🌑•Night Eight•🌑

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Jeongin

Mit großen Augen schaute ich schweigend zu dem Jungen hoch, der soeben aus seinem Haus und über die Straße zu mir gekommen war. Ich wusste nicht, was ich von ihm halten sollte oder was ich sagen sollte, es machte mir irgendwie Angst, ihn hier in der Dunkelheit zu treffen. Sonnenuntergang war endlich vorbei, weshalb ich wieder nach draußen gehen konnte und hier auf meine Eltern warten. Meine Mutter hatte eben noch einen Anruf bekommen, deshalb brauchten die beiden noch etwas Zeit und ich musste solange warten.

"Hey", begrüßte ich Felix einfach leise, nachdem er sich vorgestellt hatte. Zugegeben, ich mochte seine Stimme, sie hatte einen angenehm warmen und tiefen Klang. Aber so gern ich auch andere Freunde haben wollte, ich hatte Angst davor, mich mit ihm anzufreunden. Ich wollte nicht, dass auch er sich meinen Leben anpassen musste und sich selbst verbiegen, nur, damit ich glücklich war. Das war nicht okay. Das war scheiße. So sollte keine Freundschaft funktionieren.

"Ähm... d-darf ich... zu dir... setzen mich?", versuchte er eine gescheite Frage zu formulieren und tatsächlich musste ich ein klein wenig lächeln. Es war süß, wie viel Mühe er sich mit koreanisch gab und wie sehr er sich anstrengte, mit mir ein Gespräch führen zu können, weswegen ich nun leicht nickte und etwas zur Seite rückte.

"Klar. Hab keine Angst", antwortete ich ihm auf englisch. Da er aus Australien war, sprach er wahrscheinlich fließend englisch und ich war wirklich froh darüber, dass Chan versucht hatte, mir diese Sprache beizubringen. Ich war vermutlich genauso gut darin, wie er in Koreanisch, vielleicht auch ein bisschen besser, aber es sollte genügen, damit wir uns etwas unterhalten konnten. Auch wenn ich immer noch nicht sonderlich scharf darauf war.

"Du sprichst Englisch?", fragte mich Felix verwirrt, sprach dieses Mal selbst seine Muttersprache und direkt hörte ich den besonderen Akzent dieses kleinen Kontinents. Chans Freundin sprach ebenfalls mit diesem und mittlerweile hatte Chan ihn sich auch angewöhnt, daher erkannte ich ihn und nun bildete sich doch ein Lächeln auf meinen Lippen. Ich liebte diesen Akzent so sehr, er klang so schön.

"Ein bisschen", grinste ich leicht und versuchte mich nun ganz auf ihn zu konzentrieren, um meine Traurigkeit über das Ende des Telefonats mit Hyunjin zu vergessen. Er sollte nicht merken, dass es mir nicht so gut ging und ich wollte auch wirklich ungern anfangen zu weinen, solange er bei mir war. Schließlich würde ich danach noch mit meinen Eltern weggehen und da waren Tränen absolut unbrauchbar.

"Oh, okay", lächelte Felix etwas verlegen und fuhr sich mit seiner Hand durch seine hellen Haare, ehe er mir ein verschmitztes Grinsen zuwarf. Ich musterte ihn einfach, betrachtete seine vielen, niedlichen Sommersprossen und die dunklen Augen, die mich herzlich anblickten. Ich bezweifelte irgendwie, dass er mir etwas böses wollte, wenngleich ich nachts auch Angst vor fremden Leuten hatte, weil ich sie schlicht und ergreifend nicht erkannte, doch hier in dem sanften Licht unserer Lampe hatte er irgendetwas vertrautes an sich.

Das musste wohl an Chan liegen.

"Was machst du hier draußen, Jeongin? Ach ja, ich kenne deinen Namen übrigens wegen Hyunjin, er hat mir ein bisschen von dir erzählt", meinte Felix. Ihm war anzusehen, wie wohl er sich fühlte, englisch reden zu können und ich gab mir Mühe, alles zu verstehen, was etwas schwierig war. Der Australier redete so schnell und es schwang so viel Euphorie in seiner tiefen Stimme mit, dass ich mich ziemlich konzentrieren musste. Zum Glück war ich eine Nachteule, wodurch ich nachts ohnehin aktiver und aufmerksamer als tagsüber war.

"Ich... äh...", versuchte ich anzufangen, jedoch waren mir alle Worte entfallen. Nachdenklich schaute ich deshalb in die Luft und überlegte, wie ich sagen konnte, was ich hier machte. Dabei fielen mir Worte von meinem Bruder ein, die er mir einmal gesagt hatte und ich versuchte sie im Kopf zu behalten, damit ich eine Antwort auf eine Frage haben würde, die sicherlich noch kommen würde. "Ich warte zu meinen Eltern", sagte ich dann stolz, war froh darüber, dass mir die richtigen Worte eingefallen waren und ich sogar die richtige Reihenfolge genutzt hatte. Aber dennoch fing Felix an zu schmunzeln, was er schnell wieder zu unterdrücken versuchte.

Hatte ich etwa einen Fehler gemacht?

"Okay", lächelte er und lehnte sich gegen die Tür hinter uns. Mit großen Augen beobachtete ich ihn dabei und musterte seine Kieferpartie, die eine wirklich schöne Form hatte. Er konnte durchaus mit Hyunjin mithalten, was das Aussehen anging. "Und du?", fragte ich nun rasch, nutzte nur diesen kurzen Satz, damit ich ja keinen weiteren Fehler machte. Das würde mich nur in Verlegenheit bringen.

"Ich versuche meinen Eltern zu resistieren", erwiderte er schulterzuckend und verwirrt blinzelte ich einmal. Was hatte er gesagt? "Huh?", gab ich eher versehentlich von mir und zog damit wieder seine Aufmerksamkeit auf mich. Leicht legte er seinen Kopf schief, schien dann aber zu verstehen, dass ich nicht wusste, was er gesagt hatte und versuchte sich dann mir zuliebe an koreanisch.

"Ich versucht meinen... äh... E-Eltern durch den Weg heraus zu gehen...", brachte er zusammen und sah nachdenklich in die Luft. Offensichtlich hatte er keine Ahnung, wie er diese Worte benutzen sollte, er hatte sie noch nicht wirklich gelernt. Doch das war nicht schlimm, ich verstand, worauf er hinaus wollte und fing darum leise an zu kichern. Seine Aussprache klang so niedlich, auch wenn wir beide Schwierigkeiten hatten, war das irgendwie lustig.

"Verstehe", grinste ich dann und sah Felix mit weniger tristen Augen an. Tatsächlich war es ihm gelungen, mich etwas aufzumuntern und ich fühlte mich sogleich etwas befreiter. Es war schön, mal mit jemand anderem reden zu können und nicht immer nur dieselben Leute um mich herum zu haben. Es war viel spannender und sogar meine unterschwellige Nervosität war inzwischen komplett verraucht.

"Warum bist du eigentlich... so?", versuchte der blonde Australier wieder, ein Gespräch anzufangen, nachdem er ein wenig überlegt hatte, wie er es formulieren sollte. Es war zwar dennoch etwas unverständlich, aber da ich wusste, worauf er hinauswollte, verstand ich, was er mich gefragt hatte. Doch bevor ich ihm antworten konnte, hörte ich auf einmal meine Eltern nach mir rufen und sah, wie sich die Garage öffnete. Nun, das bedeutete wohl, dass ich los musste. Leider. Darum stand ich nun auf und sah, wie er es mir gleich tat, wohl etwas enttäuscht darüber, dass er nun keine Antwort mehr bekommen würde. Aber das war nicht der Fall. Immerhin hatte Chan mich einen sehr hilfreichen Satz gelehrt, weshalb ich ein Grinsen aufsetzte und damit meine - von mir selbst angespitzten - Zähne zeigte, bevor ich gehen musste.

"Ich bin ein Vampir."

Sunrise ★ JeonglixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt