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Wenn es unser Vater ist, ist es besser, wenn er nicht sieht, dass wir um diese Uhrzeit noch da sind

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Wenn es unser Vater ist, ist es besser, wenn er nicht sieht, dass wir um diese Uhrzeit noch da sind. Vorsichtig öffne ich die Türe einen Spalt und schaue hindurch. Vor ihr stehen zwei Männer, die ich noch all zugut kenne. Sie schauen sich einen Moment gegenseitig an, dann räuspert sich der eine und schaut mich an. "Du musst Ace sein, nehme ich an? Dürfen wir rein kommen?", fragt er dann und ich schließe die Türe um die Kette zu öffnen. Noch einmal atme ich tief durch und öffne dann stumm die Türe und lasse die Beiden eintreten. Der, der das letzte Mal unsere Bilder angeschaut hat, schaut sich in unserem Wohnzimmer um und der Andere folgt mir direkt und setzt sich auf die Couch. Auf die Stelle, auf der immer mein Vater sitzt...

"Ihr seid umgezogen? Neue Gegend hier... Viel Veränderung...", meint nun der, der sich umschaut und ich gebe ein stummes Nicken von mir. Ich möchte nicht mit den beiden Polizisten reden, weil ich genau weiß, was sie mir sagen werden... Es kann nichts anderes sein... Das ist die einzige mögliche Erklärung...

"Wo ist dein Bruder Artjom, Ace?", fragt nun der Erste der Beiden und ich schaue einen Moment unsicher zur Schlafzimmertür, ehe ich in die Küche gehe und mit zwei Gläsern und einer Flasche Wasser wiederkomme. "Nicht da.", meine ich schnell und reiche den Polizisten das Wasser. Sie nicken und der Erste seufzt wieder. "Ehm... Mein herzliches Beileid...", meint er dann und ich sehe ihm an, dass er nicht so recht weiß, wie er es sagen soll. Also übernehme ich es für ihn. "Mein Vater ist tot, nehme ich an. Wie ist er gestorben? Hat er andere verletzt?", frage ich dann und beiße mir innerlich auf die Zunge. Es tut weh, so über meinen Vater denken zu müssen, aber ich traue ihm in seinem Zustand alles zu.

Die Beiden Männer vor mir tauschen einen Blick aus und schütteln dann ihre Köpfe. "Nein. Er hatte einen Autounfall. In seinem Blut wurden mehrere Betäubungsmittel festgestellt und die Straßen waren glatt. Er ist frontal auf einen Baum gefahren. Er wurde erst Stunden nach dem Unfall gefunden und für ihn kam leider jede Rettung zu spät."

Ich nicke und mein Kopf schiebt diese Information nach hinten. Ich muss mich nun um andere Dinge kümmern... "Okay. Danke dass Sie sich die Zeit genommen haben mir dies mitzuteilen. Ich muss jetzt aber los, sonst bekomme ich Ärger von meinem Arbeitgeber. Wenn wir also das Gespräch vertagen könnten...", meine ich um die Polizisten loszuwerden. Und tatsächlich klappt das erstaunlich gut. Sie tauschen erneut einen Blick aus, den ich nicht deuten kann und verlassen mit wenigen Worten das Haus.

Kaum ist die Türe hinter ihnen ins Schloss gefallen, lasse ich mich an ihr herab auf den Boden gleiten und raufe mir die Haare. Ein paar vereinzelte Tränen rollen mir meine Wange herab und ich starre auf den Boden vor mir. Ich hatte es so im Gefühl. Als er gestern einfach so gegangen ist... Und dann als er heute morgen nicht da war. Doch so wirklich realisieren kann ich es nicht. Ich nehme Schritte wahr und schaue auf. Artjom steht mit roten Augen vor mir und ich weiß genau, dass er alles gehört hat. Ich stehe auf und nehme ihn stumm in den Arm. "Es tut mir leid...", murmle ich und meine dies wirklich so. Unser Leben geht den Bach runter, nur weil ich damals nicht aufgepasst habe...

Ich löse mich nach einer Weile von ihm und er schaut mit leeren Augen auf die Seite. Er hatte immer die Hoffnung, dass unser Vater eines Tages zur Besinnung kommt und nicht mehr die Hand gegen uns erheben wird. Dass wenigstens er wieder zu dem alten Vater wird, den den wir geliebt haben... Der der uns geliebt hat. Doch nun ist ihm diese Hoffnung genommen und somit auch jeder Weg in unser altes, normales Leben. "Ruh dich heute aus... Ich werde bei deinem Chef anrufen und ihm erklären, dass du krank bist... Ich werde arbeiten gehen und das nötigste für das Wochenende kaufen und komme so schnell es geht wieder okay?", frage ich mit leiser Stimme und er nickt leicht, ehe er sich umdreht und auf unser Zimmer geht.

Also schnappe ich meine Sachen und verlasse das Haus. Es ist kalt, aber zum Glück haben wir viele warme Klamotten und so muss ich nicht frieren. Der Weg zur Bushaltestelle ist wie immer ereignislos. Abgesehen von ein paar Menschen, denen ich begegne und die ich alle mit einem gemurmelten "Добрый день" nicht weiter beachte. Auch die Busfahrt ist wie immer und die leise Musik, die ich im Hintergrund vernehmen kann, lässt zu, dass ich ins Grübeln gerate. Wie wird unser Leben nun weiter gehen? 

Ich bin noch keine achzehn Jahre alt. Also kann, oder eher darf ich nicht alleine mit meinem Bruder wohnen. Außerdem weiß ich gar nicht über alle Rechnungen und Versicherungen bescheid... Was muss ich da alles machen und wie melde ich den Tod meines Vaters? Muss ich das überhaupt? Oder regelt sich das alles von alleine? Was wird mit den ganzen Gegenständen passieren? Die Wohnung? Das Auto? Stimmt, das ist ja kaputt, aber muss ich deshalb jetzt etwas zahlen? und wie finanziert sich die Beerdigung? Werden unsere Verwandte benachrichtigt? Ich bin so in Gedanken, dass ich mit einem Mal fast meine Haltestelle verpasst habe.

Den Tag bei der Arbeit verbringe ich so teilnahmslos wie es mir nur möglich war und die ganze Zeit fahren mir diese Gedanken durch den Kopf. Ich hoffe nur, dass wir die Schule hier beenden können... Auf dem Heimweg kaufe ich noch ein und als ich an dem Regal mit den Bierflaschen vorbei komme, bricht es über mich ein. Ich habe meinen Vater verloren. Meine Mutter und meine Schwester. Ich bin an allem schuld und der einzige, der nun noch geblieben ist, ist Artjom. Ich bin ein schlechter Sohn und ein noch schlechterer großer Bruder. Nur wegen mir sind sie alle tot. Ich bin an allem Schuld.

Mit den Nerven total am Ende begebe ich mich auf den Heimweg und  mache mir mehr und mehr Vorwürfe. Als ich daheim ankomme und das Zimmer von mir und Artjom betrete, werde ich bleich. Er ist nicht da. "ARTJOM?!", rufe ich durch die Wohnung, doch auch nachdem ich jeden Millimeter durchsucht und ihm mehrere Male angerufen habe, ist nirgend wo ist eine Spur von ihm. Komplett am Ende lasse ich mich neben dem bett auf den Boden sinken und starre mein Handy an. Wieso geht er nicht an sein Handy? Ist er abgehauen? Oder ist ihm etwas passiert? Dann bemerke ich das grüne Leuchten an der oberen Ecke und erinnere mich an den Anruf meines Vaters, den ich vergangene Nacht ignoriert habe.

Mir wird schlecht und ich werde ganz bleich. Ist das die letzte Gelegenheit gewesen, ihn zu hören und ich habe ihn einfach ignoriert? Soll ich sie anhören?

 Ist das die letzte Gelegenheit gewesen, ihn zu hören und ich habe ihn einfach ignoriert? Soll ich sie anhören?

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The SHADOWside of AceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt