Dieses Mal musste er nicht lange warten, bis Sehyoon wieder bei ihm auftauchte. Er kam gerade von der Arbeit nach Hause, als er auf einmal hinter sich eine ihm wohlbekannte Stimme vernahm. Nur kurz darauf schlang sich eine Hand um sein Handgelenk und brachte ihn so zum Stehen.
Verwundert drehte er sich zu dem anderen um, der ihn unterdessen wieder losgelassen hatte und seine beiden Hände nun auf den Oberschenkeln abstützte, um wieder etwas zu Atem zu kommen.
»Bist du gerannt?«, fragte Byeongkwan skeptisch. Der andere nickte bloss schwer atmend. Er schüttelte ratlos den Kopf. »Ich muss das nicht verstehen, oder?«
Sehyoon lachte, doch es endete mehr in einem erstickten Husten und kurz fürchtete Byeongkwan, dass der andere ihm hier vor seinen Augen aufgrund von Luftmangel verrecken könnte – für diesen Fall überlegte er sich auch schon mal, ob er ihn dann retten sollte oder ob dies eventuell all seine Probleme beseitigen würde.
»Keine Sorge, das wirst du gleich«, krächzte Sehyoon noch immer verzweifelt nach Luft schnappend und wedelte dabei unkontrolliert mit der Hand herum, eine Geste die ihn wohl zur Geduld auffordern sollte. »Lass mich nur erst wieder etwas zu Atem kommen.«
Byeongkwan wartete also, auch wenn er sich dabei fast den Hintern abfror, ganz anders als Sehyoon, über dessen Wangen sich ein deutlicher Rotschimmer gelegt hatte – kein Wunder nachdem er sich scheinbar so verausgabt hatte. »Gott wer hätte gedacht, dass ich mittlerweile so ausser Form bin«, schnaufte Sehyoon und strich sich die leicht verschwitzten Haarsträhnen aus der Stirn.
Sein Blick wanderte zu Byeongkwan, dessen Mundwinkel bereits verdächtig nach oben zuckte. »Sag jetzt bloss nichts«, drohte er ihm mit erhobenem Zeigefinger. »Ich mach doch gar nichts«, protestierte Byeongkwan sofort, auch wenn sie natürlich beide wussten, dass ihm zuvor bereits eine spöttische Bemerkung auf den Lippen gelegen hatte.
Sehyoon stiess ein dementsprechend ungläubiges Schnauben aus. »Pah, das sagen sie alle«, behauptete er und verschränkte in einer gespielt beleidigten Geste seine Arme vor der Brust. Sein Blick war dabei die ganze Zeit auf Byeongkwan gerichtet und war so intensiv, dass dieser von der anhaltenden Kälte ganz plötzlich nicht mehr sonderlich viel mitbekam.
»Du hattest dieses Funkeln in den Augen. Ich kenne dich Kim Byeongkwan!«, flüsterte Sehyoon ihm ins Ohr und es war, als hätte ihm jemand einen Schlag in die Magengrube verpasst. Ohne wirklich darüber nachzudenken, trat er hastig einen Schritt nach hinten und schlang seine Arme um seinen Oberkörper. Er fröstelte.
Auch Sehyoon schien sich in diesem Moment der Bedeutung seiner Worte bewusst zu werden. »Tut mir Leid«, murmelte er so leise, dass Byeongkwan ihn kaum hören konnte. Er war sich nicht einmal sicher, ob er tatsächlich etwas gesagt hatte oder ob er sich das bloss eingebildet hatte.
Er schüttelte den Kopf und verdrängte die schmerzhaften Erinnerungen, welche sich bei der Aussage des andern in ihm breitgemacht hatten. Es war ganz offensichtlich nicht Sehyoons Absicht gewesen, ihn zu verletzen, er sollte es also ganz einfach vergessen.
»Was wolltest du jetzt eigentlich?«, fragte er stattdessen und er konnte sehen, wie Sehyoon erleichtert aufatmete und sich entspannte – zumindest für einen kurzen Moment. »Ich... eigentlich wollte ich dir das erst nicht sagen, aber ich finde du hast ein Recht darauf, es zu wissen«, druckste er herum und Byeongkwan zog misstrauisch eine Augenbraue in die Höhe.
»Was zu wissen?« Er wusste wirklich nicht, worauf Sehyoon da gerade herauswollte und wieso in aller Welt er sich dabei so anstellte. So schlimm konnte diese Sache, die er ihm mitteilen wollte ja kaum sein.
Eine Weile beobachtete er Sehyoon dabei, wie er mit sich selbst rang und nach den richtigen Worten zu suchen schien, doch gerade als er vorschlagen wollte, diese ganze Sache nach drinnen zu verlegen (es war wirklich scheisse kalt draussen), platzte es schliesslich aus dem anderen heraus. »Ich habe deinen Freund gesehen... gestern. Er... da war dieser andere Kerl, sie wirkten sehr vertraut miteinander Kwanie.« Er warf ihm einen vielsagenden Blick zu.
Byeongkwan starrte ihn bloss an. »Was willst du damit sagen?«, fragte er langsam. Er kannte seinen besten Freund und er war sich ziemlich sicher, dass dieser sich im Moment mit niemandem traf, ansonsten wüsste er doch bestimmt davon. Junhee erzählte ihm schliesslich so ziemlich alles – ob er es wissen wollte oder nicht.
Andererseits hatten sie sich allerdings kaum noch gesehen, seit Sehyoon ihn vergangene Woche nach Hause gebracht hatte. Byeongkwan vermutete, dass sein bester Freund immer noch sauer auf ihn war, auch wenn er das vehement abstritt. Verübeln konnte er es ihm jedenfalls nicht, denn ihm war klar, dass er sich bloss Sorgen um ihn machte und Byeongkwan um jeden Preis davor bewahren wollte, wieder zu einem kleinen Häufchen Elend zu mutieren, für den Fall, dass Sehyoon ihn erneut fallen lassen sollte.
Danach sah dieser zu dem Zeitpunkt allerdings eher weniger aus. Mehr als wolle er ihn dieses Mal davor bewahren, verletzt zu werden. Byeongkwan konnte den Schmerz, den es ihm bereitete, ihm diese schlechte Botschaft zu übermitteln, nur allzu deutlich in seinem Gesicht erkennen. »Ich... ich denke er betrügt dich«, erläuterte er sein eben Gesagtes vorsichtig und bestätigte damit, was Byeongkwan ohnehin schon vermutet hatte.
Oh Junhee, wieso musste er ihm auch seinen Plan vermiesen, indem er ausgerechnet jetzt mit jemandem anbändelte?
»Du wirkst so... keine Ahnung. Solltest du nicht wütend sein? Oder traurig?«, fragte Sehyoon zögernd, nachdem er es wohl aufgegeben hatte, auf eine Reaktion egal welcher Art von Byeongkwans Seite her zu warten.
Er zuckte mit den Schultern. Was sollte er schon sagen? Dass er ihn angelogen hatte und Junhee zwar sein bester, jedoch nicht fester Freund war. Dafür war es eindeutig der falsche Zeitpunkt, also schüttelte er bloss den Kopf. »Du hast da bestimmt etwas falsch verstanden«, versuchte er das Ganze etwas abzumildern und bemerkte noch im selben Moment, dass dies eher so klang, als würde er sich verzweifelt an diesem Gedanken festklammern, weil er es einfach nicht wahrhaben wollte, dass sein Freund fremdging.
Verdammter Mist!
Und natürlich fasste Sehyoon diese Aussage auch noch exakt so auf, denn er starrte ihn bloss ungläubig an. »Bist du denn wirklich so naiv?«, fragte er ihn und Byeongkwan konnte sehen, dass ihn alleine der Gedanke daran wütend machte. Er biss sich unschlüssig auf die Unterlippe und überlegte, wie er wohl am elegantesten wieder aus seiner momentanen Situation herauskam.
Eine wirklich befriedigende Lösung fiel ihm allerdings auf die Schnelle nicht ein, weshalb einfach beschloss, die Methode von zuvor (die ja auch so gut funktioniert hatte, haha) zu wiederholen. »Ich werde mit ihm reden, bestimmt gibt es dafür eine Erklärung«, sagte er und versuchte zuversichtlich zu klingen, was ihm angesichts von dem Sumpf aus Lügen, in dem er steckte, nicht so ganz gelingen wollte.
Sehyoon gab ein unzufriedenes Schnauben von sich, doch wenigstens versuchte er ihn nicht mehr vom Gegenteil zu überzeugen. Jetzt musste er bloss noch dafür sorgen, dass er Junhee und dessen Liebschaft in der nächsten Zeit nicht mehr über den Weg lief.
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Especially for you || Wowkwan
FanfictionNie im Leben hätte er damit gerechnet, dass er Sehyoon jemals wieder sehen würde, doch dann steht dieser eines Tages unverhofft vor seiner Tür.