#35 Saft im Gesicht

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»Was fällt euch eigentlich ein?!«

Shelter und ich bleiben mucksmäuschenstill. Noch nie in meinem Leben habe ich mich in Shevres Büro so verdammt unwohl gefühlt. Ich beginne meine Hände zu kneten - eine nervige, neue Angewohnheit von mir.

Shevre beobachtet uns mit funkelnden Augen und wird noch rasender, als wir nicht antworten.

»Einfach so einen Pick Up kapern und ihn auch noch beschädigt zurückbringen! Ich fasse es nicht!«

»Wir konnten nichts dafür, wir wurden angeschossen«, mische ich mich ein.

»Und du«, er deutet mit dem Zeigefinger auf mich, sodass ich in meinem Sitz zurückschrecke, »Du hast verdammt nochmal Riesenglück gehabt! Beinahe hätte die Kugel deinen Schädel durchbohrt, ist dir das bewusst? Du hättest sterben können, Amory, verstehst du das nicht?«

»Es ist nicht ihre Schuld.«

Unsere Köpfe schießen in Shelters Richtung. Das ist das erste Mal, dass er heute etwas gesagt hat.

»Das alles war meine Idee«, fügt er hinzu.

Shevre durchbohrt ihn mit seinen Blicken. »Warum zum Teufel? Warum hast du das getan?«

»Am ging's nicht gut - ich wollte sie ablenken, sie aufmuntern-«

»Und sie mal ganz nebenbei umbringen lassen?«, unterbricht mein Boss ihn.

»Nein«, erwidert mein bester Freund standfest. Ich bin ein wenig beeindruckt. »Das wollte ich bestimmt nicht. Sie haben selbst gesagt, dass ich der Einzige bin, der ihr geben kann, was das Beste für sie ist! Und zwar sich selbst. Das habe ich nur versucht, zu tun«, Shelter wird ruhiger, »Ich wollte nur gehorchen.«

Meine Augen wandern zu Shevre, der sich von mal zu mal wieder entspannt. Sein Blick wird weicher - und ich bin sichtlich verwirrt. Shelters Worte scheinen Wirkung zu haben.

»Es tut mir leid, dass die Sache so stark ausgeartet ist. Das Letzte, was ich will, ist Amory zu verlieren. Das wäre beinahe geschehen und es wird nie wieder vorkommen«, fügt er noch hinzu.

Überrascht schaue ich ihn an. Ich bin ... gerührt. Das Einzige, was ich jetzt tun kann, ist Shelters Hand zu nehmen. Er drückt sie dankbar.

Shevre setzt sich in seinen Schreibtischstuhl, er wirkt erschöpft. »Gut«, beginnt er schließlich, »Diese Begründung lasse ich gelten.«

Shelter und ich atmen hörbar erleichtert aus.

»Das heißt aber nicht, dass ihr ohne eine Strafe davonkommt«, fährt Shevre scharf fort. Wir sehen ihn erwartungsvoll an.

Sein Fokus legt sich abwechselnd auf Shelters und dann auf mein Gesicht. »Kantinendienst. Ihr beide werdet für die nächsten Wochen jeden Abend nach dem Essen die Tische abwischen und das schmutzige Geschirr wegbringen. Verstanden?«

Okay, ich habe mit einer härteren Strafe gerechnet. Freudig schaue ich Shelter an, der mich ansieht, als würde ihm gerade ein Stein vom Herzen fallen.

»Ihr könnt gehen«, sagt Shevre dann.

Shelter und ich lösen unsere Hände voneinander und gehen auf den Ausgang zu. Als mein bester Freund bereits das Büro verlassen hat, drehe ich mich noch einmal zu meinem Chef um.

»Shevre?«

Er sieht müde zu mir auf.

»Danke«, sage ich und meine es zu hundert Prozent aufrichtig.

Mein Boss nickt und ich trete aus dem Zimmer.

. . .

»Wir wussten beide von Anfang an, dass wir erwischt werden«, beginnt Shelter, während wir uns noch am selben Mittag auf den Weg zur Kantine machen, »Aber ich verstehe nicht, wie. Wie konnte Shevre uns erwischen? Uns hat doch gar niemand gesehen.«

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