Weitere Tage vergehen, in denen ich Jason zum Glück nicht mehr direkt begegnet bin. Ich habe keine Ahnung, was ich denken, geschweige denn fühlen soll. Wir haben uns verdammt nochmal geküsst - und das nicht nur ein Mal!
Und es hat sich so gut angefühlt. Ich weiß, dass ich das nicht denken sollte, aber dieser Gedanke lässt sich einfach nicht aus meinem Kopf verbannen, so sehr ich es auch versuche. Da ist immer dieses Bild in meinem Kopf: Jasons Hände an meiner Taille, seine Lippen auf den meinen... Ich sollte wirklich aufhören und mich mehr darauf konzentrieren, den Tisch vor mir zu putzen.
Es ist Dienstagabend und Shelter und ich verbringen ihn mit Kantinendienst.
»Also«, beginnt mein bester Freund am Nachbartisch, während er den Lappen in den Putzeimer taucht und auswringt, »Du - und Jason?«
Ich halte mit meiner Arbeit inne. Seufze. Dann werfe ich Shelter einen Blick zu und bemerke, wie er mich zweifelnd mustert. Ich schaue wieder auf mein durchnässtes Tuch. »Ich weiß es nicht«, gebe ich zu.
»Du weißt es also nicht«, entgegnet er mir beiläufig, dann beginnt er, den Tisch abzuwischen, »Und warum küsst du ihn dann?«
»Ich weiß es nicht!«, erwidere ich gereizt, reibe mit dem Putzlappen gewaltsam über den Tisch, der darauf ein elendes Quietschen von sich gibt.
»Kein Grund die Tischplatte dermaßen zu misshandeln«, murmelt Shelter.
Ich ignoriere seine Bemerkung und fokussiere mich auf meine Arbeit, die - um ehrlich zu sein - kein Stück Spaß macht. Vielleicht sollte es das, weil ich meinen besten Freund an der Seite habe, aber wenn dieser solche demütigenden Fragen stellt, tut's das eben nicht.
Schließlich ist es still, bedrückend still. Ich weiß, dass Shelter will, dass ich fortfahre, aber ich bin mir einfach nicht sicher. Kann ich mit ihm denn über Jungs reden? Er ist ebenfalls einer.
»Na gut«, schnaube ich, »Vielleicht mag ich Jason ja noch.«
»Vielleicht auch mehr als das?«
Ich zucke zögernd mit den Schultern. »Eventuell. Ich meine, unsere Trennung ist noch nicht so lange her.«
»Zirka einen Monat, um genau zu sein«, bemerkt Shelter.
Meine Augenbrauen schießen nach oben, ich schaue ihn von der Seite an, während ich mich über den Tisch beuge. »Du zählst also die Tage unserer Trennung?«
Er beäugt mich missmutig, wischt. »Bilde dir bloß nichts ein, Am. Ich zähle nicht die Tage eurer Trennung, sondern die meiner beinahen Abreise.«
Sofort bin ich still. Ich bringe nur ein »Oh« hervor.
Shelter packt seine Putzsachen zusammen und geht auf den nächsten Tisch zu, ich tue es ihm nach. Wir sind nun weiter voneinander entfernt, deswegen spricht er lauter, damit ich ihn verstehen kann: »Ich bin ja der Meinung, dass du noch volle Kanne auf den Typen abfährst.«
Ich grinse. »Du hörst dich schon an wie Kenji.«
»Abgesehen davon, dass ich nicht schwarz bin.«
»Ich habe auch nichts von Aussehen gesagt, sondern von Anhören!«, erwidere ich kopfschüttelnd.
»Vielleicht hänge ich zu viel mit ihm rum, wenn du nicht da bist und dich mit deinem Ex vergnügst«, sagt Shelter und ich kann mir sein dreckiges Lächeln schon vor Augen halten.
»Ich warne dich«, zische ich, dann drehe ich mich zu ihm um, nur um zu bemerken, dass er es ebenfalls schon getan hat.
Shelter wirft mir einen viel sagenden Blick zu. »Nur zu.«
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Shelter is your Name
Ficção Científica»When I was young I didn't understand, but now, I know how absence can be present, like a damaged nerve, like a dark bird.« - Audrey Niffenegger, The Time Traveler's Wife Amory Sawyer ist eine Auftragskillerin der ICCJ - der International Central Co...