„Wir wussten schon lange von deiner Existenz“, begann der große Wolf.
„Deine Mutter...“, die Bestie blickte gedankenverloren in das fallende Wasser eines kleinen Baches.
„Sie war meine Schwester.“ Er sah Vitus einmal kurz vernichtend an, bevor er weitersprach.
„Sie war bereits verlobt. Sie hätte alles haben können!“, rief er beinahe verzweifelt. Zustimmende Jaulgeräusche von allen Seiten. Lina stupste Vitus auffordernd an.
„Doch sie hat das Leben als Mensch“, abfällig betonte er das letzte Wort, „vorgezogen. Sie hat sich in einen Menschen verliebt!“
Erneut taten die Wölfe ihre Beipflichtung kund. Vitus fühlte sich auf einmal ganz klein und verloren.
„Wir dachten damals“, der Anführer betrachtete ihn abschätzig.
„Dass du nicht besser wärst als die Normalen. Wir haben dich damals nicht weiter beachtet. Doch jetzt stellt sich mir heraus, “, er lachte einmal kurz und laut auf, „ du brauchtest nur die richtige Motivation.“ Dieser Satz traf Vitus direkt. Wie makaber, den Tod zweier geliebter Menschen innerhalb einer Woche als Motivation zu bezeichnen!
„Ich werde dich lehren, einer von uns zu sein.“
Der Abend brach herein. Wie jeden Abend schlug Swen Feuerholz zum Heizen in der Nacht.
Mit einer kleinen Axt bewaffnet schlich er zu einer kleinen Baumgruppe, unter deren schützenden Ästen und einigen Holzbrettern er das Feuerholz lagerte. Er sammelte ein paar tote Äste zu den trockenen Stämmen, denn sonst würden sie nicht den gesamten Winter über halten. So schlich Swen mit einem Stapel Holz in den Armen wieder zu seiner Haustür zurück.
Plötzliche Schritte ließen den Lehrer aufschrecken. In der Ferne sah er einen wankenden Lichtkegel, der direkt auf ihn zukam. Schnell ließ er das Holz fallen und versuchte hastig, seine Laterne zu entzünden. Gerade als er das Feuer in der Lampe entfacht hat, schien sich der entfernte Lichtkegel wieder zu entfernen. Swen atmete entspannt auf, als er plötzlich einen Atemzug an seinem Hals spürte, gefolgt von einem schrillen und amüsierten „Buh!“.
Swen fuhr herum und streckte die Laterne in die Richtung des Unbekannten. Erst konnte er in dem schwachen Schein nichts sehen, dann erkannte er schließlich den grinsenden Ciwan.
Der Dorfdepp trug seine typische schrille Kleidung, wie immer:
Flicken und Fetzen verschiedener Farben, die scheinbar nur von ein paar Stoffbändern zusammengehalten wurden. Über die hatte er allerdings diesen Abend eine edle Jacke gezogen, die ihn seltsam unauffällig wirken ließ, sodass Swen den Blick nicht von dem Kleidungsstück reißen konnte. Ciwan bemerkte dies und erklärte knapp und grinsend:
„Geklaut“.
Bevor Swen etwas erwidern konnte, zog Ciwan ihn aufgeregt zu der Gasse, aus der er zuvor den Lichtkegel gesehen hatte. Swen wehrte sich kaum.
An der Gasse angekommen trafen sie auf Salim, der anscheinend bereits auf sie gewartet hatte und an einer Hauswand lehnte. Als er sie sah, stieß er sich lässig ab und kam ihnen entgegen. Ciwan hüpfte aufgeregt auf der Stelle.
„Ich hab ihn gefunden!“
Der Dorftrottel freute sich wie ein kleines Kind. Salim schien das aber nicht zu stören.
„Wir müssen etwas unternehmen.“, begann er ernst.
„Die Werwölfe. Wir müssen sie aufhalten!“
Swen stand nur perplex da, bis er fragte:
„Was habe ich damit zu tun?“
„Du hast das Mädchen gerettet“, antwortete Salim lächelnd, „Und wir wissen, dass du Tränke herstellen kannst, die uns helfen könnten. Ciwan hat es gesehen.“, dabei zeigte er auf den Dorfdeppen neben ihn, der in diesem Moment einen überflüssigen Handstand vollführte.
„Wie lange verfolgt ihr mich schon?“, war Swens nächste Frage. Salim rechtfertigte sich:
„Wir haben es durch Zufall gesehen. Wir verfolgen niemanden. Jetzt will ich von dir wissen: Schließt du dich uns an?“
Swen kam nicht mehr zu einer Antwort. Mit einem Sprung stellte Ciwan sich wieder auf die Beine und schaute alarmiert umher. Im selben Moment zerriss ein schriller Schrei die Luft. Die drei rannten so schnell sie konnten – über die Dächer – zu der Stelle, von der der Schrei kam. Die Werwölfe waren bereits weg. Sie konnten nur noch im Zwielicht das blutverschmierte Opfer sehen.
Es war Gaja, die Magd des ehemaligen Bürgermeisters.
Es war Gaja, Die Schwester seiner verstorbenen Frau!
Swen sackte auf dem steinernen Dach zusammen. Salim trat an seine Seite. Er legte ihm die Hand auf die Schulter und sprach:
„Bist du jetzt überzeugt?“
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Die Werwölfe von Düsterwald
Hayran KurguEine Geschichte zu dem Spiel "Die Werwölfe von Düsterwald". Ratet mit, wer von den scheinbar unschuldigen Bürgern Nachts das Dorf überfällt. Wer wird ihr nächstes Opfer? Wer überlebt?