Er bereute es, kaum dass er am nächsten Morgen die Augen aufschlug und die Eindrücke der letzten Nacht gnadenlos auf ihn niederprasselten. Er verstand noch immer nicht so ganz, was genau da gestern in ihn gefahren war, aber er hätte sich dafür gerade einfach nur selbst schlagen können. Wieso musste er diese ganze Sache auch noch unnötig verkomplizieren? Sein Herz kam doch auch so schon nicht mehr hinterher.
Und Sehyoon – den würde er jetzt bestimmt auch nicht mehr so schnell wieder loswerden. Der andere hatte seinen Arm locker um seine Hüfte geschlungen und auch wenn Byeongkwan das gestern bestimmt noch ganz toll gefunden hatte – jetzt war es ihm einfach nur noch unangenehm.
Schnell versuchte er etwas Abstand zwischen sie beide zu bringen, was sich leider als nicht ganz so einfach herausstellte, da Sehyoons Griff fester war, als erwartet. Schliesslich gelang es ihm mit Hilfe von ein paar ungeschickten Verrenkungen dem anderen zu entkommen und das sogar ohne ihn dabei zu wecken (auch wenn es ihm ein Rätsel war, wie er bei diesem ganzen Gezappel einfach so friedlich hatte weiterschlafen können).
Nachdenklich betrachtete er den anderen, der mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck vor sich hinschlummerte und Byeongkwan wollte ihn wirklich dafür hassen – aber er konnte es nicht.
Stattdessen gab er sich selbst die Schuld daran, immerhin war er derjenige gewesen, der die Initiative ergriffen hatte, was nebenbei bemerkt eine wirklich ganz blöde Idee gewesen war. Ein lautes Stöhnen kam ihm über die Lippen und verzweifelt er schlug seine Hände über dem Kopf zusammen. Was sollte er denn jetzt bloss tun? Seine Finger verkrallten sich in seinen Haaren und er begann unruhig auf seiner Unterlippe herumzukauen.
Erst einmal brauchte er eine Dusche, beschloss er schliesslich. Vielleicht konnte er sich ja zumindest äusserlich von den Taten der vergangenen Nacht reinwaschen. Und ausserdem machte eine erfrischende Dusche am Morgen alles besser – nicht wahr?
Nun, nicht wirklich, denn als Byeongkwan zwanzig Minuten später frisch geduscht und angezogen das Badezimmer verliess, fühlte er sich kein Stück besser. Im Gegenteil, er fühlte sich beschissen.
Kurz spielte er mit dem Gedanken Sehyoon eine Nachricht zu hinterlassen, dass er dringend fort musste (und dass Sehyoon sich doch bitte nie wieder bei ihm blicken lassen sollte), aber spätestens nachdem sein drittes Post-it zusammengeknüllt im Mülleimer gelandet war, beschloss er es doch lieber sein zu lassen.
Er hätte den anderen natürlich auch einfach wecken und ihn zum Gehen auffordern können, aber dann wäre er ja noch eher als unbedingt nötig mit dieser ohnehin schon unangenehmen Situation konfrontiert worden und darauf hatte er auch keine Lust, weshalb er sich schliesslich untätig auf die Couch setzte und um dort teilnahmslos in die Ferne zu blicken.
Wie lange genau er dort sass, wusste Byeongkwan nicht. Irgendwann nahm er schliesslich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Er drehte sich um und entdeckte Sehyoon, der zuvor im Türrahmen aufgetaucht war.
Er wirkte noch etwas verschlafen. Seine Haare standen in die verschiedensten Richtungen ab und er trug einen Hoodie, den er definitiv aus Byeongkwans Schrank geklaut hatte (wer hatte ihm das bitteschön erlaubt?). Seine Lippen zierte ein zaghaftes Lächeln, als er ihn erblickte. »Hi.« Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Byeongkwan starrte ihn einfach nur an. Hatte er sich doch zuvor noch die verschiedensten Sätze zurechtgelegt, so war sein Hirn jetzt wie leer gefegt.
Sehyoon schien wohl irgendwann auch zu bemerken, dass von seiner Seite her nichts kam. Er durchquerte den Raum und setzte sich dann neben ihn. Byeongkwan hielt unwillkürlich die Luft an. »Das kam wohl für uns beide ziemlich unerwartet, hm?«, meinte Sehyoon sanft, bevor er wie selbstverständlich nach seiner Hand griff. Byeongkwan starrte ihn für eine Weile bloss an, unfähig zu reagieren.
Sehyoons Finger lösten ein sanftes Prickeln auf seiner Haut aus und ohne dass er es verhindern konnte, wanderten seine Gedanken zurück zu letzter Nacht. Er dachte daran was der andere alles Unanständiges mit seinen Händen anstellen konnte – und wie gut es sich anfühlte, wenn er das tat.
Dann beschloss sein Hirn, dass es Zeit war, den Dienst wieder aufzunehmen und er begann endlich wieder rationell zu denken. Er löste seine Hand aus Sehyoons Griff und beging damit seine erste sinnvolle Handlung an diesem Morgen.
»Das war ein Fehler«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Als etwas anderes war diese Sache, die sich da letzte Nacht zwischen ihnen abgespielt hatte, wohl kaum zu bezeichnen. Jedenfalls nicht in seinen Augen.
Sehyoon schien da anderer Meinung zu sein. »Sag das nicht«, murmelte er und hätte Byeongkwan es nicht besser gewusst, dann hätte er ihm den verletzten Ausdruck im Gesicht sogar abgekauft. Nur war es eben Sehyoon, den er da vor sich hatte und Byeongkwan war schon einmal auf seine Lügen hereingefallen.
Er schnaubte. »Ach, soll ich dich lieber anlügen? So wie du es damals bei mir gemacht hast?«, fragte er spitz. Sehyoon zuckte kaum merklich zusammen. Byeongkwan presste die Lippen zusammen. Er hatte eigentlich vorgehabt, sich dem anderen gegenüber möglichst gleichgültig zu geben. Er wollte nicht, dass Sehyoon merkte, wie sehr ihn diese Sache von damals noch beschäftigte.
Dieser seufzte und rieb sich müde über die Stirn. »Ganz so war das nicht.« Er hielt inne und schien kurz nachzudenken. »Es gibt vieles das du nicht weisst«, meinte er dann und in seinen Augen spiegelte sich dabei ein solch derartiges Bedauern wider, dass Byeongkwan unwillkürlich ein kalter Schauer über den Rücken huschte.
Und dann fingen seine Gedanken an sich zu überschlagen. Wenn Sehyoon es wirklich so sehr bereute, wie er es gerade vorgab zu tun, weshalb hatte er ihm dann so lange etwas vorgemacht und war dann einfach so gegangen? So viele Fragen auf die Byeongkwan keine Antwort wusste, die er sich damals immer wieder gestellt hatte, ohne jemals zu einer logischen Schlussfolgerung für das (in seinen Augen) rücksichtslose Verhalten des anderen zu kommen.
Ja, es gab wohl wirklich vieles, das er nicht wusste, aber gerade war er einfach noch zu aufgewühlt, als dass er Sehyoon hätte zuhören können. »Schön, aber weisst du was? Ich will es auch gar nicht wissen!«, spie er ihm entgegen.
Sein Herz brach – erneut. Byeongkwan ignorierte es.
»Es war ein Fehler«, wiederholte er stattdessen. Dieses Mal war seine Stimme ruhig, dafür aber eiskalt. »Das letzte Nacht und damals – das war auch ein Fehler.«
Man konnte förmlich dabei zusehen, wie Sehyoon bei dieser Aussage in sich zusammensank. »Es liegt es an deinem Freund, nicht wahr?« Ein trauriges Lächeln zierte sein Gesicht, während Byeongkwan ihn einfach nur völlig perplex anstarrte. Da schmiss er dem anderen die verletzendsten Dinge an den Kopf und dieser glaubte doch tatsächlich, dass er das alles nur wegen seinem Freund (welcher Freund eigentlich, hatte er da vielleicht etwas verpasst?) tat. Der hatte doch echt überhaupt keine Ahnung!
Da Byeongkwan nicht antwortete, beschloss Sehyoon wohl noch etwas konkreter zu werden. »Der Kerl der neulich bei dir geduscht hat – er ist doch dein Freund oder etwa nicht?« Er blickte ihn forschend an und Byeongkwan glaubte sogar einen Funken Hoffnung in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Panik machte sich in ihm breit. »Ja«, log er.
Junhee würde ihn schon nicht dafür verurteilen, dass er ihn gerade zu seinem Schein-Freund gemacht hatte – falls er denn überhaupt davon erfahren sollte, was Byeongkwan zu diesem Zeitpunkt aber noch für unwahrscheinlich hielt.
Sein Herz hingegen beschimpfte ihn gerade als den feigen Verräter der er war, doch wie schon die Male davor beachtete er es nicht. Irgendwann würde der Schmerz den er gerade verspürte schon vergehen. Im Moment zählte nur, dass er einen klaren Schlussstrich zog.
So etwas wie vergangene Nacht durfte nicht wieder vorkommen. Das würde sein Herz nicht verkraften.
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Especially for you || Wowkwan
FanfictionNie im Leben hätte er damit gerechnet, dass er Sehyoon jemals wieder sehen würde, doch dann steht dieser eines Tages unverhofft vor seiner Tür.