Jeongin
Nachdem meine Mutter Felix herausgeworfen und mich ordentlich ausgeschimpft hatte, was ich mir dabei gedacht hatte, diesen 'Flegel' ins Haus gelassen zu haben, hatte ich mich in mein Zimmer eingeschlossen und war zu Bett gegangen. Sie hatte mir mein Handy abgenommen, weshalb ich Felix nicht hatte schreiben können, aber zumindest würde ich es heute Abend wieder zurückbekommen. Aus diesem Grund hatte ich mich schlafen gelegt, in der Hoffnung, so schnell den Tag hinter mich zu bekommen.
Geklappt hatte es dennoch nicht.
Gegen Nachmittag war ich bereits wieder aufgewacht und somit saß ich seit über einer Stunde in meinem finsteren Zimmer, schaute irgendwelche Videos und schlug die Zeit tot. Meine Ungeduld und die angestauten Gefühle machten mich nervös und ließen mich alle zwei Sekunden auf die Uhr sehen, doch ich hatte keine andere Wahl, als zu warten. Erst heute Nacht würde ich wieder mit Felix reden können, dann würde ich endlich seine Worte erwidern können und ihm sagen können, wie unglaublich glücklich ich über seine Worte war.
Schließlich hatte er mir gesagt, dass er mich liebte. Lee Felix liebte mich.
Das war zu schön, als dass es wahr sein konnte.
Allerdings wusste ich nicht, was meine Eltern davon halten würden. Ich kannte ihre Einstellung zu diesem Thema nicht, ich hatte keinen Ahnung, ob sie es akzeptieren oder mich dafür verachten würden. Deshalb mied ich auch den Kontakt zu ihnen, denn zuerst musste ich mit Chan darüber reden. Das war mir gerade alles zu viel, ich konnte mir nicht erlauben, etwas zu riskieren.
Und erst recht durfte ich Felix' Liebe nicht verlieren. Diese war mir am allerwichtigsten. Und verdammt, ich musste sie erwidern. Ich musste sie erwidern und ihn küssen. Das war alles, was ich wollte...
"Jeongin? Gerade ist ein Brief angekommen", vernahm ich auf einmal die Stimme meiner Mutter und hob irritiert meinen Kopf an. Yuseong hörte auf zu schnurren, ich hatte sie bis eben gekrault und mit kraus gezogener Stirn beobachtete ich, wie meine Mutter zu mir kam. Sie reichte mir einen Brief und verließ dann ohne ein weiteres Wort mein Zimmer, was mich irgendwie skeptisch und unsicher machte. Vorsichtig warf ich einen Blick auf den ungeöffneten Brief, packte ihn dann langsam aus und zog das linierte Papier heraus, wobei mich ein unwohles Gefühl heimsuchte.
Jeongin,
Es tut mir leid, dass ich dir das nicht persönlich sagen kann, aber ich glaube, so ist es für uns beide besser. Meine Worte von gestern, dass ich dich lieben würde, sind eine reine Lüge und waren nur als Scherz gemeint. Ich wollte dich aus dem Konzept bringen, schließlich war es der perfekte Moment, und dich bloß stellen, so gemein es auch klingen mag, aber es ist die Wahrheit.
Es ist lächerlich, wie viele Boyslove Manga du besitzt und es ist noch viel lächerlicher, dass du diesen Schwachsinn tatsächlich glaubst. Es ist ekelhaft, wenn ein Junge einen anderen Jungen liebt und gerade so jemand wie ich würde sich niemals auf dieses Niveau herab begeben. Sorry, Kleiner, aber das habe ich echt nicht nötig.
Du hattest recht, als du meintest, wir sollen den Kontakt abbrechen. Es ist besser so, für uns beide. Dann muss ich mich nicht mehr um dich kümmern, muss nicht mehr deinen dämlichen Babysitter spielen und du wirst vielleicht endlich erwachsen werden. Ja, Jeongin, werd erwachsen und verstehe, dass die Welt nicht so funktioniert, wie du es dir wünschst. Nicht jeder, der herzieht und mit dir redet, wird die Liebe deines Lebens werden.
Ach ja, und in einer Sache hast du auch noch recht: Es war ein Fehler, dass wir so viel Zeit zusammen verbracht haben. Das war alles so unnötig und nervenaufreibend. Aber jetzt ist es ja endlich vorbei. Zum Glück. Dann kann ich mich wieder auf die Schule konzentrieren, wovon du mich ja immer abgehalten hast.
Machs gut, Jeongin. Vielleicht sieht man sich irgendwann wieder, auch wenn ich es bezweifle und nicht hoffe.
Felix
Fassungslos starrte ich den Brief an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Tränen flossen über meine Wangen und tropfte auf das Papier in meiner Hand, während ich das Gefühl hatte, dass mein Herz in einem tiefschwarzen Loch verloren ging. Von allen Seiten wurde es mit Schwertern angegriffen und zerschnitten, tiefe Wunden bildeten sich in meinem wertvollsten Organ und ich spürte, wie das Blut schmerzhaft aus den Wunden quoll.
Hatte ich mich tatsächlich so sehr in Felix getäuscht, dass ich nicht bemerkt hatte, dass alles von vorne bis hinten eine Lüge gewesen war? Aber es machte Sinn... aus diesem Grund hatte er mich nie geküsst und bestimmt hatte er auch meine Mutter gesehen gehabt. Es war alles sein Plan gewesen, sein Ziel von Anfang an.
Und trotz dieser logischen Erkenntnis - oder gerade wegen dieser -, zerbrachen alle Hoffnungen und positiven Gefühle in mir, sodass nur die pechschwarze Leere zurückblieb. Und ich konnte nicht einmal jemanden anrufen, weder Chan, noch Hyunjin, noch sonst wen... ich war ganz auf mich allein gestellt... auf mich allein... ganz allein...
"I-Ich hasse d-dich, Lee Felix... s-so verdammt s-sehr..."
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Sunrise ★ Jeonglix
FanfictionWer sein ganzes Leben in der Dunkelheit verbracht hat, der glaubt nicht mehr an das Licht. So ergeht es Jeongin, der sich sein Leben lang vor der Sonne verstecken muss und nur nachts die Welt erkunden kann. Wirklich Hoffnung im Leben trägt er nicht...