Kapitel 7.

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Der Weg in den Wald war beschwerlich, jeden Tag musste man ihn wiederholen. Durch den Matsch kriechen, durch das Holz brettern, falls jemand einen verfolgt.

Sie konnten sich nicht im Dorf verwandeln, das wäre zu auffällig gewesen. Die dunkelrote Wölfin preschte durch den Wald, sie war die schnellste der Werwölfe. Links von ihr sah sie bereits die anderen. Sie waren heute früher aufgebrochen, als sonst. Sie mussten noch ihr nächstes Opfer auswählen.

Die Kleine, die sie gesehen hatte, musste sterben, das wussten alle, aber erst der weiße Wolf konnte es bestimmen.

Der große Sammelplatz, auf dem die Werwölfe sich trafen, war schon voll von ihnen; auf einem großen Steinkreis saßen der hübsche Hellbraune, mit den leuchtend blauen Augen, die schlanke und grazile dunkelbraune Wölfin, davor ein Kleiner, Schwarzer. Einer war in der kleinen Höhle unter den Steinen. Ein Alter, mit grauem Fell.

Neben dem weißen Wolf, der ebenfalls gerade erst angekommen war, lief ein weiteres kleines Mädchen, wenn man sie denn so nennen konnte. Ihr Fell war braun- schwarz gefleckt.

Der weiße Wolf sprang mit einem Satz auf einen der großen Steine, dem Höchstgelegenem, und forderte die Anderen mit einem lauten Knurren auf, ruhig zu sein.

Ihr Anführer hatte entschieden.

Mit ein paar weiteren Lauten teilte er ihnen ihr nächstes Opfer mit:

Sie.

Alle wussten genau, wer gemeint war. Sofort schwärmten sie aus, um die Kleine zu finden und zu töten.

Swens Leben war niemals besonders leicht gewesen. Er war Lehrer an der kleinen Schule in einem kleinen Dorf. Sein Leben widmete er kleinen, undankbaren Kindern. Aber er war ein guter Lehrer.

Sein Haus war klein und stand direkt am Rand des Dorfes. Nicht der Rand zum Wald, das wäre zu diesen Zeiten nahezu lebensmüde gewesen, an dem anderen Ende. An seinem Ende war es viel besser. Keine Werwölfe. Er wohnte nur wenige Meter entfernt von der Schule und von der Kirche. Und keine Werwölfe. Swen hasste die Werwölfe. Nicht nur das, er hatte regelrecht Angst vor den Biestern. Aber alle, die ihnen zum Opfer gefallen waren, stammten aus der anderen Hälfte. Die Werwölfe würden nicht zu ihm gelangen, dessen war er sich sicher.

Swen war allerdings auch heilkundig. Viele Kinder hatten schlimme Krankheiten, auch seine Tochter war daran gestorben.

Wie schon gesagt, sei Leben war nicht leicht gewesen.

Nach ihrem Tod hatte er sich geschworen, jedem Kind zu helfen.

So war der Mann, der nur Lehrer gewesen war, schnell zu einem Arzt geworden. Doch er unterrichtete weiter. Swen war ein angesehener Mann im Dorf.

Swens Leben war fantastisch gewesen seit damals und bis vor einem Jahr. Sie hatten ein zweites Kind bekommen, einen Sohn, aber auch ihm war das Leben nicht vergönnt gewesen. Er und seine Mutter waren damals in einem Unfall gestorben.

Immer wieder schien das Leben besser zu werden, um dann nur seine Liebsten in den Tod zu reißen. Swen hasste sein Leben. Er hatte beschlossen, mit den Jahren, die er noch auf dieser Erde verbringen durfte, anderen zu helfen.

Es war nachts geworden, zum vierten Mal, seit dem ersten Angriff der Werwölfe. Swen verließ die Schule erst spät. Mit einer Lampe bewaffnet verließ er das Gebäude. Er wollte nur noch nach Hause, die paar Meter legte er in Eiltempo zurück. Kurz vor seiner Haustür blieb er stehen. Er drehte sich um. Hatte er nicht etwas gehört?

Er bekam Gänsehaut, es war kalt und dunkel und – Da, ein Knurren!

Aus einer der Gassen kamen Geräusche. Swen stellten sich die Nackenhaare auf. Es waren eindeutig Tiere zu hören.

Er leuchtete in die Richtung, konnte aber in dem spärlichen Licht kaum etwas erkennen.

Swen fasste sich ein Herz. Langsam und zitternd, die Lampe wie einen Schild vor sein Gesicht haltend, näherte er sich der engen  Straße.

Plötzlich ein spitzer Schrei.

Fliehende Wölfe. Er konnte ihre Schwänze gerade noch sehen.

Flohen sie etwa vor ihm?

Schneller lief der ängstliche Lehrer in die Gasse.

Nichts. Dunkelheit.

Erst, als er den Lichtschein langsam nach unten bewegte, erkannte er ein blutverschmiertes Mädchen.

Neele!

Der Gedanke bahnte sich einen Weg zu seinem Mund und er schrie ihn Laut hinaus.

Er bückte sich.

Sie atmete noch schwach.

Entschlossen packte er sie und trug sie auf den Schultern n sein Haus, um sie in besserem Licht genauer untersuchen zu können.

Die Werwölfe von DüsterwaldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt