davon geflogen. Und ich, tja und ich hab eine schöne Bruchlandung hingelegt." Frustriert lässt er sich in den Schnee fallen und vergräbt den Kopf in seinen Händen. "Der Chef bringt mich um, der Chef bringt mich um!" Er wiederholt den Satz immer wieder und ich mache mir langsam wirklich Sorgen um seine geistige Gesundheit. Ich lasse meinen kleinen Schlitten stehen und klettere auf den kaputten, grossen roten Schlitten. "Ist das ein grosses Problem, wenn hier überall Teile fehlen?", rufe ich dem kleinen Mann zu. Er springt auf und fuchtelt mit seinen Armen herum. "Komm sofort wieder runter! Du könntest dich verletzen! Und warum fehlen diese verfluchten Teile?" Ich sehe ihn gelangweilt an, doch er tobt weiter. Ich sehe mich noch ein wenig um und will dann runter klettern. Da entdecke ich zwischen den Bäumen eine Herde Elche. "Oh, sieh mal, deine Rentiere kommen zurück.", rufe ich dem Männlein spöttisch zu. Er sieht in die Richtung, in die ich zeige und strahlt auf einmal. "Na, dem Weihnachtsmann sei Dank. Da seid ihr ja endlich. Los vorwärts, wir müssen den Schlitten reparieren.", ruft er den Elchen zu.

Ich möchte gerade anfangen zu lachen, doch dann kommen diese Elche, die, wie ich feststelle, wirklich Rentiere sind, tatsächlich aus dem Schutz der Bäume und beginnen gemeinsam, die herumliegenden Teile einzusammeln. Staunend sehe ich zu, wie das Männlein jedes einzelne Tier begutachtet und mit ihnen spricht, während die andern irgendwo aus dem Schlitten Hammer und Nägel geholt haben. Als sie den Schlitten in kürzester Zeit repariert hatten und der kleine Mann die Rentiere anspannt, löse ich mich aus meiner Starre. "Sag mal, du hast jetzt aber nicht das Gefühl, wir fliegen wirklich?" Erschrocken dreht er sich zu mir um, als hätte er mich vergessen. "Ein 'wir' gibt es so oder so nicht. Du steigst jetzt ab, wir müssen den Schlitten reparieren, sonst kannst du deine Weihnachtsgeschenke vergessen. Mach, dass du da runterkommst." Wie gemein... "Und wenn ich nicht will?", frage ich trotzig. Der kleine Kerl steigt zu mir hoch und steht mir zum ersten Mal gegenüber. "Du glaubst mir also nicht, dass ich jetzt Weihnachten retten muss?" Heftig nicke ich. Endlich hat er gecheckt! "Na gut. Also Kleines. Mein Name ist Sami, ich bin Weihnachtself Nummer 598, seit 74 Jahren im Dienst vom Chef. Du bist... Lilja, kommst aus Sillvik, bist 10 Jahre alt und wünschst dir eine neue Farbschachtel und deinen Papa zurück." Sprachlos sehe ich ihn an. "Nein, das geht nicht! Nur Mama kennt meine Wünsche." Sami schüttelt den Kopf. "Glaubst du mir jetzt?" "Aber aber aber ... Ich hab doch gar keinen Wunschzettel geschrieben! Hast du mir nachspioniert?!" Argwönisch betrachte ich ihn. "Das gibts doch nicht!" Sami verwirft die Arme. "Noch so ein ungläubliges Gör! Wofür der ganze Aufwand?! Und jetzt runter vom Schlitten!" "Aber ich will nicht." Ich setzte meinen Hundeblick auf und schaue ihn mit grossen runden Augen an. "Runter vom Schlitten. Ich hab besseres zu tun als mich stundenlang mit verzogenen Gören zu streiten", knurrt er und deutet neben sich auf den Boden. "Ich bin nicht verzogen!", schreie ich und setze mich aus Protest auf eine der hinteren Sitzreihen. "Na gut. Dann bleib eben da sitzen" Sami klettert auf den vorderen Sitz und schwingt die Zügel. "Auf gehts! Wir müssen die verlorenen Teile finden!" Sofort laufen die Rentiere los. Mit einer wahnsinns Geschwindigkeit rasen wir auf das Ende der Lichtung zu. Die Rentiere stossen sich paarweise vom Boden ab und steigen in die Luft. Panisch reisse ich die Augen auf, kralle ich mich in die vordere Banklehne und schreie los, als der Schlitten mit einem Ruck den Boden verlässt.

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So hier ist es nun! Das heiss ersehnte erste Kapitel!Wir wünschen euch viel Spass beim Lesen und freun uns auf Kommentare, Votes und Kritik.

Liebe Grüsse und eine schöne Adventszeit!Nikki und Lay

Another Christmas StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt