Kapitel 1 (bearbeitet)

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Mein ganzer Körper zitterte vor Wut, meine Hände krallten sich am Treppengeländer fest:"Wie oft noch? Ich will meinen Vater nicht treffen. All die Jahre kam ich auch gut ohne ihn zurecht."
Es klingelte an der Tür, bevor meine Mutter mir wütend etwas entgegnen konnte und ich fühlte wie mein Körper einfror. "Das wird er sein.", murmelte meine Mutter, richtete sich ihre Haare und ignorierte somit alles, was ich zuvor gesagt hatte. Mit einem Schwung riss sie die Tür auf:"Hallo Sherlock. Nett dich wieder zu sehen..." Ihre langsam werdende Stimme verriet mir, dass sich mein Vater nicht vor der Tür befand, doch von meinem Platz auf der Treppe, konnte ich nicht erkennen, wer dort stattdessen stand. "Guten Tag. Meine Name ist Joan Watson. Ich bin die Assistentin von Sherlock und soll Addison abholen.", erklang eine ruhige, sanfte Stimme vor der Tür. "Achso... Ja klar.", erwiderte meine Mutter leicht irritiert und trat zur Seite,"kommen sie doch herein." Im Türrahmen stand eine schwarzhaarige Frau in einen dunkelblauen Mantel und einer gleichfarbigen Mütze, jedoch mit hell rosa Schal. Sie sah so ordentlich aus, nicht wie jemand, der einem ehemaligen Junkie Beistand leistete. "Addison wollte gerade ihre Sachen holen.", erklärte ihr meine Mutter, nachdem sie die Tür hinter der neuen Frau schloss. Ich biss die Zähne zusammen, als sie mir einen warnenden Blick zu warf und stapfte dann mismutig die Treppe hoch. Hoffentlich sah man mir nicht an, dass ich vor Wut geweint hatte. Alles was ich wollte, war, wie jedes Jahr, die Weihnachtsferien mit meiner Mutter zu genießen. Aber ich wäre sowieso die meiste Zeit allein gewesen, denn sie musste, wie jedes Jahr, den Großteil der Ferien arbeiten. Also wurde ich kurzerhand, wie ein Haustier, dass man über den Urlaub abgibt, zu meinen Vater und dieser Assistentin gebracht. Das konnte natürlich nur gut werden. Das erste Mal durfte ich meinen Vater, der sich vorher nie gemeldet hat und von dem ich nichtmals wirklich wusste, dass er existierte, kennenlernen. Ich durfte theoretisch bei einem wildfremden Mann einziehen, der irgendwann wohl mal drogenabhängig war, wie meine Mutter mir erst heute mal kurz erzählte. Danach endeten dann auch schon die Geschichten über ihn und ich empfand die Situation nicht gerade als sehr einladend, geschweige denn vertraulich. Die Begeisterung riss mich also jetzt schon fast von den Socken.
Vor der weißen Holztür, der der Eingang zu meinen Zimmer war, blieb ich stehen und drückte die Klinke herunter. Als ich mein Zimmer betrat, wünschte ich sofort ich hätte es nicht getan, denn als ich es heute morgen nach dem Aufstehen verlassen hatte, sah es definitiv noch anders aus. Haufenweise Kleidungsstücke, Bücher, Magazine, wobei ich nach meiner Kenntnis sowas nicht besaß, und andere Sachen lagen Kreuz und quer in meinen Zimmer verteilt. Eins fiel mir leider direkt ins Auge: ein strahlend pinker Rollkoffer, der sehr gepackt aussah...
Ich konnte nur darauf schließen, dass meine Mutter ihn gepackt hatte, nachdem unser erster Streit endete und sie wütend die Küche verlassen hatte. Auf dem Koffer lag meine dunkle Sporttasche, die ich zwischendurch für Kurztrips als Reisetasche benutzte, ebenfalls voll gepackt. Das hatte sie raffiniert gemacht, das musste ich ihr lassen... Vorsichtig stieg ich über die auf dem Boden verteilten Sachen und trat auf meine Reisesachen zu. Hinter dem Koffer, was ich von der Tür aus nicht hätte sehen können, lag mein Lieblingspulli, ein großer schwarzer Hoodie mit großer Bauchtasche und riesiger Kapuze. Darauf lag eine Tafel Schokolade und meine Kopfhörer, von denen meine Mutter wusste, dass ich ohne sie das Haus nicht verlassen würde. Ich seufzte, sie versuchte mir den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.
Gerade griff ich nach meiner Sporttasche, um einen Blick hinein zu werfen, als meine Mutter nach mir rief:"Addison? Ms Watson hat wenig Zeit. Beeil dich bitte!" Mein Herz wurde schwer bei dem Gedanken zu gehen und sie allein zu lassen. Langsam griff ich nach meinen Hoodie und zog ihn einfach über den dünnen Strickpulli, den ich bereits an hatte. Ich zog mir die Kapuze auf, legte Kopfhörer, Schokolade und mein Handy aus meiner Hosentasche in die Bauchtasche und griff nach den Koffer und der Tasche. Der Koffer riss mich fast mit sich zu Boden, als ich ihn vom Bett zog. Dafür, dass er so klein war, war er erstaunlich schwer.
Ich zehrte ihn mühsam hinter mir die Treppe runter und ließ mein Gepäck vor den beiden wartenden Frauen stehen, während ich zur Garderobe stapfte und mir Schuhe und Mantel anzog. Meinen Schal klemmte ich mir lediglich unter dem Arm. Als ich mich umdrehte lächelte Ms Watson mich freundlich an, aber ich wandte den Blick genervt ab. Einschleimen brauchte sie sich nicht bei mir. Ich hörte Schritte auf dem Parkett, als ich meinen Blick wieder hob, stand meine Mutter vor mir. Ihre Augen strahlten so eine Traurigkeit aus, dass mir langsam wieder Tränen in die Augen stiegen. Wortlos drückten wir uns aneinander, der Abschied viel uns beiden genauso schwer und ich hoffte nur, dass sie nicht noch anfangen würde zu weinen, denn dann würde ich unfreiwillig mitmachen. "Schick mir doch eine Karte.", murmelte sie, bevor sie sich langsam von mir entfernte. Ich nickte bedrückt, während sich ein dicker Klos in meinen Hals bildete. Kurz war es still, während meine Mutter und ich uns traurig anschauten, als Ms Watsons sanfte Stimme erklang:"Okay, ich glaube wir sollten jetzt gehen. Addison nimmst du bitte deinen Koffer?" Ich nickte und ergriff meinen Koffer erneut, meinen Mutter öffnete währenddessen die Tür und Ms Watson trat bereits heraus in die kalte Morgenluft. Langsam zog ich meinen Koffer in Richtung Haustür, während ich den Boden betrachtete. Trotzdem spürte ich den traurigen Blick meiner Mutter auf mir, aber ich wollte sie nicht noch einmal anschauen. "Auf Wiedersehen.", sagte Ms Watson höflich, bevor sie die Treppen hinunter stieg und zu einem schwarzen Wagen trat. Sie öffnete den Kofferraum und sah mich erwartungsvoll an. Ich zehrte meinen Koffer also erneut ein paar Treppenstufen hinunter, während er fröhlich hinter mir her polterte und schmiss ihn beinahe in den Kofferraum. Ms Watson legte meine Sporttasche, beinahe demonstrativ behutsam daneben und ich legte ebenso behutsam meinen Schal darauf, was sie hoffentlich als alberne Nachäffung auffaste. Sie schloss den Kofferraum als ob nichts geschehen wäre und trat dann zur Fahrertür, während ich zur Beifahrertür schlurfte. Ich drehte mich noch einmal zu unserer Wohnung um, meine Mutter stand im Eingang und lächelte leicht, während sie mir winkte. Ich lächelte leicht zurück und stieg dann in den Wagen. Ms Watson startete den Motor und wir fuhren los. Auf dem Weg zu meinen seltsamen Vater, denn ich bin, wie meine Mutter immer sagte, die Tochter eines "besonderen" Menschen

Die Tochter eines "besonderen" MenschenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt