Jeongin
Irgendetwas in mir hatte gehofft, dass der Brief eine Lüge gewesen war. Irgendetwas in mir hatte gehofft, dass Felix mich doch liebte und das alles einfach nur ein schlechter Scherz war. Irgendetwas in mir hatte gehofft, dass Felix wiederkommen oder sich zumindest bei mir melden würde. Dass er vielleicht heute Nacht zu mir gekommen und alles klar gestellt hätte.
Doch das alles war nicht passiert. Seit dem gestrigen Tag und dem Brief von Felix hatte ich nichts mehr von dem Australier gehört. Stattdessen war ich sogar von ihm blockiert worden, wie ich gestern Abend hatte feststellen dürfen und das war es, was die Scherben meines Herzens in einen Scheiterhaufen geworfen und verbrannt hatte. Das war es, was mich völlig zerstört und zu Boden geschmissen hatte.
"Ich kann nicht glauben, dass er tatsächlich so eine Scheiße abgezogen hat", knurrte Hyunjin. Ihm war anzusehen, wie verdammt sauer er war, selbst über den kleinen Bildschirm meines Handys konnte ich die Flammen in seinen Augen erkennen. Wir telefonierten gerade nur, weil mein bester Freund sich eigentlich mit Minho hatte treffen wollen und es noch helligter Tag war. Jedoch hatte ich ihm erzählt, was Felix mir angetan hatte und daraufhin war er so sehr ausgerastet, dass er alle seine Pläne über den Haufen geworfen hatte.
Gestern Nacht hatte ich mich bereits bei meinem großen Bruder ausgeheult, der tatsächlich die ganze Zeit über bei mir geblieben war. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie müde er heute sein musste, aber zumindest konnte er daheim bleiben und den Schlaf nachholen. Falls seine eigene Wut das zuließ, denn er war mindestens genauso sehr enttäuscht von Felix gewesen, wie Hyunjin es gerade war.
Nur hatte er es weniger intensiv zum Ausdruck gebracht, da er viel mehr versucht hatte, mich wieder aufzumuntern.
"Ich war eben zu naiv...", erwiderte ich leise und unterdrückte ein Schluchzen. Obgleich ich wahrscheinlich seit gestern dauerhaft durchheulte. Ich war wirklich so erbärmlich, wie Felix mich bezeichnet hatte. Ich glaubte daran, dass mein Traumprinz um die Ecke kommen würde und mich auf Händen tragen, dabei war das alles nur eine Lüge. Lügen, Märchen, alles dasselbe. Es waren nur Geschichten, die uns glücklich machen und an Liebe glauben lassen sollten.
Doch das echte Leben war so viel schlimmer und grausamer.
"Nein! Jeongin, du warst nicht zu naiv, hör auf, dir so etwas einzureden! Was Felix dir geschrieben hat, war einfach nur asozial, meine Fresse, ich würde am liebsten zu ihm gehen und ihm eine reinhauen! Was denkt er sich, so eine verfickte Scheiße bei dir durchzuziehen? Nur, weil du nicht mit uns zur Schule gehst und oft allein bist? Oh nein, da hat er sich gewaltig geschnitten. Es reicht mir einfach, oh man, ich würde ihn so gern umbringen und- Jeongin?" Hyunjin unterbrach sich selbst, kaum hatte er meine Tränen bemerkt und mit großen, besorgten Augen betrachtete er mich. Die Wut verrauchte augenblicklich und Sorge erschien an ihrer Stelle.
"Jeongin, wein bitte nicht", meinte er sofort und rutschte näher an das Handy heran. Sein hübsches Gesicht wurde immer größer und ich erkannte sogar den Fleck unter seinem Auge klar und deutlich. Dennoch konnte ich nicht aufhören zu weinen, ich konnte weder lächeln, noch lachen, stattdessen wurden meine Schluchzer nur viel lauter und ich schlug meine Hände vor mein Gesicht.
So sehr ich es auch versuchte, so stark war der Herzschmerz und zu betrogen fühlte ich mich. Ich hatte Felix vertraut, hatte mich ihm hingegeben und ihm alles von mir geschenkt. Er war mein Held gewesen, die Person, auf die ich mich jeden Tag am meisten gefreut hatte und die meine Dunkelheit zum Leuchten gebracht hatte. Doch er hatte sich von mir abgewandt und mir die bittere, kalte Wahrheit gezeigt. Die Schatten, die mir durch die Dunkelheit die ganze Zeit über verborgen gewesen waren und die erst vom Licht enthüllt wurden.
Und nun fühlte ich nur noch diese schwarze Leere in mir, die mich mehr und mehr aufsaugte und den Tränen freien Lauf ließen.
"Ich kann das nicht mitansehen, Jeongin. Es tut mir so weh, dich so zerbrochen zu sehen... ich komme vorbei, ja? Und dann werden wir ganz viele Filme zusammen schauen. Ich lasse dich nicht allein, Kleiner."
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Sunrise ★ Jeonglix
FanfictionWer sein ganzes Leben in der Dunkelheit verbracht hat, der glaubt nicht mehr an das Licht. So ergeht es Jeongin, der sich sein Leben lang vor der Sonne verstecken muss und nur nachts die Welt erkunden kann. Wirklich Hoffnung im Leben trägt er nicht...