Kapitel 21.

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Jason zog Jane am Handgelenk hinter sich her durch das Unterholz. Ihr langes Kleid verfing sich im Gestrüpp, das lange Stofffetzen abriss und wie eine weiße Spur hinter sie legte.

Sie waren den ganzen Tag im Wald herumgeirrt. Am Anfang waren sie noch verfolgt worden, von einigen starken Männern und Wachen, doch die meisten hatten sie schon abgehängt. Obwohl Jane schon den ganzen Tag gelaufen war, zog Jason sie erbarmungslos weiter, tiefer in den schützenden Wald hinein, der dreimal so groß wie das Dorf war.

Sie hatten noch kein Wort gewechselt, seit Jason sie gerettet hatte, sie waren zu beschäftigt damit gewesen, zu laufen. Jane fragte sich, ob Jason wohl wusste, wo er sie hinführte, oder ob er einfach wie sie durch den Wald irrte.

Ihre nackten Füße wurden wund auf dem Waldboden und ihr Kleid hing in Fetzen an ihr herunter, aber das schien ihn nicht zu stören. Er hatte keine Ähnlichkeit mehr mit dem sanften Jason, den sie am letzten Morgen vorgefunden hatte, der zwar auch nichts gesagt hatte, aber das auf eine tröstende Weise. Den Jason liebte sie.

Der heutige Jason zwang sie, ihn zu hassen, mit seinem Verhalten.

Sie war ihm dankbar, aber sie hasste ihn heute.

Versunken in ihren Gedanken lief sie dem hastigen Jason hinterher und bemerkte erst, als er anhielt und sie fast gegen ihn gelaufen wäre, dass sie vor einer kleinen, aus Holz und Stein bestehenden Hütte mitten zwischen den Bäumen angekommen waren.

Jason öffnete behutsam die morsche Tür und zog Jane, immer noch am Handgelenk festhaltend, in das Häuschen hinein.

Nils hatte sie warnen wollen. Aus dem Hinterhalt war ein Werwolf auf sie zugelaufen. Ein hellbrauner mit glühenden blauen Augen. Er hatte sie von hinten angegriffen, nur wenige Meter vor den schützenden Dächern.

Und Nils war schuld gewesen.

Nils war ein Mörder. Er hatte sie alle umgebracht. Seine Brüder und Neele. Durch seine Leichtsinnigkeit. Und jedes Mal, als sie kamen, floh er über die Dächer und ließ sie zurück. Die, die ihm eigentlich helfen wollten... Seine Freunde...

Nils verkroch sich in eine Nische in der er sich mit einer dreckigen Decke umwickelte.

Er wollte sich rächen.

Für Finn. Seinen kleinen Bruder, der mit ihm die Werwölfe ansehen wollte, damals, vor einer Woche. Als sie noch ganz fasziniert von ihnen gewesen waren. Der von drei dunklen großen Schatten umgebracht worden war, vielleicht auch vier.

Für Lukas. Der sich mit ihm an ihnen rächen wollte. Gestern Abend erst... Als er von einem kleinen dunkelgrauen Werwolf angefallen worden war.

Für Neele. Die er ebenfalls um Hilfe bitten wollte, im Kampf gegen die Werwölfe. Ein hellbrauner Werwolf, größer als alle, die er davor gesehen hatte aber viel schlanker, mit längeren Beinen.

Nils hatte aufgepasst. Die alte Bäckerin war ein Werwolf gewesen, das wusste er. Echo war ebenfalls einer gewesen. Und die anderen? Zum ersten Mal begriff Nils, was die Werwölfe so gefährlich machte. Und wie man sie besiegen konnte. Es war ganz einfach.

Jeder Werwolf war ein Dorfbewohner. Vielleicht waren seine engsten Freunde welche und er hatte ihnen alle seine Pläne verraten. Nils beschloss, niemandem mehr zu vertrauen. Er konnte niemanden von der Liste der Verdächtigen ausschließen, der noch nicht von ihnen getötet worden war. War Jane ein Werwolf? Jason? Oder Swen? Sie ließen sich nichts anmerken. Nils musste alle herausfinden. Wer war der lange Hellbraune? Der kleine Graue? Und alle anderen, die man bisher nicht voneinander unterscheiden konnte?

Die Werwölfe von DüsterwaldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt