Byeongkwan kam sich fast ein wenig vor wie bei Und täglich grüsst das Murmeltier, als er am nächsten Morgen von den ersten Sonnenstrahlen, die durch das Fenster fielen, geweckt wurde und ihm beinahe zeitgleich wieder einfiel, was am Abend zuvor alles vorgefallen war.
Wenigstens lag er dieses Mal alleine in seinem Bett – was nicht zwingend viel besser war. Er erinnerte sich düster daran, wie ihm die Röte ins Gesicht gestiegen war, als Sehyoon ihm seine Klamotten ausgezogen hatte. Himmel er hatte doch tatsächlich geglaubt, der andere wolle mit ihm schlafen. Jetzt im Nachhinein war ihm das furchtbar peinlich.
Wie sollte er Sehyoon so bloss jemals wieder unter die Augen treten – nicht dass er es wirklich darauf anlegte, ehrlich, er könnte auch gut darauf verzichten. Nur hatte er die leise Vermutung, dass er dem anderen wohl eher früher als später wieder über den Weg laufen würde.
Oder vielleicht auch sehr viel früher. Hatte er Sehyoon gestern Abend nicht praktisch darum angefleht, dass er hierbleiben sollte? Er war sich nicht sicher, seine Erinnerung daran war noch ziemlich verschwommen.
Mit einem Ächzen richtete er sich in seinem Bett auf. Sein Schädel brummte ganz schön doll, wahrscheinlich die Nachwirkungen des Alkohols. Er hatte es gestern wirklich übertrieben.
Er seufzte und griff dann nach einer Jogginghose, die er sich überstreifte, ehe er das Zimmer verliess und in die Küche trat, wo er Sehyoon vorfand. Er stand lässig an die Küchentheke gelehnt, während er scheinbar wahllos auf seinem Handy herumtippte.
»Du bist ja echt noch hier«, bemerkte Byeongkwan zu seinem eigenen Bedauern, ehe er sich schwerfällig auf einen der Stühle fallen liess. Sehyoon sah auf und legte das Handy erstmal zur Seite.
»Du hast mich darum gebeten«, erwiderte er achselzuckend und reichte ihm dann ein Glas mit Wasser. »Aspirin«, meinte er ungerührt. Sein Blick hingegen sprach Bände.
Byeongkwan stöhnte auf und liess seinen Kopf auf die Tischplatte sinken. Seine Erinnerung an den gestrigen Abend war zwar lückenhaft, aber der Teil an den er sich erinnern konnte, reichte vollkommen aus, um am liebsten im Erdboden versinken zu wollen.
Er hatte sich ganz schön vor Sehyoon blamiert – schlimmer noch, er hatte sich dem anderen wortwörtlich an den Hals geschmissen. Jetzt noch zu behaupten, dass Sehyoon ihm vollkommen gleichgültig war, könnte ein ganzes Stück Arbeit werden.
Oder mit anderen Worten, ein Ding der Unmöglichkeit.
Ganz egal was er jetzt noch tat oder sagte, Sehyoon würde es ihm nicht abkaufen. Und das zu Recht. Byeongkwan musste daran denken, wie sein Herz sich jedes Mal schmerzhaft zusammengezogen hatte, wenn er dem anderen eine weitere Lüge aufgetischt hatte und falls er es zuvor noch nicht bemerkt hatte, dann war er sich jetzt ganz sicher, dass er Sehyoon wohl immer noch liebte.
Diese Erkenntnis durchzuckte ihn wie ein Blitz. Hastig hob er den Kopf. Sein Blick streifte den von Sehyoon, der sich scheinbar nicht von der Stelle gerührt hatte und sein Herz begann auf einmal wie verrückt zu klopfen, so dass Byeongkwan beinahe fürchtete, der andere könnte es vielleicht sogar hören.
Er schluckte. Seine Kehle fühlte sich auf einmal staubtrocken an. Wieso musste der andere ihn auch so ansehen. Gab es in diesem verdammten Raum denn nichts Interessanteres als ihn?
Offensichtlich nicht.
»Kannst du bitte damit aufhören mich so anzusehen!« Sehyoons Mundwinkel zuckten in die Höhe. »Wieso sollte ich?«, erwiderte er belustigt. Byeongkwan starrte ihn missmutig an. Die Frage war leider berechtigt, denn eigentlich sollte es ihm völlig gleichgültig sein, wie der andere ihn ansah – Himmel es sollte ihm sogar egal sein, dass er ihn ansah.
»Ich habe Kopfschmerzen.« Es war nicht wirklich seine beste Ausrede, eigentlich war sie sogar grottenschlecht, aber das änderte nichts daran, dass sie der Wahrheit entsprach und das wusste auch Sehyoon, der gerade mit einem amüsierten Grinsen auf den Lippen, seine Augenbraue in die Höhe zog. »Oh ja, das glaube ich dir gerne.« Er lachte. Byeongkwan hasste ihn dafür.
»Wieso warst du eigentlich gestern so ganz zufällig in der Bar, in der ich mich seit Jahren jeden Samstagabend mit meinen Freunden treffe?«, versuchte er das Thema zu wechseln. Er glaubte nicht wirklich daran, dass Sehyoon ohne Hintergedanken in die Bar gekommen war, zumal er seit jeher eine gewisse Abneigung gegenüber Alkohol verspürte und Byeongkwan ihn (damals als sie noch ein Paar waren) immer erst dazu überreden musste, mit ihm noch etwas in seinem Lieblingslokal trinken zu gehen.
Sehyoon zuckte mit den Schultern. »Ich habe eigentlich darauf gehofft, ausnahmsweise mal ein anständiges Gespräch mit dir führen zu können. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du dich gleich dermassen abschiesst.«
»Oh«, machte Byeongkwan schuldbewusst. »Ich schätze, dass ist noch immer dein Plan?« Er liess es wie eine Frage klingen, auch wenn er die Antwort darauf eigentlich schon kannte und es ihm davor bereits graute, wenn er nur daran dachte.
»Ist es denn so falsch? Zwischen uns beiden stehen so viele Missverständnisse und anstelle davon, dass du mich erklären lässt, stösst du mich bloss immer wieder weg.« Sehyoon sah ihn mit einem ehrlich betrübten Ausdruck in den Augen an und Byeongkwan fühlte sich augenblicklich schlecht.
»Es tut mir Leid«, murmelte er vorsichtig. »Aber du musst auch versuchen mich zu verstehen. Unsere gemeinsame Vergangenheit ist nicht gerade... schön? Ich habe echt lange gebraucht um über dich hinwegzukommen und ich schätze ich habe mir dafür meine eigene Wahrheit zusammengebastelt. Ich wollte einfach nicht, dass du diese jetzt wieder zerstörst. Du hast mir wehgetan, Sehyoon und ich habe Angst, dass ich, wenn ich dich wieder in mein Leben lasse, erneut verletzt werde.«
Mehrere Sekunden – oder waren es Minuten – vergingen, in denen keiner von ihnen mehr etwas sagte. Byeongkwan presste unsicher die Lippen aufeinander und versuchte in Sehyoons Gesicht irgendeine Gefühlsregung auszumachen, etwas, dass ihm verraten hätte, was gerade in dem anderen vorging, aber Sehyoon war schon immer gut darin gewesen, wenn es darum ging seine Emotionen vor der Welt zu verbergen.
Ganz anders als Byeongkwan, dem man jetzt gerade vermutlich bereits auf hundert Meter Entfernung ansah, dass ihn die anhaltende Stille zwischen ihnen nervös machte.
Fast schon bereute er es, endlich einmal ehrlich gewesen zu sein, als Sehyoon sich schliesslich räusperte. »Ich –« Der lästige Klingelton seines Handys unterbrach ihn. Byeongkwan warf genervt einen Blick auf den hell erleuchteten Bildschirm des kleinen Geräts, von dem ihm ein breit grinsender Junhee entgegensah. Der andere hatte das Bild selbst aufgenommen und es schliesslich seinem Kontakt zugewiesen, weil er es für absolut notwendig hielt. Noch nie hatte Byeongkwan seinen besten Freund für eine seiner Taten so sehr verurteilt, wie gerade in diesem Moment. Der Ausdruck in Sehyoons Gesicht zerriss ihm schier das Herz und daran war alleine dieses bescheuerte Foto schuld.
»Du solltest rangehen«, sagte Sehyoon tonlos und riss Byeongkwan damit aus seinen Gedanken. Dieser zögerte kurz, nickte dann aber geschlagen. Ihm blieb sowieso keine Wahl.
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Especially for you || Wowkwan
FanfictionNie im Leben hätte er damit gerechnet, dass er Sehyoon jemals wieder sehen würde, doch dann steht dieser eines Tages unverhofft vor seiner Tür.