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»Was brauchst denn du so lange?«, nörgelte Sehyoon nun bestimmt schon zum dritten Mal in Folge. Der andere hatte sich in Byeongkwans Wohnzimmer auf die Couch geschmissen, nachdem er realisiert hatte, dass dieser wohl noch eine ganze Weile benötigen würde, um sich fertigzumachen.

Byeongkwan raufte sich panisch die Haare, während er sein Outfit im Spiegel betrachtete und stöhnte dann auf. Das konnte er unmöglich anziehen. Ein weiteres Mal durchwühlte er seinen Kleiderschrank, auf der Suche nach einem passenden Oberteil. Die Hose mochte er, darin kam sein Hintern gut zur Geltung und er wollte sie wirklich nur ungern tauschen. Sein Problem bestand bloss darin, dass er absolut nichts hatte, was er dazu kombinieren konnte – und dass Sehyoon ganze dreissig Minuten zu früh da war.

»Hör auf mich zu hetzen«, rief Byeongkwan gestresst zurück und liess seinen Blick über das Chaos gleiten, welches sich über sein gesamtes Schlafzimmer erstreckte. Überall lagen irgendwelche Kleidungsstücke herum, die Byeongkwan erst hoffnungsvoll angezogen hatte, nur um sie dann frustriert in die nächste Ecke zu pfeffern. Erst als er an Sehyoon hängen blieb, der unbemerkt im Türrahmen aufgetaucht war, an dem er nun lässig lehnte, hielt er inne.

»Ich weiss echt nicht, was ich anziehen soll«, jammerte er und Sehyoon schüttelte belustigt den Kopf. »Du bist echt unverbesserlich. Und ausserdem spielt das sowieso keine Rolle, du siehst sowieso in allem gut aus«, meinte er sanft und Byeongkwan schnaubte. Normalerweise hätte er sich ja darüber gefreut, so etwas aus dem Mund des anderen zu hören, doch er war sich gerade ziemlich sicher, dass er das nur sagte, um ihn endlich zum Gehen zu bewegen.

Er seufzte. Wenn er wenigstens wüsste, wo Sehyoon mit ihm hinwollte, aber der andere musste ja so ein riesen Geheimnis daraus machen. »Kannst du mir nicht sagen, was du vorhast? Vielleicht würde es mir dann leichter fallen«, überlegte Byeongkwan, was den anderen nur wieder zum Lachen brachte. »Keine Chance Kwanie«, erwiderte er und wuschelte ihm durch die Haare, ehe er nach einem schlichten Pullover griff, den er ihm entgegenstreckte.

»Zieh einfach das an, dann können wir los«, sagte er und zwinkerte ihm zu. Byeongkwan öffnete den Mund, um zu protestieren. »Aber...«, er zögerte und starrte missmutig das Kleidungsstück an, welches Sehyoon ihm zuvor in die Hand gedrückt hatte. Zugegeben, so schlecht würde es vermutlich gar nicht aussehen. Er könnte es ja probehalber mal anziehen.

Kaum hatte er sich den Pullover über den Kopf gezogen, klatschte Sehyoon in die Hände. »Sieht toll aus, hab ich doch gleich gesagt«, meinte er und war kurz darauf auch schon verschwunden, wahrscheinlich um sich schon Schuhe und Mantel anzuziehen. Da fühlte man sich ja auch überhaupt nicht unter Druck gesetzt. Byeongkwan seufzte und warf dann einen letzten Blick in den Spiegel. Unrecht hatte Sehyoon ja nicht. Er fuhr nachdenklich mit seinen Fingern über den weichen Stoff und beschloss dann, dem anderen einfach mal zu vertrauen. Wenn er sagte, dass es gut aussah, dann war da wohl schon etwas dran. Ausserdem wollte er mal abgesehen von Sehyoon ja auch niemanden beeindrucken und der war selbst schuld, wenn ihm Byeongkwans Outfit nicht gefiel, schliesslich war er dafür verantwortlich.

Er trat ebenfalls auf den Flur hinaus, wo Sehyoon wie erwartet bereits angezogen auf ihn wartete. Als er ihn bemerkte, zog er spöttisch eine Augenbraue hoch. »Wow, ich war mir sicher, das geht jetzt nochmal zehn Minuten«, meinte er scherzend und reichte Byeongkwan seinen Mantel. Dieser verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. »Das wollte ich dir nicht antun«, erwiderte er frech, worauf Sehyoon lachte.

»Na los, komm jetzt«, forderte er ihn auf und schlang seinen Arm locker um Byeongkwans Hüfte, um ihn so mitzuziehen. Dieser schmiegte sich sofort an ihn und genoss die Nähe zwischen ihnen. Er hatte sie wirklich vermisst, das realisierte er fast tagtäglich wieder aufs Neue und umso glücklicher war er, dass er sie nun wieder spüren durfte.

Sie hatten sich in den letzten Wochen fast täglich geschrieben und sich, wann immer es ihnen beiden gepasst hatte, getroffen. Sie hatten viel geredet und das war auch dringend nötig gewesen. Sie hatten eine Menge nachzuholen und auch so einige Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, aber sie waren auf einem guten Weg und sogar Junhee, der anfangs noch strikt dagegen war, kam langsam damit klar. Byeongkwan hatte ihn mehr oder weniger dazu gezwungen, sich Sehyoons Seite der Geschichte anzuhören und Donghun hatte ihm auch noch mal ins Gewissen geredet. Er war wirklich froh, den anderen auf seiner Seite zu wissen. Es machte die Dinge um ein vielfaches einfacher für Sehyoon und ihn.

Was sie beide nun waren? Nun, da war Byeongkwan sich selbst auch noch nicht so ganz sicher. Aber spielte es denn wirklich eine Rolle, was sie waren? Sie waren glücklich und das war doch eigentlich alles, was zählte. Dafür brauchten sie keine Bezeichnung.

Sie traten nach draussen und Byeongkwan staunte nicht schlecht, als er die Schneeflocken bemerkte, die sanft auf die Erde hinab segelten. Er hatte in seiner Hektik gar nicht bemerkt, dass es unterdessen angefangen hatte zu schneien – ganz anders als Sehyoon, dessen Mundwinkel belustigt nach oben zuckten, als er sah wie Byeongkwan fasziniert das Schauspiel beobachtete, welches sich ihnen bot.

»Meinst du wir kriegen weisse Weihnachten?«, fragte er aufgeregt, worauf Sehyoon bloss die Schultern zuckte. »Keine Ahnung, vielleicht schmilzt der ja auch wieder bis dann«, meinte er und verzog die Lippen zu einem schelmischen Grinsen. Byeongkwan schnappte empört nach Luft und löste sich dann von ihm, ehe er ihm gegen die Schulter boxte. »Sei nicht so fies!« Sehyoon lachte bloss und zog ihn fast im selben Augenblick wieder an sich.

»Apropos Weihnachten, Junhee hat mich gefragt, ob ich mit euch mitfeiern will«, sagte er in einem beiläufigen Tonfall und Byeongkwan wäre fast über seine eigenen Füsse gestolpert, wenn der andere ihn nicht im letzten Moment aufgefangen hätte. Fassungslos starrte er Sehyoon an.

»Ja, ich war auch überrascht«, meinte er amüsiert. Byeongkwan musterte ihn durchdringend. Er sah nicht wirklich so aus, als würde er scherzen und ausserdem, weshalb sollte er das tun? Nein, er sagte wohl wirklich die Wahrheit. Byeongkwan wusste nicht so recht, was er davon halten sollte, doch er rechnete es seinem besten Freund hoch an, dass er Sehyoon ebenfalls eingeladen hatte. Sie feierten nun schon seit Jahren zusammen und manchmal eben auch mit Anhang

»Also, was sagst du?«, hakte Sehyoon nach, während er ihn mit nachdenklicher Miene betrachtete. Byeongkwan konnte fühlen, wie sich ein zarter Rotschimmer auf seinen Wangen ausbreitete, ehe er ihm antwortete. »Ich würde mich freuen, wenn du Weihnachten mit uns verbringst.«

Especially for you || WowkwanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt