#14 Flashback 2.0

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(8 Jahre zuvor, damals waren beide 12 Jahre alt)

Heute ist Silvester und Shelter kommt zu uns, um mit uns zu feiern. Er wird hier übernachten und ich freue mich schon sehr darauf! Das wird bestimmt lustig.

Daddy und ich haben extra viele Raketen gekauft.

Shelter hat außerdem seit neuestem eine Freundin, sie ist ein wenig älter als ich und ihr Name ist Céline. Ich glaube, sie hat französische Wurzeln.

. . .

Es klingelt an der Haustür und ich renne voller Vorfreude die Treppen herunter, stolpere fast, kann mich jedoch im letzten Moment noch auffangen.

Ich öffne die Tür und mein bester Freund grinst mir entgegen.

»Hi, Am!«, begrüßt er mich.

Ich lächle ihn an und bitte ihn herein, während seine Eltern uns noch einen guten Rutsch wünschen und zu einer Silvesterparty aufbrechen.

Shelter sagt meinen Eltern und meinen zwei Brüdern noch Hallo, bevor wir in meinem Zimmer verschwinden und Videospiele spielen. Noch 5 Stunden, dann ist Neujahr.

Während wir uns virtuell bekämpfen und er mich besiegt, freut er sich nicht einmal. Zumindest nicht so, wie ich es von ihm gewohnt bin.

Irgendwie ist er heute komisch. »Shelter, was ist los?«, frage ich ihn.

Er legt den Controller beiseite und seufzt niedergeschlagen.

Ich hab's doch gewusst, irgendwas stimmt da nicht!

»Ich habe eben mit Céline geschrieben«, beginnt er und ich erahne nichts gutes.

»Und weiter?«, hake ich nach.

»Sie hat mich gefragt, mit wem ich Silvester verbringe und da habe ich ihr die Wahrheit gesagt: Dass ich bei dir, einer guten Freundin, übernachte.«

»Oh«, bringe ich nur heraus, »Und wo liegt jetzt das Problem?«

»Sie findet es nicht so toll, dass ich bei einem Mädchen übernachte.«

Ich runzle verwirrt die Stirn. »Aber das ist doch Schwachsinn! Wir sind seit Jahren beste Freunde, was soll schon groß dabei sein?«

Shelter zuckt mit den Schultern, seine mattgrünen Augen schauen ratlos auf den Boden. »Genau das versteht Céline nicht und jetzt haben wir Streit. Sie meint, ich solle mich entscheiden.«

Meine Augen weiten sich. »Du sollst dich zwischen Céline und mir entscheiden?«

Sein Blick wandert zu mir. »Ja.«

. . .

Am Neujahrstag geht Shelter kurz nach Hause, nur um am Nachmittag wieder zu mir zu kommen. Wir haben uns für heute noch einmal verabredet.

»Ich hab mit meiner Mutter gesprochen«, erzählt er mir, als wir uns wiedersehen.

»Über die Sache mit Céline?«

Er nickt. »Ich habe sie gefragt, was ich jetzt tun soll. Einerseits ist Céline meine Freundin, aber andererseits bist du meine beste Freundin.«

Ich habe Angst, dass er sich gegen mich entscheidet. Ich schlucke. »Und?«

»Meine Mutter war der Ansicht: Céline wird nicht immer meine feste Freundin bleiben, aber bei uns sind die Chancen groß, dass wir noch lange befreundet sind. Also habe ich mich für unsere Freundschaft entschieden. Du bist mir wichtiger.«

Erleichtert atme ich aus. »Was passiert jetzt mit Céline und dir?«

»Wenn sie nicht damit klarkommt, dass du in mein Leben gehörst, dann will ich sie nicht mehr als meine Freundin.«

. . .

Damals hat Shelter sich für mich entschieden. Ich war ihm wichtiger als die Liebe.

Doch schon nach zwei Jahren sah die Welt anders aus. Wir wurden älter und die ersten Partys fanden Platz in Shelters Leben. Wir verloren den Kontakt, gingen nicht einmal auf dieselbe Schule.

In dieser Zeit hätte er für mich nicht einmal eine Feier sausen lassen.

Seine Mutter hatte nicht Recht behalten. Unsere Freundschaft nahm kein gutes Ende, auch wenn sie meinte, sie würde lange bestehen.

Ein weiteres Jahr später begann ich ebenfalls auf die ein oder andere Party zu gehen und an einem Abend habe ich mich zu übernommen, ich konnte schon nicht mehr klar denken. Und genau dann traf ich ihn nach einigen Monaten ohne jeglichen Kontakt wieder.

Ich bin zusammengebrochen, wusste nicht, was ich tue, als ich mich in seine Arme warf und ihm alles beichtete. Dass ich ihn vermisste, dass alles meine Schuld war, weil ich mich nie gemeldet habe, obwohl er immer derjenige war, der den ersten Schritt gemacht hat.

Doch seine Worte blieben nur bei einem "Du tust mir voll leid" und nicht bei einem "Ich vermisse dich auch"; so wie ich es mir gewünscht hätte.

Shelter is your NameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt