Sehyoon blieb, wie er es gesagt hatte. Byeongkwan wusste erst nicht so recht, ob er sich jetzt darüber freuen sollte oder nicht, aber am Ende überwiegte dann doch die Freude. Er hatte ihn vermisst und das auf so vielen Ebenen. Er hatte es vermisst mit ihm einfach nur so dazusitzen und mit ihm zu reden, so wie sie es jetzt gerade taten.
Sehyoon erzählte ihm von seiner Zeit in Japan. Er hatte dort studiert und war anschliessend geblieben, weil es in Korea scheinbar nichts gab, für das es sich gelohnt hätte zurück zu kommen. Byeongkwan gab sich Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, dass diese Aussage ihm einen schmerzhaften Stich versetzte und lauschte stattdessen weiterhin Sehyoons Geschichten über dieses fremde Land, welches ihm für eine Zeit lang mehr eine Heimat war, als es Korea jemals sein konnte.
Dass er jetzt trotzdem wieder hier war, sei seiner Schwester zu verdanken. Mehr schien Sehyoon wohl nicht preisgeben zu wollen und Byeongkwan fragte auch nicht weiter nach. Er wusste dass Sehyoons Familienverhältnis kompliziert war. Das war auch der Grund für ein Studium im Ausland gewesen – oder zumindest einer davon.
»Wann bist du eigentlich zurückgekommen?«, wollte Byeongkwan nach einer Weile wissen. Die Frage beschäftigte ihn schon seit Sehyoon vergangene Woche vor seiner Tür aufgetaucht war. Lange konnte es doch nicht sein oder? Sie wären sich ansonsten bestimmt schon eher über den Weg gelaufen. Aber andererseits war besagtes Aufeinandertreffen auch bloss reiner Zufall gewesen und hätte ohne Junhees Einwirken niemals stattgefunden.
Sehyoon beendete schliesslich seine Gedankengänge. »Erst vor ein paar Monaten«, antwortete er schulterzuckend. Byeongkwan nickte. Damit konnte er leben.
»Ich habe dir geschrieben, aber irgendwie sind meine Nachrichten wohl nicht bei dir angekommen.« Damit eher weniger und vermutlich hätte er sich in diesem Moment selbst eine verpasst, wenn Sehyoon nicht vor ihm gestanden hätte.
Natürlich hatte er seine Gründe gehabt, als er damals Sehyoons Kontakt blockiert hatte, aber das war damals. Gut wenn er es sich recht überlegte, dann waren seine Gründe eigentlich bis heute noch berechtigt, aber konnte es nicht sein, dass Sehyoon sich verändert hatte? Sein Verstand stritt diese unwahrscheinliche These vehement ab, während sein Herz nichts weiter wollte, als daran zu glauben.
Schliesslich siegte jedoch sein Verstand, weshalb Byeongkwan seinem Gegenüber ohne mit der Wimper zu zucken mitten ins Gesicht log. »Ich habe eine neue Nummer«, erklärte er dem anderen und verzog dabei keine Miene. Er war noch nicht bereit, Sehyoon wieder vollends zu vertrauen, vielleicht irgendwann einmal, aber noch nicht jetzt.
Sehyoon nickte langsam. »Oh, okay«, sagte er und signalisierte ihm damit, dass er verstand. Byeongkwan war sich nur nicht sicher, was davon er nun verstand. Glaubte er ihm jetzt? Unwahrscheinlich. Oder? Vermutlich hatte er ihn sowieso durchschaut und tat nun bloss so, als ob er ihm diese unglaublich schlechte Lüge abkaufte, weil... ja wieso eigentlich?
»Krieg ich sie?«, fragte Sehyoon in die anhaltende Stille hinein, die zuvor nur von Byeongkwans sich unaufhörlich schneller drehendem Gedankenkarussell übertönt worden war. Dieser riss erschrocken die Augen auf. »Was?«, krächzte er, nur um gleich darauf peinlich berührt den Blick zu senken und sich möglichst unauffällig zu Räuspern. Wieso musste ihm auch ausgerechnet jetzt die Stimme wegbleiben?
Zu allem Überfluss ertönte in diesem Augenblick auch noch Sehyoons leises Lachen und Byeongkwan fühlte förmlich, wie sich eine Zarte Röte über seine Wangen legte. Das war dann wohl Karma. Seine Eltern hatten ihm ja immer gesagt, dass Lügen schlecht war und wenn es nur eine klitzekleine Notlüge war.
»Deine neue Nummer? Ob ich sie kriege?«, wiederholte Sehyoon seine Frage von zuvor und in seiner Stimme schwang ein leicht belustigter Unterton mit. Byeongkwan schüttelte heftig den Kopf. Natürlich konnte er dem anderen seine Nummer nicht geben, zumindest nicht, wenn er wollte, dass sein Schwindel unentdeckt blieb.
Er bedachte den anderen mit einem entschuldigenden Lächeln, dass allerdings zu zerbröckeln drohte, als er den unzufriedenen Ausdruck im Gesicht seines Gegenübers entdeckte. Für einen kurzen Moment fürchtete er sogar, dass Sehyoon darauf beharren könnte und nicht eher locker lassen würde, bis Byeongkwan schliesslich einknickte, doch das tat er zum Glück nicht. Stattdessen zuckte er bloss bedauernd mit den Schultern. »Schade«, meinte er. Byeongkwan biss sich unschlüssig auf die Unterlippe. Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.
»Ich hätte dir jede Abend vor dem ins Bett gehen eine Nachricht geschrieben, weisst du?« Ja daran konnte er sich nur allzu gut erinnern und auch an die Zeit danach, in der er stundenlang im Bett gelegen hatte und auf den hell erleuchteten Bildschirm gestarrt hatte, in der Hoffnung, darauf eine Nachricht aufploppen zu sehen. Natürlich war das nie passiert, aber er hatte sich zu dem Zeitpunkt so sehr daran gewöhnt, dass es ihm selbst dann noch schwer fiel, das Handy abends aus der Hand zu legen, als er Sehyoon längst blockiert hatte.
Die Erinnerung an diese Zeit schmerzte ihn noch immer, weshalb er sie meistens verdrängte, doch das war gar nicht so einfach, jetzt wo Sehyoon wieder hier war.
»Es ist schon spät«, meinte er irgendwann und Sehyoon nickte zustimmend. »Du hast Recht, ich sollte mich wohl langsam auf den Heimweg machen.« Er erhob sich und lächelte ihn dann vorsichtig an. Byeongkwan tat es ihm gleich und stand ebenfalls auf. »Ich... ich begleite dich noch zur Tür«, murmelte er verlegen und schob sich dann hastig an dem anderen vorbei, auf den Flur, damit dieser die aufsteigende Röte in seinem Gesicht nicht bemerkte.
Sehyoon folgte ihm und zog sich dann erst seinen Mantel über und schlüpfte anschliessend in seine Schuhe, ehe er sich noch einmal zu ihm umdrehte. »Wir sehen uns Byeongkwan«, verabschiedete er sich mit einem Lächeln auf den Lippen von ihm und trat dann nach draussen. Byeongkwan blickte ihm stumm hinterher, doch dann fiel ihm noch etwas ein.
»Warte!«
Sehyoon drehte sich zu ihm um. Er sagte nichts und zog stattdessen fragend eine Augenbraue in die Höhe. Byeongkwan rang einen Moment mit sich selbst, ehe er zum Schluss kam, dass er es einfach wissen musste. »Wann?«, fragte er deshalb schnell und biss sich gleich darauf auf seine Unterlippe. Bestimmt dachte Sehyoon jetzt, dass er es kaum erwarten konnte, ihn wieder zu sehen. Innerlich schlug er sich mit seiner Hand vor die Stirn, als er das freche Grinsen auf dem Gesicht des anderen entdeckte, das ihm verriet, dass Sehyoon ganz genau das dachte.
Anstelle einer sinnvollen Antwort, zwinkerte er ihm allerdings bloss zu. »Bald«, meinte er verheissungsvoll und es klang fast wie ein Versprechen.
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Especially for you || Wowkwan
FanfictionNie im Leben hätte er damit gerechnet, dass er Sehyoon jemals wieder sehen würde, doch dann steht dieser eines Tages unverhofft vor seiner Tür.