Er hatte ihn zuerst nicht erkannt, ansonsten hätte er ihm wohl bereits die Tür vor der Nase zugeknallt, noch bevor der andere überhaupt hätte realisieren können, bei wem er da gerade eben geklingelt hatte, so aber sah er sich nun vor vollendete Tatsachen gestellt.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass er Sehyoon jemals wieder sehen würde und schon gar nicht damit, dass er eines Tages einfach so vor seiner Haustür stehen würde. Diese plötzliche Wendung des Schicksals (wenn es denn so etwas wie Schicksal tatsächlich geben sollte) brachte ihn zugegebener Massen ziemlich aus dem Konzept – vielleicht waren es aber auch nur Sehyoons Augen, die förmlich an ihm zu kleben schienen, so als könne er noch immer nicht so recht begreifen, dass das hier gerade tatsächlich passierte und wenn Byeongkwan ehrlich war, dann ging es ihm eigentlich nicht anders.
Es hatte zwar eine Zeit gegeben, in der er sich alle möglichen Szenarien ihres Wiedersehens ausgemalt hatte, immer und immer wieder, aber die war schon lange vorbei. Mindestens genau so lange, wie er sich damals an den kleinen Hoffnungsschimmer in sich selbst festgeklammert hatte, der andere würde vielleicht eines Tages wieder zu ihm zurückkehren, bis er schliesslich irgendwann aufgegeben hatte. Er hatte damit abgeschlossen und das war auch gut so. Er hatte sein Leben weitergelebt – er war glücklich, also wieso zur Hölle musste Sehyoon jetzt so plötzlich hier auftauchen und mit seiner blossen Anwesenheit die alten Wunden, die er damals hinterlassen hatte, wieder aufreissen? Das war nicht fair.
Sein einziger Trost war es zu sehen, dass ihr unerwartetes Aufeinandertreffen wohl auch an Sehyoon nicht ganz spurlos vorbei ging. Dieser war zwar bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, doch Byeongkwan konnte sehen, wie unwohl der andere sich just in diesem Moment fühlte.
Er war sich nicht sicher, wie lange sie einander schweigend gegenüber standen, aber schliesslich war es Sehyoon, der die angespannte Stille die zwischen ihnen im Raum hing mit einem Räuspern durchbrach. »Ich habe nicht damit gerechnet, dich hier zu sehen. Es tut mir Leid«, meinte er vorsichtig und sein Blick fing erneut den seinen ein. Er schluckte schwer. Es schien, als würde er es ehrlich bedauern, Byeongkwan war sich bloss nicht sicher, welchen Teil davon Sehyoon meinte.
»Was genau tut dir Leid? Dass du nicht einen deiner Kollegen an deiner Stelle geschickt hast?« Er klang bissiger als er es eigentlich beabsichtigt hatte, aber vielleicht war das auch ganz gut so. Sehyoon sollte ruhig merken, dass er nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen war. Er warf seinem Gegenüber einen abschätzigen Blick zu, auch wenn sich sein Herz dabei schmerzhaft zusammenzog. Er konnte sehen, wie dieser kaum merklich zusammen zuckte. Erneut rückte er in einer nervösen Geste sein Cap zurecht. Ein paar einzelne Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht. Sie waren schwarz.
»So ist das nicht, Kwanie«, erwiderte er leise und entlockte ihm damit ein raues Lachen. Sehyoon hatte sein Recht darauf ihn so zu nennen schon lange vertan. »Für dich immer noch Byeongkwan«, stellte er klar und bei der Kälte die in seiner Stimme lag, überkam ihn beinahe selbst eine Gänsehaut, doch es zeigte Wirkung.
Ein leises Seufzen drang über Sehyoons Lippen. »Ich schätze das habe ich verdient hm?« Er zwang sich zu einem gequälten Lächeln. Byeongkwan schnaubte. Er hatte weitaus schlimmeres verdient, aber das sagte er ihm nicht. Seine Aufmerksamkeit lag noch immer auf Sehyoons Haaren, die ihm jetzt wirr in die Stirn hingen.
Schwarz – sie waren schwarz und aus irgendeinem verworrenen Grund störte ihn das. Er hatte Sehyoon damals mit blonden Haaren kennengelernt, die dann im Verlaufe der Zeit immer heller wurden, bis sie schliesslich nahezu weiss waren und irgendwie war das auch die Farbe, mit der Byeongkwan ihn bisher immer assoziiert hatte. Das Schwarz wirkte einfach ungewohnt normal an ihm.
Allgemein stach er nicht mehr so heraus wie früher. Er trug kaum noch Make-up und auch die Piercings von denen Byeongkwan sowieso nie sonderlich viel gehalten hatte, fehlten. Nicht einmal die schwarz lackierten Nägel, die ihm damals so heilig waren, durften bleiben. Nicht dass irgendeine dieser Veränderungen seiner Attraktivität einen Abbruch getan hätte, aber diesen Gedanken verwarf Byeongkwan ganz schnell wieder.
»Ich bin eigentlich ganz froh dich zu sehen«, meinte Sehyoon und er klang dabei so aufrichtig, dass Byeongkwan schlecht wurde. Er wollte das nicht – er wollte ihn nicht mehr in seinem Leben. Sollte er doch dorthin verschwinden wo der Pfeffer wuchs, hauptsache er war wieder weg.
»Du solltest nichts sagen was du nicht auch so meinst«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, wohl wissentlich was er Sehyoon da gerade unterstellte. Er wendete seinen Blick absichtlich ab, denn er wusste genau, dass er den Anblick nicht ertragen würde, wenn sich der verletzte Ausdruck auf Sehyoons Gesicht breitmachte. »Du weisst, dass ich das nicht tun würde«, erwiderte er leise und Byeongkwan fühlte sich schlecht, aber dann erinnerte er sich wieder daran, wie dreckig es ihm beim letzten Mal ging, damals als er dumm genug war sich auf Sehyoon einzulassen. Dieses Mal würde er nicht auf ihn hereinfallen.
Er schluckte schwer. »Du solltest jetzt gehen«, sagte er kühl, ohne ihm dabei in die Augen zu sehen. Sehyoon seufzte tief und erst glaubte Byeongkwan er wolle ihm widersprechen, doch dann konnte er aus dem Augenwinkel erkennen, wie er nickte. »Na schön«, meinte er zustimmend, wirklich glücklich klang er dabei aber nicht.
»Was mache ich hiermit?« Er deutete mit dem Kinn auf die Kartons mit Pizza, die er noch immer in den Händen hielt. Byeongkwan zuckte mit den Schultern. »Ich habe dir bereits gesagt, dass ich das nicht bestellt habe«, meinte er leicht gereizt. Es war ihm wirklich egal was damit geschah, solange Sehyoon endlich von hier verschwand und er endlich wieder normal atmen konnte.
»Das war ich«, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihm und Byeongkwan konnte förmlich dabei zusehen, wie auf einmal sämtliche Farbe aus dem Gesicht seines Gegenübers wich. Irritiert drehte er sich um und entdeckte dort sehr zu seiner Bestürzung seinen besten Freund, der lediglich mit einem Handtuch bekleidet im Flur stand und Sehyoon einen feindseligen Blick entgegen schleuderte.
Dieser fühlte sich plötzlich sichtlich unwohl in seiner Haut und begann unruhig von einem Fuss auf den anderen zu treten. Junhee hingegen schien die ganze Sache sogar noch zu geniessen, während er gemächlich auf sie beide zuschritt und Sehyoon schliesslich ein paar zerknitterte Won-Scheine entgegenstreckte. »Passt so«, meinte er mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen.
Schnell steckt Sehyoon die Scheine ein und überreicht Junhee seine Bestellung, ehe sein Blick wieder zu Byeongkwan wandert, der sich aber mit aller Kraft dagegen wehrt, diesen zu erwidern. »Ich schätze ich sollte dann wirklich gehen«, meinte er und Byeongkwan glaubte einen Hauch von Enttäuschung zu hören, der in seiner Stimme mitschwang, doch als er seinen Kopf wieder in Sehyoons Richtung drehte, hatte dieser sich bereits zu Gehen abgewandt.
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Especially for you || Wowkwan
FanfictionNie im Leben hätte er damit gerechnet, dass er Sehyoon jemals wieder sehen würde, doch dann steht dieser eines Tages unverhofft vor seiner Tür.