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Lustlos zappte er sich er von einem Sender zum nächsten, ohne dabei länger als nur ein paar Sekunden an einem der gezeigten Inhalte hängen zu bleiben. Es war einer dieser Sonntage, an denen er nicht wirklich etwas mit sich anzufangen wusste, weshalb er sich schliesslich irgendwann mehr liegend als sitzend auf seiner Couch wiedergefunden hatte, in der einen Hand eine Schale mit Müsli, in der anderen die Fernbedienung, die er nur aus der Hand gab, um sich einen Löffel der mit Milch getränkten Getreideflocken in den Mund zu schieben.

Es hätte bestimmt sinnvollere Dinge gegeben, mit denen er sich hätte beschäftigen können – seine Wäsche waschen zum Beispiel, in seinem Schlafzimmer stapelte sich nämlich bereits seit geraumer Zeit ein Haufen mit dreckiger Kleidung auf dem Boden, der von selbst ganz bestimmt nicht kleiner wurde – nur fehlte ihm dazu gerade jegliche Motivation. Er würde es morgen machen! Oder vielleicht auch erst am Tag darauf, Byeongkwan wollte sich da jetzt noch nicht so genau festlegen. Wo blieb denn da sonst der Überraschungseffekt?

Er wechselte gerade wieder den Sender (die Dokumentation über Seegurken interessierte ihn dann doch zu wenig), als er glaubte das Klicken seiner Haustür zu vernehmen. Verwundert richtete er sich auf und stellte die Müslischale auf dem kleinen Beistelltisch neben der Couch ab. Eigentlich konnte es sich bei demjenigen der sich da gerade ungefragt Zutritt zu seiner Wohnung verschaffte nur um eine Person handeln – zwei, wenn man bedachte welch schlechten Einfluss Junhee in letzter Zeit auf Yuchan  ausübte. Es war Byeongkwan noch immer ein Rätsel, wie die beiden an den Schlüssel zu seiner Wohnung gekommen waren (und wieso es jetzt anstelle von dem einen Exemplar gleich drei davon gab).

Bevor er sich allerdings weiter darüber Gedanken machen konnte, war Junhee bereits im Türrahmen aufgetaucht. In einer Hand hielt er einen Regenschirm, an dessen beschichteten Oberfläche nun das übrig gebliebene Regenwasser abperlte und auf den Boden tropfte, wo sich auch sogleich eine kleine Pfütze bildete. Bei Junhee selbst sah es auch nicht besser aus. Er war wohl trotz Schirm ordentlich nass geworden. Auf seiner Jeans konnte man deutlich die dunklen Stellen erkennen, an denen der Stoff durch den Regen durchnässt wurde. »Was für ein Mistwetter«, maulte er anstelle von einer Begrüssung und strich sich die nassen Haare aus der Stirn.

Im Stillen gab Byeongkwan dem anderen Recht. In den vergangenen Tagen war die Temperatur deutlich gesunken, allerdings nicht genug, als das es schneien würde. Dafür regnete es aber quasi ununterbrochen und so wie es aussah war wohl so schnell auch nicht mit einer Besserung zu rechnen.

»Du tropfst meine Wohnung voll«, entgegnete er stattdessen trocken und deutete vielsagend mit seinem Kopf auf die grösser werdende Pfütze zu seinen Füssen. Junhee blickte nach unten, ehe er belustigt den Kopf schüttelte und etwas vor sich hin murmelte, was ganz verdächtig nach Diva klang. Byeongkwan schnappte mit gespielter Empörung nach Luft. Insgeheim freute er sich natürlich über den Besuch des Älteren, auch wenn dieser für ihn etwas überraschend kam.

»Hattest du für heute nicht eigentlich bereits andere Pläne?« Er beobachtete wie der andere sich seiner Jacke entledigte, die nicht minder nass geworden war, als der Rest von ihm. »Mh ja, die sind wortwörtlich ins Wasser gefallen«, erwiderte Junhee und kicherte leise über seinen eigenen Witz. Byeongkwan verdrehte bloss die Augen.

»Wie dem auch sei, ich habe mir also Yuchan geschnappt und hier bin ich.« Er machte eine ausladende Handbewegung, wohl um seine Anwesenheit damit zu unterstreichen. Byeongkwan nickte, auch wenn ihm der andere gerade ein ziemliches Rätsel aufgab. »Das sehe ich. Und wo ist Yuchan?«

Junhee wirkte für einen kurzen Moment verwirrt, doch dann klärte sich sein Blick. »Den habe ich irgendwo unterwegs verloren«, erklärte er, ehe er bedauernd mit den Schultern zuckte.  »Du weisst ja wie die jungen Leute heutzutage sind, ständig auf der Suche nach einem neuen Abenteuer. Aber keine Sorge, ich bin mir sicher, der wird in Kürze hier auftauchen.«

Byeongkwan verzog das Gesicht. »Achso«, murmelte er nur wenig begeistert. Wenn Junhee sagte, dass Yuchan auf der Suche nach einem neuen Abenteuer war, dann hiess das in der Regel, dass sie unterwegs einem hübschen Mädchen über den Weg gelaufen waren und er nun versuchte diesem seine Nummer abzuknöpfen. Junhee behauptete gerne, dass Yuchan sich wohl gerade in seiner rebellischen Teenagerphase befand (was natürlich nicht stimmte, aus ihren Teenagerjahren waren sie alle schon eine ganze Weile raus, aber Junhee rieb Yuchan ganz gerne unter die Nase, dass er der Jüngste von ihnen war) und er sich deshalb noch nicht auf eine ernsthafte Beziehung einlassen wollte und gefühlt jede Woche mit einem neuen Mädchen anbändelte.

Er seufzte leise. Er hatte nicht vor sich in die Angelegenheiten seines Freundes einzumischen, das bedeutete aber noch lange nicht, dass er guthiess was Yuchan da abzog, während es Junhee schlichtweg egal war.

»Und woher wusstest du eigentlich–«, setzte er an, um das Thema zu wechseln, wurde aber sogleich von einem breit grinsenden Junhee unterbrochen. »Dass du kurz davor bist vor Langeweile einzugehen und dringend eine Aufmunterung brauchst?« Byeongkwan nickte. So hätte er es zwar nicht formuliert, aber eigentlich war es ganz zutreffend.

»Du hast unter einem Bild, dass ich vor zwei Jahre auf Instagram gepostet habe, kommentiert, dass du den Sommer vermisst.« Er machte eine bedeutungsschwangere Pause, während er ihn mit einem anklagenden Blick bedachte, ehe er fortfuhr. »Damit bist du wirklich tief gesunken mein Lieber und das kann eigentlich nur zwei Dinge bedeuten – du warst entweder zu Tode gelangweilt oder aber du hast mich gestalkt. Oder vielleicht war es eine Mischung aus beidem zusammen?« Er tippte sich nachdenklich ans Kinn, so als würde er diese Möglichkeit tatsächlich in Erwägung ziehen.

»Treibs nicht zu weit Park Junhee – es sei denn du willst, dass ich dich gleich wieder vor die Tür setze«, knurrte Byeongkwan mit drohendem Unterton in der Stimme. Der andere riss erschrocken die Augen auf. »Hast du denn gar kein Erbarmen mit deinem besten Freund? Wenn du mich in diese Zustand auf die Strasse schickst, hole ich mir den Tod!«, schimpfte er und griff sich in einer dramatischen Geste an seine Brust. »Du hast mich gerade wirklich tief verletzt!«

Byeongkwan verdrehte die Augen. »Mach das du unter die Dusche kommst, ich werde dir ein paar trockene Klamotten raussuchen«, grummelte er und sofort zeichnete sich auf dem Gesicht des anderen ein zufriedenes Grinsen ab. »Ich wusste du würdest mich nicht einfach so sterben lassen.« Byeongkwan verkniff es sich anzumerken, dass er nicht selten gewillt war, sogar selbst Hand anzulegen um Junhee den Gar auszumachen – das würde bestimmt kein gutes Licht auf ihre Freundschaft werfen.

Apropos Freundschaft – kaum das Junhee im Badezimmer verschwunden war, klingelte es an der Tür, was Byeongkwan unwillkürlich dazu bewegte mit den Augen zu Rollen. Bestimmt war das Yuchan, der heute für einmal seine Manieren gefunden hatte und sich nicht so wie gewisse andere Leute einfach selbst hereinliess.

Ohne sich gross zu beeilen schlurfte Byeongkwan Richtung Tür und öffnete diese dann – nur um festzustellen, dass die Person die davor stand, ganz eindeutig nicht Yuchan war. Mit gerunzelter Stirn betrachtete Byeongkwan erst den jungen Mann vor sich und dann den Stapel mit Pizzakartons, den dieser auf seinem Arm trug.

Der Pizzabote hob den Kopf und seine Lippen teilten sich, doch bevor er etwas sagen konnte, fiel Byeongkwan ihm bereits ziemlich harsch ins Wort. »Ich habe nichts bestellt!«, stellte er klar, noch bevor der junge Mann vor ihm auf andere Ideen kommen konnte. Dieser rückte sichtlich erschrocken sein Cap etwas zurecht, ehe er einen zerknitterten Zettel aus seiner Hosentasche kramte, auf den mit kaum lesbarer Schrift und scheinbar in aller Hast eine Adresse gekritzelt worden war.

»Hier steht aber –« Mitten im Satz hielt er plötzlich inne. Sein Blick schnellte nach oben und blieb an dem von Byeongkwan hängen. Die dunkeln Augen musterten ihn mit einer Mischung aus Erkenntnis und Reue und Byeongkwan lief es urplötzlich eiskalt über den Rücken, als ihm bewusst wurde, wen er hier vor sich hatte.

»Ach du Kacke!«

Especially for you || WowkwanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt