Kapitel 10.

226 27 5
                                    

Am Sonntagmorgenwurde Jane von einem Ausrufer geweckt. Er las im Grunde nur eine Mitteilung von einem großen Zettel ab:

Der Büttel war tot. Er war nahezu zerfetzt in seinem Haus im ersten Stock aufgefunden worden. Derselbe Mann, der noch gestern dieses abwegige Gesetz erlassen hatte.

In Gegensatz zu den anderen, vergleichsweise farblosen Bestattungen war die des Büttels voller Musik. Voller Blumen und voller weinender Menschen. Der Bürgermeister sprach einige heisere Worte. Der Richter ebenfalls. Doch am Schluss mussten sie beide die Reden abbrechen. Sie waren eine Art von Familie gewesen. Der Bürgermeister war nie erschienen ohne seinen Büttel.

Und der Büttel war wiederum noch zu jedem Gerichtsverfahren gekommen.

Auch, wenn es nur beruflicher Natur war, so waren die drei Oberhäupter des Dorfes doch Freunde gewesen.

Sie waren die drei Mächte gewesen; Die Richtende, die Ausführende und die Gesetzgebende im Dorf.

Es war Sonntag. Der erste Schnee hatte bereits heute Morgen begonnen, auf die Dächer niederzusinken und schien nicht damit aufhören zu wollen.

In einem tiefen Loch vergrub man ihn, umgeben von Blumen, trotz dieser Jahreszeit hatte man noch welche pflücken können. Der Priester sprach von seiner Intelligenz, seinem Mut und seiner Stärke, doch Jane hatte nur noch diesen einen Gedanken:

Es gab die Werwölfe.

Während der Priester noch die Arme hob, um alle anwesenden Bürger und den Toten zu Segnen, brannte das eine Wort in ihr.

Rache.

Sie wusste nicht, warum. Für alle Bürger dieses Dorfes war der Büttel der Unnahbare gewesen, nur für die Reichen vorbehalten, weswegen er sie bisher eher wenig gekümmert hatte.

Doch seinen Tod nahm sie persönlich.

Es war, als wollten die Werwölfe beweisen, dass sie in jedes Haus eindringen, jeden aufspüren und jeden töten konnten, den sie wollten. Die Biester wollten sie verspotten!

Während noch ein Geigen- und ein Flötenspieler die Trauernden mit Musik verabschiedeten, suchte sie nach einer Waffe.

Nils war erst gar nicht zu der Beerdigung gekommen. Er war auch nicht zu der seines Bruders gegangen. Er trottete über den Marktplatz. Es war Sonntag, daher und wegen der Beerdigung war es hier überaus leer. Erst einmal wollte Nils einen klaren Kopf bekommen. Seit dem Finns Tod vor vier Tagen war er nur aufgewühlt durch die Stadt gelaufen. Er war nur auf Rache gesinnt gewesen. Er wollte seinen kleinen Bruder Rächen!

Er hatte schlaflose Nächte verbracht, um die perfekte Falle für die Werwölfe zu errichten. Er hätte sowieso nicht einschlafen können.

In seinen Gedanken versunken bemerkte er nicht, wohin er ging. Erst, als er vor seiner Schule stand, weckte ihn eine leise Mädchenstimme aus seinen Träumen, die ihn rief.

Nils sah sich um. Er konnte niemanden erkennen, bis sie schließlich aus dem Schatten einer Hausecke trat.

Neele machte eine Bedeutung, er solle ihr folgen. Dann verschwand sie in einer Gasse.

Nils hatte alle Mühe, dem kleinen Mädchen zu folgen. Sie sprang über Stein- und Holzstapeln, krabbelte unter Zäunen hindurch. kletterte über Mauern und auf Hausdächer, bis sie schließlich auf einem Schornstein auf einem gut zwischen zwei größeren Häusern versteckten Dach platznahm.

Nils stolperte das steile Dach hinterher und konnte sich schließlich auf einer Fläche davor positionieren.

„Ich bin so froh, dass ich endlich jemanden gefunden habe!“, eröffnete Neele.

„Wieso?“

„Ich kann dir sagen, wer deinen Bruder getötet hat.“

Nils fiel ein Stein vom Herzen. Endlich konnte er den Tod seines Bruders rächen. Als sie nicht sofort fortfuhr, fragte er ungeduldig nach.

„Wer?“

Die Werwölfe von DüsterwaldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt