#44 2. November

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(2. November 2026)

Heute ist mein 16. Geburtstag.

Es fühlt sich so anders an - so gut.

In der Schule treffe ich auf meine beste Freundin, Caren. Sie und ein paar andere Freunde von mir umarmen mich herzlich und gratulieren mir, als sei ich etwas Besonderes. Vielleicht bin ich das ja auch - zumindest für diesen einen Tag.

Und dann schaue ich auf und sehe ihn. Diesen Jungen mit hellblondem Haar und mattgrünen Augen. Diesen Jungen, der einst mein bester Freund war, der einst alles für mich war. Diesen Jungen, dem ich schon seit Ewigkeiten aus dem Weg gehe, weil ich das Gefühl habe, es nicht verkraften zu können.

Er sieht mich an und ich weiß genau, dass er weiß, dass ich Geburtstag habe. Aber Shelter tut nichts. Er sieht mich einfach nur an. Und ich sehe ihn an.

Eine andere Freundin von mir kommt auf mich zu und schließt mich in ihre Arme, doch ich halte dem Blickkontakt zwischen ihm und mir stand.

Gratulier mir! Umarme mich! Sag, dass alles gut wird und du immer noch der Junge bist, der du einst warst!, schießt es mir durch den Kopf.

Doch er tut's nicht.

Sein Blick ist so dunkel. Ich kann es nicht ganz beschreiben, aber es ist so ... anders. Wo ist das Licht in diesem Mattgrün? Wo ist die Freude? Wo ist mein Freund?

Kurz nachdem er den Blickkontakt unterbricht, schaue ich ebenfalls weg.

Der Moment ist vorbei.

Seine Chance ist vertan.

Ich gehe keinen Schritt weiter.

Ich bleibe einfach nur stehen.

Happy Birthday, Amory, happy Birthday.

. . .

Ruckartig wache ich auf. Ich setze mich auf und schaue mich um.

Mein Zimmer ist dunkel. Ich hebe mein rechtes Handgelenk und betrachte das Display meines Kommunikators.

Es ist sechs Uhr in der Früh.

Wir haben den zweiten November 2030.

Ich wende meinen Blick ab.

Heute ist mein 20. Geburtstag und ich kann nicht mehr schlafen.

. . .

Eine Viertelstunde später betrete ich die riesige Trainingshalle und steuere direkt auf den üblichen Kampfring zu. Niemand ist hier, ich bin allein. Nur mein Ring wird beleuchtet.

Ich schnappe mir die Verbände und binde sie um meine Gliedmaßen, um sie zu schützen. Dann steige ich über die Seile und in den Ring, positioniere mich.

Mein letztes Training ist Ewigkeiten her.

Ein letztes Mal hole ich tief Luft, dann packe ich alle Kraft in den Eröffnungsschlag: Meine Faust hechtet nach vorne, der Boxsack gibt ein stumpfes Geräusch von sich.

Dasselbe tue ich auch mit der anderen Hand. Links. Rechts. Links, rechts, links, rechts, bis mir langweilig wird.

Ich nähere mich dem Sack und bringe meine Ellbogen mit ins Spiel.

Shelter is your NameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt