Müde laufe ich durch die Straßen Málagas. Ich habe es nicht weit zur Arbeit. Zwei Bahnstationen und einen Fußweg von circa fünf Minuten. Ein letztes mal über die Straße und schon sehe ich die moderne Schule vor mir.
Ich lebe mittlerweile seit mehr als 10 Jahren hier in Andalusien. Nach meinem Abitur hab ich alle meine Sachen gepackt und bin ausgewandert. Natürlich besuche ich noch regelmäßig meine Eltern in Deutschland, aber lange halte ich es in diesem Land nicht aus. Mir wurde mein Herz gebrochen und in tausend Teilen zerrissen. Es klingt sehr übertieben, aber ich konnte einfach nicht mehr in seiner Nähe wohnen. Ich hätte mir natürlich einfach eine Stadt am anderen Ende des Landes suchen können, doch Spaniens Kultur und Sprache hatte mich schon lange sehr fasziniert. Auch wenn ironischerweise genau er mich darauf gebracht hatte.
In Sevilla habe ich angefangen Lehramt zu studieren und jetzt unterrichte ich Deutsch und Sport an einer spanischen Schule. Ab und zu leite ich auch Spanisch Kurse für deutsche Austauschschüler oder generell für Ausländer, die die spanische Sprache lernen wollen.
Wie jeden Wochentag betrete ich also die Schule und werde schon gleich von einigen Schülern und Kollegen begrüßt. Im Lehrerzimmer entdeckte ich unseren neuen Lehrer Herrn Alvarez, der mich nett anlächelt. Ich finde ihn wirklich sehr nett, doch er erinnert mich extrem an jemanden, den ich einfach nur gerne vergessen möchte. Jedesmal wenn er Lacht, denke ich Chris steht vor mir und dass er anscheinend das gleiche Parfüm wie er benutzt, macht die ganze Sache nicht besser. Nach 12 Jahren geht er mir doch tatsächlich immer noch nicht aus dem Kopf.
Nach meinem langen Arbeitstag bestellte ich mir erst mal eine eiskalte Maracujaschorle in meinem lieblings Café in der Nähe der Kathedrale. Zu meinem Leidwesen sind dort in den Straßen oft viele Touristen, doch das hielt mich nicht ab.
Mit meinem Getränk und einem Buch setze ich mich auf einen freien Platz in der Sonne. Vertieft in Austens Verstand und Gefühl bemerke ich gar nicht, wie sich zwei jugendliche vor mich stellen.
"Entschuldigung, an Ihrem Buch haben wir erkannt, dass Sie deutsch sprechen." Verwirrt nicke ich zur Bestätigung. "Könnten Sie uns vielleicht sagen, wo es zum Bahnhof geht? Wir haben unsere restliche Klasse verloren und unser Treffpunkt ist um neunzehn Uhr am Bahnhof."
Kurz blicke ich auf die Uhr an meinem linken Handgelenk. Oh, ist es wirklich schon so spät?
"Ich würde gerade einfach mit euch gehen, ich muss auch zur Bahn.", lächel ich die beiden an.
Sie nicken danken.
Ich gehe noch kurz in mein Stammcafé und bezahle mein Getränk bei Júlia.Mit den deutschen Schülern laufe ich Richtung Bahnhof und sie erzählen mir von ihrer Abifahrt hier in Andalusien. Meine Abifahrt ging auch nach Andalusien... mit ihm.
"Ach, da sind ja schon die anderen. Also noch mal muchas Gracias.", bedanken sie sich.
"De nada.", lächel ich sie wieder an.
Als wir an den Gleisen ankamen, gingen beide zu ihren Freunden. Ich bleibe einfach stehen und bin noch immer in der Nähe der Klasse.
"Das ist sie. Ich habs auf seinem Bild gesehen.", höre ich sie tuscheln. Ich achte nicht weiter darauf und nehme mir wieder mein Buch aus der Tasche und fange an zu lesen.
"So, sind alle da?", höre ich eine männliche Stimmte. Geschockt blicke ich von meinem Buch hoch und sehe ihn einige Meter von mir entfernt stehen. Ich muss drei mal blinzeln, bevor mir bewusst war, dass er gerade hier wirklich vor mir steht. In Málaga. Er. Chris Silva, mein ehemaliger Spanischlehrer und der Mann, der mir mein Herz gebrochen hatte.
Er verschafft sich einen Überblick seiner Klasse und schaut auch kurz in meine Richtung. Plötzlich hält er inne und wendet sich noch mal zu mir um. Als seine blauen Augen meine finden, sieht er nicht weniger geschockt aus. Seine Schüler beobachten das Schauspiel belustigt.
"Lisan?"
Ich nicke paralysiert.
"Endlich. Endlich hab ich dich gefunden.", sprach er erleichtert.
Verwirrt und sprachlos blicke ich ihn an.
DU LIEST GERADE
LehrerXSchüler Oneshots 2
Ficção AdolescenteDas ist der 2. Teil von "Kurzgeschichten: Lehrer, Schüler"