Kapitel 16.

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Schon, als die ersten Sonnenstrahlen über die fernen Berge lugten, versammelte sich das Dorf auf dem Marktplatz. Arduin stand neben dem Richter, er wusste noch nicht, wer gehängt werden sollte, er wusste lediglich, wer angeklagt wurde und von wem. Die drei heutigen Verdächtigen waren Jane, da sie von Loki dabei beobachtet worden war, wie sie in der Nacht in den Wald verschwunden war, Echo, die wiederum von Jane angeklagt wurde und Swen, den Jason verdächtigt hatte. Wenn Arduin daran dachte, dass Jane vielleicht an diesem Morgen gehängt würde, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Wenn sie diesen Tag überlebte, so schwor es Arduin, dann würde er ihr seine Liebe bekennen, bevor es noch zu spät war.

„Heute wird leider Gottes eine junge Frau hingerichtet.“

Arduin schluckte schwer. Was, wenn sie wirklich hingerichtet werden würde? Könnte er damit leben?

„Mit acht gezählten Stimmen...“

Er musste sie retten!

„...Zwei Enthaltungen wurden berechnet...“

Er würde sich für sie opfern! Ganz egal, wie, Arduin wusste ganz genau, dass seine Freundin kein Werwolf war.

„...Es war ein überaus knappes Ergebnis.“

Er machte sich bereit. Er würde sie einfach mit sich in den Wald ziehen! Sie würden gemeinsam überleben können!

„...Gegenüber sieben Stimmen. Nun gut. Eine so junge Frau zu verurteilen, zeugt von höchster Verzweiflung, wenn ich dies anmerken darf.“

Er räusperte sich kurz.

„...Echo.“

Jane war erleichtert. Fast hätte es sie getroffen, das wusste sie, nun hatten die Werwölfe es auf sie abgesehen. Sie musste sich nun wehren, das wusste sie. Sie hatte bereits alles für ihre baldige Rache vorbereitet.

Nur mit Glück war sie den Werwölfen letzte Nacht entkommen. Doch sie hatten ihr schwer zugesetzt; Unzählige Kratzer bedeckten ihre Hände, die Knie und Handflächen hatte sie sich aufgeschlagen und beinahe am ganzen Körper waren Biss- und Kratzspuren der Werwölfe.

Und doch musste sie heute erscheinen. Schließlich war sie angeklagt.

Wenigstens konnte sie nun einen Werwolf töten; Den einzigen, den sie erkannt hatte.

Langsam sah sie Echo über die hölzerne Erhöhung zum Galgen schreiten. Sie blieb seltsam gefasst für die Situation. Man konnte zwar die Angst in ihren starr auf den Boden gerichteten Augen erkennen, doch äußerlich konnte man ihr kaum etwas anmerken.

Sie sah wunderschön aus. Ihre dunkelbraunen Haare waren zu einem langen Zopf geflochten, der ihr nun elegant über die Schulter fiel. Sie trug ein seidenes weißes Kleid, das sich bei jeder ihrer Bewegungen wölbte.

Vereinzelte Schreie waren aus der Menge zu hören. Echo besaß zwar wie viele andere Kinder in diesem Dorf keine Eltern, doch Freunde hatte sie genug gesammelt, dort, wo sie aufgewachsen war, in diesem unscheinbaren Haus direkt am Marktplatz, zu dem alle Waisen gebracht wurden.

Inzwischen war Echo an dem großen Pfahl angekommen. Der Richter begrüßte sie mit einer angedeuteten Umarmung und sprach ihr beruhigend zu. Daneben stand Arduin, der perplex dastand und sich nicht rührte.

Der Richter führte Echo unter den Galgen, der Henker, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, kam nun heran und legte ihr die Schlinge um den Hals. Noch immer zeigte ihr Gesicht keine Angst, als hätte sie sich bereits dem Tod gefügt.

Nur Arduin wandte den Kopf nun von ihr ab, als der Henker den Boden unter ihren Füßen wegriss.

Die Werwölfe von DüsterwaldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt