Kapitel 3 (bearbeitet)

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"Hier sind wir.", sagte Ms Watson, während sie den Motor ausmachte. Sie stieg bereits aus dem Wagen aus, während ich noch immer im Sitz saß, meine Hand an den metalernen Türgriff geklammert. Wie sehr ich es auch versuchte zu verneinen, ich hatte Angst. Ich atmete mehrmals tief durch, aber das beruhigte mich ganz und gar nicht. Es bezweckte eher das Gegenteil und mein Atem verschnellerte sich unweigerlich. Nichts schlimmes wird passieren, redete ich mir ein und drückte die Autotür endlich auf. Meine Beine zitterten leicht, während ich zu Ms Watson lief, die währenddessen meinen Koffer und meine Sporttasche aus den Kofferraum geholt hatte und sie vor die Treppen, die zur Haustür führten, hingestellt hatte. Erwartungsvoll sah sie mich an. "Kommst du?" Ich nickte nur, Tränen stiegen unweigerlich in mir auf. Ich konnte nicht erklären, warum ich so Angst hatte, ich hatte es einfach. Ich musste aufpassen, dass ich fürs erste nichts sagte oder ich würde komplett in Tränen ausbrechen. Freundlicher Weise zerrte Ms Watson mein Gepäck die Treppen hoch, während ich mit meinen eigenen Gewicht zu kämpfen hatte. Ich krallte mich am steinernen Geländer der Treppen fest, während ich langsam einen Schritt nach dem anderen die Treppen hochstieg. Auf einmal hatte ich Angst, dass ich plötzlich die Treppen runter fallen könnte, weil ich das Gleichgewicht verlieren würde.
Kurz bevor ich die oberste Stufe erreicht hatte, öffnete sich die Haustür von selbst und die kerzengerade Statur eines Mannes mittleren Alters stand im Türrahmen und begutachtete mich von oben bis unten.
Das war also mein Vater, dachte ich etwas enttäuscht. Sein Haaransatz war bereits zurück gegangen, aber sein Blick war klar. Er war nicht sonderlich groß und hatte auch sonst mit seinem schlichten Anzug nichts besonderes an sich. Was meine Mutter damals an ihm fand, war mir ein Rätsel.
"Watson, bringen Sie das Gepäck meiner Tochter in ihr neues Zimmer und nehmen Sie sie gleich mit. Wir müssen los. Der Kapitän hat angerufen. Wir werden gebraucht.", er sprach, als ob er mich gar nicht als Person wahrgenommen hätte, was mir unweigerlich einen kleinen Stich ins Herz versetzte. Ms Watson schaute ihn verdutzt an, nickte jedoch leicht nach kurzer Zeit:"Addison, kommst du bitte mit?" Sie ging an ihm vorbei, als er mit einem großen Schritt zur Seite trat. Ich folgte ihr unweigerlich, vermied jedoch jeglichen Blickkontakt, als ich an meinen Vater vorbei lief. Stattdessen starrte ich auf den hellen Parkettboden, der makellos sauber war, nur ein paar Schuhe standen links an der Wand, wo sich eine Garderobe befand.
Ich beschloss meine Jacke und meine Schuhe anzubehalten, denn sie verschafften mir eine Art Sicherheit, die ich jetzt dringend brauchte.
Ich marschierte die dunkle Holztreppe, die sich am Ende des Flurs befand, hoch. Ms Watson stand vor einer altmodischen Tür links direkt neben der Treppe, die genau die gleiche Farbe, wie die Treppe hatte. "In diesem Zimmer kannst du fürs erste wohnen. Das Badezimmer ist auf der linken Seite, wenn du den Gang runter gehst.", sagte sie. Das Gepäck hatte sie bereits vor die Tür gestellt. Sie lächelte mir noch einmal aufmunternd zu und lief dann eilig die Treppe wieder herunter. Dann hörte ich nur noch wie die Tür ins Schloss fiel und alles still wurde. Es war so still, dass man eine Stecknadel, die auf dem Boden fällt, hätte hören können. Aber ich hörte keine Stecknadel, ich hörte nur meinen eigenen Atem. Ich schluckte schwer, so allein in einem mir unbekannten Haus war es schon ein wenig unheimlich. Aber meine Angst hatte sich in der Zwischenzeit beruhigt und ich hatte langsam wieder ein Gefühl in meinen Beinen. Jetzt, wo Ms Watson und mein Vater weg waren, konnte ich meine Gedanken wieder ordnen.
Ich drückte die Türklinke zu meinen neuen Zimmer herunter und schob mein Gepäck hinein. Das Zimmer war nicht sonderlich groß, besaß aber eine hohe Decke. Ein breiter Schrank stand auf der linken Seite, auf der gegenüberliegenden Seite stand ein breites Bett, was mit einem weißen Bettlaken bezogen war. Als ich zu den zwei breiten Fenster, die am Ende des Raumes waren, lief, sah ich, dass sie auf den hinteren Garten des Hauses hinaus zeigten, der meiner Meinung nach sehr klein war.
Ich drehte mich von den Fenster weg und kramte mein Handy, die Kopfhörer und die Schokolade aus meiner Tasche und schmiss sie erstmal aufs Bett. Dann begann ich mein Gepäck zu öffnen und endlich zu begutachten, was meine Mutter mir alles eingepackt hatte. Ich überlegte, ob ich meine Sachen in den Schrank räumen sollte oder nicht, entschied mich jedoch erstmal dagegen.

Die Tochter eines "besonderen" MenschenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt