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Es vergehen fünf Wochen

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Es vergehen fünf Wochen. Die Beerdigung war vorbei und Artjom hatte Geburtstag. Doch wirklich gefeiert haben wir nicht... Fünf  Wochen in denen ich die meiste Zeit nur in meinem Zimmer sitze und aus dem Fenster schaue. Die Schneehöhle - oder eher das, was ich nach einem Wutanfall von ihr übrig gelassen habe - ist genau in meinem Blick und erinnert mich jeden Tag aufs neue daran, dass ich meine Schwester nicht retten konnte. Opa Sergej hat mir erklärt, dass ich zu schnell war. Das ich sie zu schnell wieder erwärmt hatte und ihre Organe, vor allem ihr Gehirn davon bleibende Schäden abbekommen hat.

Er meint auch, dass ich mir nicht die Schuld geben soll. Woher soll ein Kind das denn wissen? Und er meinte auch, dass meine Schwester schon viel früher hätte rein gehen sollen. Aber sie hat uns nichts gesagt... Ich gebe mir die Schuld und so schnell wird sich daran auch nichts ändern. An der Türe klingelt es, doch ich ignoriere es. Es ist bestimmt noch jemand anderes im Haus... Weiterhin schaue ich nur nach draußen und auf die Überreste der Schneehöhle. Ich kann mich noch an ihr strahlendes Gesicht erinnern, als wir uns angezogen haben....

"Ace... Da sind zwei Männer an der Türe...", meint nun eine leise Stimme. Ich schaue auf und erkenne Artjom. Seit dem Vorfall haben wir nur sehr wenig miteinander gesprochen. Er meidet uns und redet nur mit seinen Freunden. Ihn nun so ängstlich zu sehen ist seltsam und direkt klingelt eine Alarmglocke in meinem Kopf. "Wo...?", frage ich und stehe schon auf, nehme mir eine meiner Sportjacken und ziehe sie über mein Shirt, ehe ich meinem Bruder ins Wohnzimmer folge.

Ich bleibe an der Türe stehen und schaue mir die beiden Personen an. Sie haben Uniformen an und sind nicht schwer als Polizisten auszumachen. In mir kommt ein ungutes Gefühl auf. Wieso sind sie hier? Kommen sie wegen mir? Habe ich meine Schwester getötet? "Hallo? Wie kann ich Ihnen helfen?", frage ich aber und gehe auf die beiden Männer zu. Der eine, der sich die Bilder auf dem Kamin angeschaut hat, dreht sich zu mir um und schaut mich an und direkt weiß ich, das etwas nicht normal ist. Auch der andere Polizist, der gerade aus dem Fenster geschaut hat kommt zu seinem Kollegen und schaut nicht weniger erfreut. Unsicherheit macht sich in mir breit und ich merke auch, wie sich mein Bruder etwas hinter mir versteckt. Auch wenn er erst vor wenigen tagen dreizehn geworden ist merkt er, dass hier etwas nicht stimmt. 

"Ist euer Vater zu Hause?", fragt der erste und ich schüttle meinen Kopf. "Nein. Er und unsere Mutter sind arbeiten.". Die beiden Polizisten schauen sich einen Moment an, dann seufzt der zweite und nickt etwas. "Zieht euch bitte etwas an, wir müssen euch mitnehmen und zu eurem Vater bringen.", erklärt er und ich verstehe nicht genau, was er hat. Dennoch gehe ich mit Artjom zusammen in den Flur und wir ziehen uns etwas an. Das haben wir schon früh gelernt. Wenn es darauf ankommt, muss man auf jeden Fall hören und das machen, was man gesagt bekommt. Dann gehen wir den beiden Polizisten nach und steigen in das Polizeiauto. Früher war es immer mein Wunsch in einem solchen mal mitfahren zu dürfen, doch heute ist es anders. Ich fühle mich nicht gut. Irgendetwas liegt in der Luft.

Als wir bei der Arbeit von unserem Vater ankamen, steht dieser schon vor der Türe. Seine Augen sind rot und er zieht uns Beide direkt fest an sich. Wir verstehen nicht was los ist, doch als er mit uns zusammen auf den Boden sinkt, verstehen wir endlich, was er sagt. "Sie ist tot.... tot....tot....". Immer wieder sagt er diesen Satz und erst meine ich, er bezieht das Ganze wieder auf Alena. Doch als dann einer der Polizisten zu uns kommt und leise auf meinen Vater einredet, begreife ich, das dies nicht der Fall ist. "Mein Beileid..." und "Identifizieren um Identität zweifelsfrei klar zu stellen" sind die einzigen Wortfetzen, die ich aufnehme und ich bekomme große Augen.

"Mama...?", frage ich mit brüchiger Stimme und bekomme meine Antwort relativ direkt. Die roten Augen meines Vaters zeigen mir dies.

Die darauffolgenden Wochen habe ich wie in Trance durchlebt. Ich habe nicht realisiert wie wir eine zweite Beerdigung arrangiert haben und diese abgehalten wurde, wie ich nun die zweite Person in meinem Leben auf dem Friedhof besuchen muss. Ich habe viel in meinem Zimmer gesessen, wenig geschlafen und wenig gegessen. Mir ist der Appetit vergangen und es gibt niemanden, der mich dazu hätte bringen können. 

Es war Selbstmord. Sie hat einen kurzen Brief hinterlassen in welchem sie meinte, dass sie mit der Situation einfach nicht klar gekommen ist und zu ihrem Baby will. Zwar hat mir niemand Vorwürfe gemacht, doch in meinem Bewusstsein hat sich eingebrannt, dass ich an all dem Schuld bin. Ich habe Alena getötet und damit auch meine Mutter.

Es ist nun ein halbes Jahr vergangen und ich komme gerade von meinem Nebenjob an einem Imbiss zurück, als ich das erste mal seit langem aus meinem Tranceartigen Zustand erwache. Verwirrt bleibe ich stehen und schaue auf meine Hände. Ist das nun das Leben, was ich leben will? Ich wollte immer studieren gehen und eine tolle und spannende Arbeit machen, doch nun stehe ich hier und mache neben der Oberstufe einen Minijob um Geld für meine Familie zu haben. Seit dem Tod meiner Mutter ist mein Vater in ein tiefes Loch gefallen. Er trinkt viel und nimmt die ein oder andere Droge. Er will den ganzen Schmerz vergessen und ich kann ihn voll und ganz verstehen. Genau deshalb sage ich auch nichts dagegen und lasse es zu, dass er das Geld, das wir eigentlich dringend brauchen für sich nutzt.

Niedergeschlagen gehe ich weiter und schließe daheim die Türe auf, nur um direkt mit einer leeren Bierflasche beworfen zu werden. "Nichtsnutz! Bring mir mehr Bier!", werde ich angefahren und schaue traurig auf den Boden. Er macht mir Vorwürfe. Ich habe ihm seine Tochter und seine Frau genommen, sagt er immer. Man sagt ja immer, betrunkene sind ehrlich... Leider schmerzt diese Ehrlichkeit sehr... Ich nicke aber nu und gehe in die Küche. Dort ist Artjom und ein Mann, den ich schon ein zweimal hier gesehen habe. Doch er wirft mir nur einen schnellen Blick zu und schiebt dann meinem Bruder etwas zu, ehe er das Haus verlässt. Ich frage nicht weiter nach und gebe meinem Vater das Bier.


Wenn ich meine Augen nicht so verschlossen hätte... Nachgehakt hätte.... Sähe mein Leben dann anders aus?

 Sähe mein Leben dann anders aus?

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The SHADOWside of AceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt